Algor Mortis - Die Freiheit Des Denkenden Geistes

Review

Schwelende Fackeln, den eisenhaltigen Geruch von Blut und eine erstickende Wand aus Trockeneis. Das ist es, was ich vor mir sehe, wenn ich ALGOR MORTIS höre. Und das ist weiß Gott etwas, das ich bei einem Black-Metal-Demo sehr lange nicht so empfunden habe.

Der Unterschied zwischen „Die Freiheit Des Denkenden Geistes“ dieser offenbar recht jungen Thüringer Band und sehr, sehr vielen anderen aktuellen Frühwerken deutscher Black Metal-Bands ist ein ganz einfacher: ALGOR MORTIS scheinen wirklich zu wissen, was sie künstlerisch ausdrücken wollen. Danach orientieren sie sich, danach streben sie. Ihre erste Veröffentlichung ist nicht etwa eine lieblos zusammengezimmerte EP auf einem hässlichen Rohling, sondern eine gut einstündige Demo-CD mit einem hübschen, geschmackvollen Artwork auf mattem Papier. Für das angenehm stimmungsvolle Cover haben sie sich Aran von LUNAR AURORA ins Boot geholt, den ziemlich rohen Klang ihrer Platte hat Patrick Engel (u.a. ex-IMPENDING DOOM, ex-ETERNITY usw.) mit einem gelungenen Mastering aufgedonnert.
Damit ist von vorneherein klar: ALGOR MORTIS sind keine Freunde halber Sachen, und das finde ich sympathisch. Eine klare Vorstellung und ein sicherer Geschmack sind schon mehr als die halbe Miete. Da ist es auch verzeihlich, wenn die musikalische Umsetzung dem (noch) ein wenig nachsteht.

Die acht Tracks auf „Die Freiheit…“ schwanken mitunter in ihrer Qualität deutlich. Dabei steigert sich die Truppe vom noch ziemlich zähen und chaotischen Opener „Flügelschlag“ an mit jedem Track deutlich. Der erste atmosphärische Höhepunkt ist dann das dritte Stück, „Pfad Der Verdammten“, ein relativ simpel gehaltener Zwölfminüter von ruppiger Monotonität, in dem auch das erste Mal Filmsamples Verwendung finden. Nicht das erste Mal erinnern ALGOR MORTIS hier an ihre (wie die Bandfotos zeigen sehr offensichtlichen) Vorbilder von LUNAR AURORA zu Zeiten von „Ars Moriendi“ oder „Elixir Of Sorrow“. Diesen Eindruck bestätigt der Kern dieser Demo-CD, das mit 13 Minuten episch angelegte Titelstück. Hier kommen Synthesizer-Ambiente, eine gelungene, sehr verhallte Leadgitarre und gut akzentuiertes Schlagzeug zusammen. Verbunden mit dem cleanen und gesprochenen Gesang, der erstaunlich treffend eingesetzt ist, kommen deutlich Erinnerungen an – festhalten – die ersten Demoaufnahmen der GRABNEBELFÜRSTEN und in den extremeren Momenten an TODTGELICHTERs „Was bleibt…“ (oder GEISTs „Patina“?) auf.

Der erstaunlichste Track allerdings ist „Seelentod“, dessen Titel zunächst extremst kitschig wirkt, das aber wirklich eines der finstersten Black Metal-Stücke ist, das ich seit sehr langer Zeit gehört habe. Das schaffen ALGOR MORTIS mit den altbekannten Mitteln aus einfachstem Keyboard, einer gelungenen Leitmelodie, sägenden Leads, rüpeligem Bass und sehr hintergründigem, schepperndem Schlagzeug. Die zunächst misslungen wirkende Produktion wächst mit jedem Hördurchlauf und entpuppt sich letztlich als für dieses Demo „richtige“ – höhen- und mittenlastig, obskur, verwaschen, durchdrungen von Hall. Das zeichnet einige spielerische Ecken und Kanten weicher und versteckt auch die gerade in den Blastbeats ziemlich holprige Leistung am Drumkit hinter einer Wand aus Gitarren. Ohnehin sind ALGOR MORTIS definitiv in den langsamen Momenten am Stärksten.

Offengestanden bin ich erstaunt, dass es in Deutschland noch nachwachsende Black Metal-Bands gibt, die so gut wie ohne Kitsch auskommen (leider wirken die Texte auf mich in ihrer Form viel zu zurechtgeschoben – das Prosa-Outro „Fluch“ macht gegen die zwanghafte lyrische Form der restlichen Texte einen viel authentischeren Eindruck), geschmackliches und atmosphärisches Talent haben und dabei schon recht eigen klingen. Ich denke, „Die Freiheit Des Denkenden Geistes“ ist ein im Gesamtzusammenhang betrachtet solider Anfang. Ganz bestimmt können ALGOR MORTIS das aber noch sehr viel besser, und darauf bin ich gespannt.

05.03.2010

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 36673 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Kommentare