Axel Rudi Pell - Knights Call

Review

Knapp 30 Jahre ist es her, da veröffentliche der blonde Gitarrengott AXEL RUDI PELL mit seiner gleichnamigen Band sein erstes Studioalbum „Wild Obsession“. Drei von Erfolg begleitete Jahrzehnte später liest sich AXEL RUDI PELLs Karriere in Zahlen wie der feuchte Traum so manch eines Musikers: 16 Studioalben, die der Band über die Jahre Kultstatus eingebracht haben, über 1,5 Millionen verkaufter Tonträger weltweit und kontinuierlich Chartplatzierungen ganz weit vorne sprechen eine deutliche Sprache. Mit „Knights Call“ führt der Bochumer Heavy-Metal-Ritter seine Mitmusiker nun zum siebzehnten Mal ins schwermetallische Gefecht. Ist das Album mit  seinem Waffenarsenal aus scharfen Riffs und mörderischen Solos auch diesmal bestens gewappnet oder wird die knappe Stunde Spieldauer zum schaurigen Trip in die Folterkammer? Legt euer Kettenhemd an, jetzt wird es ritterlich.

„Knights Call“ – Ritterschlag oder Kerker?

Die Eröffnung durch „The Medieval Overture (Intro)“ bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung, schließlich beschreibt der Songtitel bereits bestens, was dieses Stück bereithält: eine sanfte, dahinfließende Melodie, die den Hörer zumindest gedanklich auf das mittelalterliche Leitmotiv von „Knights Call“ einstimmen soll. Das war es dann aber vorerst auch schon mit den ruhigeren Klängen, denn „The Wild and the Young“ geht direkt aufs Ganze. Messerscharfe Riffs, preschende Drums und insbesondere Johnny Gioelis kraftvoller Gesang aus voller Röhre lassen Heavy-Metal-Herzen von Beginn an höher schlagen – hier steckt hundertprozentige Leidenschaft hinter jeder Note. ARP-Sound wie man sich ihn wünscht. Der Hochkaräter „Wildest Dreams“ knüpft mit seinem zeitlosen Hard-Rock-Vibe fraglos an den positiven ersten Eindruck des Albums an. Der knapp sechsminütige Kraftakt besticht durch sein unglaubliches Facettenreichtum aus fetzigen Gitarren, galoppierender Rhythmik und rockenden Orgelklängen. Dass dieses triumphale Zusammenspiel in einem ausgedehnten, virtuosen Solo mündet, das auch den kritischsten AXEL RUDI PELL-Hörer überzeugen wird, versteht sich beinahe von selbst.

Nicht nur des Titels wegen erinnert „Long Live Rock“ unweigerlich an den legendären RAINBOW-Song „Long Live Rock ’n‘ Roll„. Auch klanglich steht der Song in Sachen Power der bekannten Hymne in nichts nach. Pell und seine Mannen gehen mit diesem Kracher, der auch live voll einschlagen wird, ganz sicher, dass der Rock definitiv noch ein Weilchen zu leben hat. Wem „Knights Call“ aus unersichtlichen Gründen bis hierhin nicht episch genug war, wird mit „The Crusaders of Doom“ einen frühen Lieblingshit auf dem Album finden. Das kreischende Gitarren-Intro ist nur der Anfang eines explosiven Meisterwerks, das garantiert für Gänsehaut sorgen wird. Die düstere Heavy-Metal-Ballade überlässt nichts dem Zufall: melodisches Intro, packender Verse, mitreißender Chorus und natürlich zum krönenden Abschluss ein majestätisches Solo – alles sitzt dort, wo es sitzen muss. Auf dem rasanten Instrumental „Truth and Lies“ tobt sich der Gitarrenmeister rifftechnisch so richtig aus und zeigt, dass er trotz all der Jahre nichts verlernt hat.

Der Gitarrengott und seine Ritter der Tafelrunde

Ohne „Beyond the Light“ wäre „Knights Call“ definitiv unvollständig, schließlich wäre ein AXEL RUDI PELL-Album ohne herzzerreißende Ballade inzwischen undenkbar. Zum Glück hält sich der Ausnahmemusiker auch diesmal an seine altbewährte Formel und liefert dem Hörer eine emotionale Glanznummer, die sich ohne weiteres mit Hits wie „Forever Angel“ oder „Where the Wild Waters Flow“ messen kann. Bereits im Intro wird deutlich, wie viel Herzblut ARP und seine Kollegen in den Song gesteckt haben. Die schwermütige Klaviermelodie wird immer wieder vom feinen Gittarenspiel untermalt und harmoniert auf einzigartige Weise mit Johnny Gioelis unverkennbarer Stimme. Mit dem Einsetzen der anderen Instrumente steigt der Gänsehaut-Faktor ins Unermessliche. Ganz großes Kino! „Slaves on the Run“ kann jedoch leider nicht mit der stimmigen Atmosphäre, die der Großteil der vorangegangenen Songs verströmt, mithalten. Hinter dem Stück steckt zwar ordentlich Druck, verglichen mit dem, was „Knights Call“ sonst so zu bieten hat, ist das jedoch leider nicht überzeugend genug. Ähnliches gilt auch für „Follow the Sun“. Grundsätzlich ist der Song mit seinem mächtigen Gitarren-Sound, dem dynamischen Drumming und dem stürmischen Solo eine solide Angelegenheit, die im Gesamtkontext des eigentlich sehr gelungenen Albums jedoch nur die zweite Geige spielt. „Tower of Babylon“ komplettiert „Knights Call“ schließlich. Das zehnminütige Metal-Epos überzeugt dank seiner orientalischen Keyboard-Einflüsse, der hämmernden Bassline und seiner temporeichen Dramatik. Dass der Song zudem ein groß angelegtes Gitarrensolo ist, welches den Hörer durch seine überwältigende Virtuosität für sich gewinnen kann, zeugt von der hochwertigen Komplexität des gesamten Stücks. Ein mehr als würdiger Schlusspunkt für „Knights Call“.

AXEL RUDI PELL-Sound wie er leibt und lebt

Axel Rudi Pell und seine Ritter der Tafelrunde haben ihre Aufgabe fraglos erfüllt. Das Album bietet von Anfang bis Ende Unterhaltung auf Höchstniveau, auch wenn sich einzelne Songs qualitativ eindeutig abheben. Von halsbrecherischen Riff-Schlachten bis hin zu einfühlsamen Herzschmerzmelodien ist alles dabei, was man sich von einer AXEL RUDI PELL-Scheibe erhoffen kann. ARP ist auch hier seinem typischen Sound treu geblieben, an einzelnen Stellen womöglich zu sehr, doch das ist wirklich Meckern auf höchstem Niveau. „Knights Call“ ist Pflichtprogramm für all jene, die ehrlichen, zeitlosen und vor allem handgemachten Heavy Metal wertschätzen. Das Album ist bis an die Zähne mit Hits bewaffnet, ein donnerndes Riff jagt das andere und an den virtuosen Solos kann man sich eigentlich gar nicht satthören.

30.03.2018
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