Dead Eyed Sleeper - Gomorrh

Review

DEAD EYED SLEEPER legen mit „Menschheit“ sofort los, man fühlt sich umgehend mittendrin im vertonten Handgemenge und sieht vor seinem inneren Auge tiefschwarze Wolken aufziehen. Wer DEAD EYED SLEEPER nur quer hört, wird groben Metal mit deutschen Texten wahrnehmen und als Stangenware abtun. Wer richtig hinhört, wird bemerken, dass auf „Gomorrh“ Gedichte der dem Expressionismus zugewandten Dichter Georg Trakl, Georg Heym und August Stramm auf höchstem kompositorischen Niveau mit viel Liebe zum Detail vertont werden. Was mittlerweile vor 22 Jahren als LEGACY aus Mitgliedern von AHAB und FRAGMENTS OF UNBECOMING zusammengeschmolzen wurde, hat sich fest verbunden.

Es dauert noch nicht mal 30 Minuten, bis DEAD EYED SLEEPER euch mit ihrem vierten Album „Gomorrh“ wie ein Dementor jeglichen Frohsinn aus dem Gemüt gekloppt haben. Hier lacht wirklich niemand mehr. Alleine die Songtitel lassen darauf schließen, dass hier keine optimistischen Verse als Inspiration dienten. Musikalischen basieren DEAD EYED SLEEPER auf technischem Death Metal, der mal mehr mal weniger groovt, stellenweise gibt es Auspendler Richtung Doom und ganz selten Richtung Black Metal. Sänger Sam Anetzberger grunzt, kreischt und dröhnt sich äußerst ambitioniert durch die Verse. Corny Althammer tut das, was er immer gut – er hebt die Aufgabe des Schlagzeuger weg vom puren Rhythmusgeber, sublimiert und bereichert jeden Song durch kreatives und für die Atmosphäre zuträgliches Spiel. „Gomorrh“ ist durchdacht bis in die Spitzen, arrangiert wie ein garstiges, dramatisches Theaterstück. Die Gitarristen Peter Eifflaender und Stephan Wandernoth zocken gleichermaßen aufbrausend, drückend oder auch filigran. Mal im Team oder auch gerne kämpfend polyrhythmisch, eine großartige Leistung der beiden Klampfer. Anführen kann die dunkle Parade keiner der fünf Songs, es wird empfohlen „Gomorrh“ zusammenhängend zu hören, um dem Fluidum komplett zu erliegen. Als ob die bereits genannten Vorzüge noch nicht genug wären, wird die Wertung noch durch die unverschämte Eingängigkeit abgerundet. DEAD EYED SLEEPER schaffen in einer bösartigen halben Stunde zu beweisen, dass sich Anspruch und Plausibilität keineswegs ausschließen und Metal nicht immer nach dem 08/15-Prinzip funktionieren muss.

Dass der Sound von DEAD EYED SLEEPER eben nicht steril und glatt sondern angenehm dicht und klirrend im Rama Studio in Mannheim festgehalten wurde, setzt dem Werk auch akustisch die schwarze Krone auf. „Gomorrh“ klingt extrem nach pissigem Keller und trotzdem ist jede kostbare Nuance hörbar und alles genauso gewollt. Im Gegenteil, es lassen sich sogar immer wieder neue Details entdecken und das Ohr weiß gar nicht, was es zuerst anerkennend abspeichern soll. Hier ein urplötzlich knurrender Bass, dort ertönt eiskaltes Marschtrommeln, umherfliegende zischende Stimmen oder eine melancholische Klaviermelodie – es wird einiges geboten in „Gomorrh“ und über allem schwebt ein Wort: Kunst! DEAD EYED SLEEPER liefern eine musikalische Sicht auf die Welt, die heute noch genauso aktuell ist, wie zu Lebzeiten der Dichter. Ganz großes, böses Kino, ein Trommelwirbel dunkler Krieger!

09.04.2016

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