Celtic Frost - Danse Macabre (Boxset)

Review

Als Tom Gabriel Warrior und Martin Eric Ain am 1. Juni 1984 ihre alte, seinerzeit nicht eben beliebte Band HELLHAMMER auflösen, um anschließend CELTIC FROST aus der Taufe zu heben, ahnen sie noch nicht, welche Wellen ihr neues, buchstäblich auf einem Blatt Papier konzipiertes Baby schlagen würde. Sie ahnen weder, dass ganze Generationen aus Meilensteinen wie “Morbid Tales”, “To Mega Therion” und “Into The Pandemonium” Einflüsse beziehen werden; noch, dass sie von ihrem eigenen Vermächtnis zeitweise physisch und psychisch aufgezehrt werden. Bei diesen beiden großen exzentrischen Figuren der Metal-Geschichte zählte vor allem die Vision und die sollte so einzigartig wie schwer zugänglich sein.

Dieser Einfluss, aber auch das für CELTIC FROST typische Bestreben, ein Gesamtkunstwerk zu kreieren, das in Sachen Haptik und Optik der Musik ebenbürtig ist, bewog BMG nun zu dem opulenten Boxset “Danse Macabre”. Darin sind die drei genannten essentiellen Scheiben der Achtziger, alle EPs aus der klassischen Ära sowie allerlei ansprechende Gimmicks. Die Box ist sowohl in einer CD- als auch einer herrlichen Vinyl-Version erhältlich. Natürlich wurde der seinerzeit grandios gescheiterte (und von der Band auf ewig verstoßene) Kommerz-Versuch “Cold Lake” für diesen Release ausgeklammert. Einige werden im Gegensatz zu den 2017er-Reissues auch den unterschätzten 1990er-Schwanensang “Vanity/Nemesis” vermissen, aber das Label wollte sich vorwiegend auf die ganz großen Klassiker beschränken.

CELTIC FROST und “Danse Macabre” – Die Alben

Klar, dazu brauchen wir grundsätzlich wenig erzählen, machen es aber trotzdem, denn hier wird ein ganz wichtiges Stück der Düster-Metal-Ursuppe angemessen aufgearbeitet, dass es einer Lehrstunde in Sachen Metalgeschichte gleichkommt. Den Anfang macht natürlich “Morbid Tales”, das zuerst im November 1984 als Mini-Album mit sechs Songs in Europa und über Metal Blade in den Staaten als vollständiger Longplayer mit acht Tracks erscheint. Neben der okkult geprägten und höchst einflussreichen Ästhetik sind es vor allem Gassenhauer wie “Into The Crypts Of Rays” und “Procreation Of The Wicked”, die eine ganz eigene, zeitlose Trostlosigkeit und Heavyness ausstrahlen. Der Titelsong, der kurioserweise auf der Euro-Version nicht enthalten war und über die “Emperor’s Return”-EP ein Jahr später nachgeliefert wurde, ist gar eine Blaupause urwüchsiger, roher Tonkunst und hat sich insbesondere im DARKTHRONE-Songwriting später massiv niedergeschlagen. “Morbid Tales” liegt in rot-schwarzem Vinyl bei.

“To Mega Therion” hingegen gilt vielen als eigentliches Debüt-Album von CELTIC FROST, was an seiner Abgeschlossenheit liegen dürfte. Vom majestätisch-wagneresken Intro “Innocence And Wrath” über Düster-Perlen wie “Dawn Of Megiddo”, “The Usurper” oder “Circle Of The Tyrants” hin zum finalen, mystisch-bedrückenden “Necromantical Screams” (das sich aus HELLHAMMERs “Buried And Forgotten” speist) stimmt hier jede Note, jedes Detail in der Produktion; ganz gleich, was die Musiker selbst darüber behaupten. Einen Makel hat “To Mega Therion” vielleicht doch: Aufgrund persönlicher Probleme verabschiedete sich Martin Eric Ain zwischenzeitlich und wurde durch Dominic Steiner am Bass ersetzt. Das Urgestein hätte man schon gern auf diesem einzigartigen Klassiker gehört. “To Mega Therion” wurde grau-schwarzes Vinyl spendiert.

Immerhin war Ain unmittelbar nach den Aufnahmen wieder von der Partie und arbeitete gemeinsam mit Tom an dem Avantgarde-Metal-Klassiker “Into The Pandemonium”. Wenngleich das Album 1987 viele Leute, nicht zuletzt den Chef des Labels Noise Records massiv vor den Kopf stieß, setzte der fanatische Ekletizismus CELTIC FROSTs Standards in Sachen experimenteller Extreme Metal. Seien es die heutzutage wieder als schick geltenden Post-Punk-Einflüsse (das Album wird gar von dem WALL-OF-VOODOO-Cover “Mexican Radio” eröffnet), die klassisch anmutenden Ambient-Passagen in “Sorrows Of The Moon” oder die Elektronika in “One In Their Pride” – Vieles davon sollten Black- und Death-Metal-Bands später ausprobieren und dabei ihre Ideen auf CELTIC FROST zurückführen. “Dazwischen” wird oft übersehen, dass “Into The Pandemonium” auch starke, typische Tracks der Sorte “Babylon Fell” oder “Inner Sanctum” enthält. “Into The Pandemonium” ist auf beige-orangenem Vinyl in der Box enthalten.

