Aephanemer - Utopie

Review

Soundcheck Oktober 2025# 5 Galerie mit 20 Bildern: Aephanemer - Album Release Tour 2025 in Weinheim

Wenn es darum geht, ultrapräzisen, wilden und doch melodischen Death Metal unters Volk zu bringen, so haben sich die Toulouser AEPHANEMER um Fronterin Marion Bascoul vor allem mit ihren Platten „Prokopton“ und „A Dream Of Wilderness“ einen ordentlichen Status erspielen können. Ursprünglich in Eigenregie agierend und aus dem Youtube-Kanal von Chefklampfer Martin Hamiche hervorgegangen, wurden Napalm Records zeitlebens des erstgenannten Zweitalbums der Franzosen auf ebenjene Truppe aufmerksam – im Grunde eine Geschichte wie aus den kitschigsten Hollywood-Märchen. Und die Toulouser haben bislang nicht dahingehend enttäuscht, ihre Fähigkeiten mit ihrem behänden Melodic Death Metal unter Beweis zu stellen.

AEPHANEMER weichen nicht von ihrem Kernsound ab

„Utopie“ heißt nun das neue vierte Album der mittlerweile auf Triogröße geschrumpften Kapelle und beschreitet abgesehen von einigen Feinjustierungen den eingeschlagenen Weg weiter. Das heißt, dass es wilden Melodeath auf die Löffel gibt, der seine symphonische Komponente weniger aus platten, cineastischen Gesten bezieht, sondern bei der sich durchaus ausgefeilte Motive aus diversen Phasen der klassischen Musik komplett mit dem komplexen Melodeath der Franzosen ineinander verschlungen haben. Die Qualität dieser symphonischen Arrangements, deren Herkunft im Waschzettel leider nicht weiter erklärt wird, ist indes um einiges gestiegen und lässt vermuten, dass Chef Hamiche diese vermutlich lange Zeit in mühsamer Kleinstarbeit programmiert hat.

Denn zwar ist deren synthetische Natur hier und da noch wiederzuerkennen wie etwa in „Contrepoint“, doch das beispielhafte Zusammenspiel der Arrangements mit der Death Metal-Komponente lässt diesen Aspekt von „Utopie“ im Handumdrehen vergessen. Hier beschwört der Maestro und sein wild gewordenes Orchester aus der digitalen Konserve einen echten Wirbelsturm im Opernhaus hervor, hier schimpft sich Bascoul wie eine Bestie viel auch in ihrer Landessprache durch die Songs, hier wirken nahezu alle Stücke wie kleine Symphonien. AEPHANEMER denken gar nicht daran, diesen Aspekt ihres Kernsounds auch nur um ein Gramm aufzuweichen.

Aber sie erhöhen auf „Utopie“ dessen Komplexität

Im Gegenteil: „Utopie“ scheint im Vergleich zum Vorgänger noch einmal eine Spur komplexer ausgefallen zu sein, hin zum Punkt, dass die Songs seltener durch klassische Hooks glänzen und öfter auf lateral verlaufende Songbauten setzen. Das bedeutet umgekehrt auch, dass sich das Songmaterial nicht auf den ersten Hör direkt in die Hirnwindungen fräst. Denn es gibt zwar durchaus prominent inszenierte Hooks wie in „Par-Delà Le Mur Des Siècles“ oder „Chimère“, aber AEPHANEMER lassen ihre Hörerschaft anno 2025 ordentlich schuften, was die Erschließung ihres neuen Albums angeht. Die Toulouser setzen angesichts des als Konzeptalbum über Utopie als Mittel zur Konfrontation auf eine längerfristige Bindung ihrer Hörerschaft.

Bei den kürzeren Stücken, welche die ersten zwei Drittel der Trackliste bevölkern, dürfte es nach zwei oder drei Runden auch zünden. Wo sich die Band jedoch viel vorgenommen hat, ist im finalen Drittel, das durch drei zünftige Longtracks eingenommen wird. Hier zeigt man Selbstbewusstsein, vor allem weil einer dieser Pfundskerle, „La Rivière Souterraine“, sogar komplett instrumental daherkommt. Hier droht der Sound zugegeben, ein wenig ins rein Masturbative abzudriften. Zum Glück lässt das Trio selbst hier nichts anbrennen und bietet regelmäßige Oasen der Ruhe zwischen Frickeleinlagen, die das Riffdickicht ein bisschen auflockern.

Dabei halten sie trotz schwächelndem Schlusstrack ihr hohes Niveau

Den Abschluss macht schließlich der zweiteilige Titeltrack, der im Gesamten noch mal gut über 17 Minuten auf die Uhr bringt und auch erst einmal verdaut werden möchte. Der erste Teil macht nach kinoreifem Symphonic-Intro mit einigen der cineastischeren und emotionsbetonteren Melodiebögen auf sich aufmerksam, während der zweite Teil ein paar Motive der anderen Tracks aufzugreifen scheint, sich insgesamt aber weit über das gesunde Maß hinaus in die Länge gezogen fühlt. Das liegt größtenteils an der in den ersten sechs Minuten des Tracks weitestgehend gleichbleibenden Rhythmik, bei der etwas mehr Abwechslung und Impulsivität Wunder gewirkt hätten.

Aber bis hierhin feuern AEPHANEMER aus allen Zylindern und liefern ein erneut hochklassiges Werk ab, dessen Feinjustierungen Sinn ergeben und durchaus den Charakter der Musik mitgeprägt haben. Die noch weiter erhöhte Komplexität erfordert die volle Aufmerksamkeit auf Hörerseite, belohnt dafür aber auch mit manch transzendentalem Gänsehautmoment wie im überragenden „Le Cimetière Marin“. Dass der Rausschmeißer ein bisschen abstinkt, lässt sich angesichts der ansonsten durchweg furiosen Darbietung der Toulouser ganz gut verkraften, auch wenn man sich nicht des Eindruckes erwehren kann, dass hier zum Ende hin der kreative Dampf ein bisschen ausgegangen sein mag. Die Toulouser halten weitestehend also ihr Niveau, ohne sich unnötig zu kopieren und bleiben dadurch weiterhin hochinteressant für die Melodic Death-Meute, die es gerne etwas symphonischer mag.

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29.10.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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