Fleshbore - Painted Paradise

Review

Metalheads sind nicht selten riesige Nerds. Daher ist es nicht allzu abwegig, zu vermuten, dass FLESHBORE aus Indiana vermutlich große Warhammer-Fans sind, wenn man deren Nomenklatur betrachtet. Würde auch nicht weiter wundern, denn die Herren spielen einen brutalen, extrem frickeligen Tech Death, der so straff gezogen ist, dass ein Cent-Stück die Prägung verlieren würde, wenn man es da reinklemmen würde. Das ist tatsächlich eine Errungenschaft, da die Band selbst keinen eigenen Schlagzeuger hat, sondern die Drums des Zweitalbums „Painted Paradise“ von Session-Drummer Robin Stone haben einprügeln lassen. Das, was der Kerl aus seinem Kit hier rausgeprügelt hat, muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen.

Sind FLESHBORE auf den Spuren von ARCHSPIRE unterwegs?

Die US-Amerikaner spielen wie angedeutet einen ziemlich aggressiven, brutalen Tech Death. Dabei weisen die Jungs eine klangliche Verwandtschaft zu ARCHSPIRE auf, wenn es darum geht, extrem brutale Musik extrem präzise und fingerfertig zu spielen. Und wer weiß, nach dem Ausscheiden von deren übermenschlichen Schlagzeuger Spencer Prewett tut sich möglicherweise eine Marktlücke auf, die von den Herren vielleicht mit Hilfe von „Painted Paradise“ gefüllt werden kann. Bedarf hat unsereins zumindest immer an furiosem Death Metal, der keine Rücksicht auf Verluste nimmt, dabei jedoch technische Klasse nicht zu kurz kommen lässt.

Insofern stellen FLESHBORE eine angenehme Überraschung dar, da sie sich von ARCHSPIRE dahingehend hinreichen absetzen, dass nicht akribisch diverse klassische Harmonien hoch- und runtergespielt werden, so spektakulär das die Kanadier auch tun. Die hiesigen US-Amerikaner sind da was Melodien und Druck angeht eher auf der konventionellen Seite des Spektrums beheimatet, was auch für den Gesang von Michael O’Hara gilt. Der kommt vermutlich mehr aus dem Brutal Death-/Slam-Milieu und frisst die Kulisse mit seinen übertriebenen, gutturalen Gebärden förmlich auf. Es hat teilweise fast schon was Cartoon-artiges, wie er sich einem HB-Männchen gleich durch die Songs röchelt, grunzt und pigsquealt, durchaus auch mal im atemlosen Stakkato wie in „The Ancient Knowledge“ und damit dicht auf den Fersen eines Oliver Rae Aleron.

Die US-Amerikaner setzen in ihrem Tech Death mehr auf übertriebene Gewalt

Durch die geringere Dosis an farbenfrohen Melodien dürften die US-Amerikaner überdies den Nerv all jener treffen, denen die Kanadier zu fröhlich klingen. Denn zwar gibt es auf „Painted Paradise“ melodische Licks und atmosphärische Arpeggios zu bewundern, aber der Kitt zwischen den melodischen Fugen besteht aus drückenden Palm Mutes und saufies drauf los bratenden Gitarren, bei denen man vor lauter Adrenalin kaum still sitzen kann, sondern sofort aus dem Sessel katapultiert wird mit dem dringenden Bedürfnis, irgendwas (oder irgendwen) kaputt zu hauen. Dieses Gefühl freudiger Gewaltbereitschaft beschwören bereits die eröffnenden Klänge des Openers „Setting Sun“ herbei.

Der bumsdicht gemauerte Sound in Kombination mit der wie mechanisch getriggert tackernden Doublebass wirkt hier entgegen jeglicher Logik sogar noch einmal als verstärkendes Element dieser glückseligen Raserei, welche die US-Amerikaner hier in ihrer Hörerschaft heraufbeschwören. „Painted Paradise“ klingt im positiven Sinne übertrieben und überspitzt, enthemmt gar – aber nicht unkontrolliert fuchtelnd. Dafür spielt die Saitenfraktion McGinley/Chavez zu filigran und zielgerichtet, sodass man affektive Aggressionen schon ein Stück weit ausschließen kann, auch wenn „Painted Paradise“ nur zu gerne so klingt, als hätte die Band das tollwütige Songmaterial gerade so unter Kontrolle bringen können.

Das Ergebnis ist ein gelungener Flitzefinger-Sound, der die niedersten Instinkte aktiviert

„Painted Paradise“ schreit förmlich danach, in maximaler Lautstärke durch die Boxen zu krachen, gerade wenn ein „Inadequate“ einfach nur schweinisch groovt, der Titeltrack die Hutschnur so richtig straff zieht oder das Songmaterial in seinen intensivsten Momenten manchmal förmlich vor Energie birst als handle es sich um eine höchst instabile Chemikalie, mit der die US-Amerikaner Hacky Sack spielen. FLESHBORE erfinden natürlich keine Räder neu und neigen manchmal etwas zur Repetition, aber sie ziehen dennoch eine beachtliche Furche durch die Landschaft und liefern ein weiteres Beispiel für technischen Death Metal, der bei allem Flitzefinger-Anspruch doch die niedersten Instinkte der Hörerschaft anzusprechen imstande ist. Denn auch die technischen Feinheiten des Konzeptes „Knüppel auf’n Kopp“ möchten gelernt sein …

17.01.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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