CELTIC FROST und “Danse Macabre” – Die EPs

Die EPs, die teilweise seit Jahrzehnten vergriffen bzw. gesuchte Raritäten sind, dürften für viele einen besonders großen Anreiz darstellen. Den Beginn macht “Emperor’s Return”, dessen Phil-Lawvere-Cover auch nach 37 Jahren im Kontext der Band befremdlich wirkt, aber laut Tom Warriors Aussage auch Absicht war. Die EP war damals nicht unwichtig für CELTIC FROST, die mit “Morbid Tales” im Gegensatz zu HELLHAMMER ad hoc gefragter und ernst genommen wurden. Drummer Stephen Priestly wollte nach “Morbid Tales” nicht bei der Band bleiben, sodass Warrior und Ain in dem Amerikaner Reed St. Mark fündig wurden. Um ihn der Öffentlichkeit vorzustellen, wurde diese EP veröffentlicht, die neben den beiden nur für die US-Version von “Morbid Tales” verfügbaren Stücken “Morbid Tales” und “Dethroned Emperor” die drei weiteren Songs “Circle Of The Tyrants”, “Suicidal Winds” und “Nocturnal Fear” enthielt. Das Publikum dürstete damals nach mehr von dieser unglaublich radikalen Band und so wurde “Emperor’s Return” im August 1985 sehr gut aufgenommen. Die Platte ist auf grün-schwarzem Vinyl im Boxset.

Die “Tragic Serenades”-EP mit dem schönen, atmosphärischen Cover erschien 1986, um zwei Stücke von “To Mega Therion” so zu präsentieren, wie sie ursprünglich geplant waren, nämlich mit Martin Eric Ain am Bass, zu präsentieren. Außerdem waren CELTIC FROST mit dem ursprünglichen Mix von “To Mega Therion” unzufrieden, der damit etwas geradegebogen werden sollte, da die Plattenfirma nur einzelne Songs überarbeiten ließ, dies aber für das ganze Album untersagte. Diese Versionen von “The Usurper” und “Jewel Throne” wurden den meisten späteren Pressungen von “To Mega Therion” meist anstelle der ursprünglichen Versionen beigefügt. Daneben befindet sich ein obskurer “Party Jam” des Songs “Return To The Eve” aus dem Proberaum, bei dem Reed St. Mark teilweise den Gesang übernimmt. Das Vinyl ist in Anlehnung an das Cover in schwarz-violetter Farbe enthalten.

“The Collector’s Celtic Frost” ist eine ursprünglich ultra-rare EP mit einem einzigen Track: “In The Chapel, In The Moonlight”, einem DEAN-MARTIN-Cover, geschrieben von Billy Hill, das nach Ansicht der Band das Zeug zu einem düsteren Metal-Song hatte. Der Song befindet sich wie 1987 auf einer einzigen 12“-Single in 45 rpm, der für die Re-Issue ein transparentes Vinyl bekam, in dessen B-Seite das Cover-Motiv geetcht wurde.

Die völlig obskure “I Won’t Dance”-EP, die neben dem Titelstück noch “One In Their Pride” auf der B-Seite trägt, sollte in den Achtzigern das “Into The Pandemonium”-Album pushen. In dieser Box ist die EP, vor allem aufgrund des Covers, ein nettes Sammlerstück. Es gab die EP 1987 als 7“ mit diesen beiden Songs oder als 12“ mit dem zusätzlichen Track “Sorrows Of The Moon”. Diesem Boxset liegt die 12“-Version mit drei Songs bei. Die EP kommt auf schwarz-weißem Vinyl mit der Box. Bemerkenswert: Auf dem Foto des Backcovers taucht ein gewisser Ron Marks als zweiter Gitarrist auf, der später noch auf dem “Vanity/Nemesis”-Album einige Gitarren einspielen und mit Tom bei der Industrial-Band APOLLYON SUN kollaborieren sollte.

Die letzte Scheibe ist eine 7“-Single mit den Songs “Visual Aggression” und “Journey Into Fear”. Letzterer Track wurde für “Emperor’s Return” aufgenommen, aber nicht mit auf die ursprüngliche Veröffentlichung gepresst. Durch das coole, neue Artwork und den angenehm dreckigen Sound hat dieses kleine graue Vinyl ein klein wenig NWOBHM-Charme.

CELTIC FROST und “Danse Macabre” – Die Gimmicks

Als wäre das alles nicht schon unglaublich viel für das Gehirn zu verarbeiten, liegt der Box ein exklusiver Patch, ein „Necromaniac Union Fanclub“-Metall-Pin sowie ein USB-Stick in bandeigener Heptagramm-Optik bei, auf dem alle enthaltenen Scheiben in digitaler Form gespeichert sind. Das ist vielleicht nicht essentiell, aber ein cooles und nicht zuletzt praktisches Gimmick. Das “Grave Hill Bunker Tapes”-Rehearsal-Tape, das ein wirklich cooles, Demo-mäßiges Layout bekommen hat und Proberaumaufnahmen aus der “Morbid Tales”-Zeit in guter Qualität bietet, ist da schon viel spannender.

Eigentliches Herzstück ist aber das beiliegende Hardcover-Buch “A Morbid Tale”. In dem hochwertigen, ca. 50-seitigem Buch sind nicht nur exklusive und ausführliche Interview mit Tom Warrior und Drummer Reed St. Mark, sondern auch einige interessante, unveröffentlichte Fotos, die bisher auch nicht in Toms Buch “Only Death Is Real” oder den 2017er-Re-Issues zu sehen waren. Vor allem die Perspektive Reed St. Marks, der bislang noch nicht oft zu Wort kam, auf CELTIC FROST ist enorm spannend. Für Tom Warriors gewohnt literarisch-eloquente Ausführungen gilt das natürlich gewohnheitsmäßig ebenso.

CELTIC FROST und “Danse Macabre” – Ein Fazit

Gewiss muss am Ende des Tages jeder Mensch für sich entscheiden, ob er oder sie Willens ist, die knapp 70€ (CD-Version) oder 170€ (Vinyl-Version) für die Box auszugeben. Es gibt per se keinen einzigen unbekannten Track zu hören, selbst die obskuren EP-Tracks waren als Bonusmaterial bei den 2017er-Auflagen enthalten. Dazu muss gesagt werden, dass die Box einerseits unglaublich umfangreich ist und wie alles aus dem Hause Tom Gabriel Warrior nach dem “state of the art” gestaltet und umgesetzt wurde. Layouts, Haptik und Verarbeitung sind sensationell und wie immer wäre man nach dem Studium der Linernotes nur dann besser über die Alben informiert, wenn man selbst bei den Aufnahmen dabei gewesen wäre.

Celtic Frost - Danse Macabre Box Innenansicht

Ein minimaler Kritikpunkt wären die Vinyl-Farben bzw. Die Tatsache, dass es zwar eine “Glow In The Dark”-Version der Vinyl-Box gibt, aber kein schwarzes Vinyl, welches einfach authentischer zum Zeitgeist passt und inzwischen wieder von vielen bevorzugt wird, wäre sicher bedenkenswert gewesen. Immerhin passen die Marmorierungen zu den Farbgebungen des jeweiligen Artworks. In der CD-Version sind die Singles und EPs bis auf “Emperor’s Return” nicht als explizite Tonträger enthalten, sondern auf die Bonus-Tracks der CD-Alben aufgeteilt. Die übrigen Gimmicks sind gleich, das Tape wurde ebenfalls in eine CD umgewandelt. Die CD-Version ist ungleich handlicher und leichter, ist aber ebenso wertig und eindrucksvoll anzuschauen. Die einzelnen CDs liegen in ansehnlichen Digipaks bei.

Insgesamt ist “Danse Macabre” so rund, wie es nur sein kann. Es ist eine geschmackvolle Würdigung des weitreichenden Einflusses von CELTIC FROST in der metallischen Hochkultur und sicherlich für jede Plattensammlung ein Schmankerl, mit dem man sich mehrere Stunden niveauvoll beschäftigen kann. Wer sich in den depressiven Stunden der dunklen Jahreszeit etwas Gutes tun möchte oder nach dem besonderen Geschenk für geschichtsbewusste Metalfans sucht, oder auch einfach nur ein riesiger Fan von CELTIC FROST ist, sollte hier zugreifen, bevor es zu spät ist.

(Dieser Artikel erscheint leider später als beabsichtigt, da es Verzögerungen durch Probleme des Kuriers bei der Auslieferung meines Rezensionsexemplars gab. Unser herzlicher Dank gilt All Noir Promotion in Deutschland und BMG in London, die sich mühevoll der Sache angenommen haben. Einzelne Exemplare der Vinyl-Box sind momentan noch erhältlich; die CD-Version des Boxsets ist gegenwärtig problemlos zu beziehen.)

10.11.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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