
Irgendwie ist nicht so ganz klar, wie ernst sich die Briten HENGE nehmen. Auf der einen Seite treten sie in total bescheuerten Kostümen auf und spielen einen quirligen, mit jeder Menge Synthesizer und 8-Bit-Gepiepe aufgemotzten Space Rock, auf der anderen Seite haben sie sich für ihr neues Album „Journey To Voltus B“ ein ziemlich raffiniertes Konzept ausgedacht. Denn die Geschichte von der Reise ins All hin zu einer außerirdischen Spezies auf dem Planeten Voltus, die gerade im Begriff ist, die Macht des Atoms für sich zu entdecken, hat zwei Enden: Die Atomwinter-Version, in der die Zivilisation des Planeten durch eine Kernschmelze an den Abgrund gebracht wird, und die Kernfusion, die quasi das „gute Ende“ der Geschichte darstellt.
Die Briten HENGE bleiben ihrem hyperaktiven, schrulligen Space Rock treu
Dem Verfasser sind die quirligen Space-Abenteuer der Herren HENGE erstmals auf dem Vorgänger „Alpha Test 4“ begegnet, den das Soundcheck-Team seinerzeit ziemlich unrühmlich abgewatscht hat, unsereinem jedoch durch seine charmante Nervosität durchaus ein paar lobende Worte entlocken konnte. Während das Grundgerüst durch relativ energetischen Rock der lockereren Art dargestellt wird, sind die munter drüber und drunter quiekenden, heulenden und flirrenden Synths der eigentliche Star der Show. Das Ganze hat einen hyperaktiven Charakter, der zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig ist. Aber es hat eben auch Charme und zeigt, dass es durchaus noch begeisterte und innovative Verfechter des Space Rock gibt, die sich nicht mit der x-ten HAWKWIND-Kopie zufrieden geben.
Stilistisch sind HENGE davon anno 2025 nicht abgewichen. Das vierte Album der Briten beginnt daher auch erwartungsgemäß spinnert mit „Ascending“ und dem Abschuss des Raumschiffs in die Umlaufbahn. Bereits hier begegnet der Hörerschaft die Schrulligkeit der Briten in vollem Umfang, denn neben den bereits erwähnten Synths, die wie das Weltrauminstrumentarium aus der Vorstellungskraft der Sechziger und Siebziger anmuten, kommen die Vocals zunächst im monotonen Vocoder-Format herüber, was wiederum sehr gewöhnungsbedürftig ist. Sie nehmen den Song aber auch nicht zu sehr für sich ein. Stattdessen ist es die Energie des Songs selbst, die hier den Hauptreiz ausmacht.
Dabei ist „Journey To Voltus B“ ein Konzeptalbum …
Im weiteren Verlauf wird „Journey To Voltus B“ etwas atmosphärischer, eine Charakteristik, die bereits für ein ungewöhnliches Highlight auf „Alpha Test 4“ gesorgt hat. „Slingshot“ beschreibt die eigentliche Reise durchs All, aber mit etwas Moll-lastigeren Harmonien und dadurch stimmungsvoller und intensiver. Der „Hypersleep“ wirkt fast wie ein Wiegenlied, ehe das Raumschiff mit „Descending“ zum Landeanflug ansetzt und beginnt, die Atmosphäre des Planeten Voltus zu durchdringen. Auch interessant ist die wiederum durch Präsenz von Moll-Akkorden angefeuerte Unsicherheit über die neue Welt, die das über weite Teile instrumental dargebotene „Descending“ darstellt.
Dann schließlich wird die Crew auf „Welcome To Voltus“ in Empfang genommen mit geradezu Rave-artigen, absolut tanzbaren Synths, die in fast perkussiver Manier unter den Song gelegt werden. Und hier splittet sich das Narrativ dann in seine zwei Wege ab: Beide Wege werden jeweils durch einen Track namens „The Power Of The Atom“ eingeleitet, der in beiden Fällen jedoch unterschiedlich ausklingt. Die „Atomic Winter“-Version endet mit der Katastrophe unter Sirenengeheul und leitet ins Newsreel-artige „Nuclear Winter“ über. Unterdessen geht die „Nuclear Fusion“-Variante deutlich glimpflicher über die Bühne und suggeriert eine florierende Industrie, die in den hoffnungsvollen Tönen von „Nuclear Fusion“ noch weiter verstärkt wird.
… mit zwei Enden der Geschichte!
Dieses Konzept zweier Enden zur gleichen Geschichte auf einem Album ist ziemlich pfiffig, auch wenn die Umsetzung vielleicht ein bisschen wie ein Nachklapp wirkt, da die beiden Enden eben statischer Bestandteil der Trackliste sind und – ohne Tracks zu skippen – nicht „selektiert“ werden können*. Und die Musik ist zudem wie auch beim Vorgänger sicher nicht jedermanns Sache aufgrund der quirligen Synths, der regelmäßig zum Einsatz kommenden Vocoder-Vocals und der allgemein vorherrschenden Cheesiness, die nun mal inhärenter Bestandteil des Space Rock ist. Aber wie auch beim Vorgänger lohnt sich das Reinhören besonders für Freunde experimenteller Rock-Musik allemal – hier bei „Journey To Voltus B“ vielleicht aufgrund des cleveren Albumgimmicks noch mehr als zuvor.
*Nachtrag d. Red.: Es wurde darauf hingewiesen, dass die Trackliste nur für das digitale Release die genannte Einschränkung aufweist. Die CD-Version wird mit zwei Tonträgern erscheinen, wobei auf beiden jeweils das Album, dann aber mit jeweils unterschiedlichem Ende enthalten sein werden. Die Vinyl-Edition schließlich ist „eine Spezialpressung, die B-Seite enthält BEIDE alternativen Enden und [die] Nadel entscheidet per Durchlauf allein, wie die Geschichte zu Ende geht“. Da dadurch für die physischen Releases dieser durchaus integrale Kritikpunkt relativiert worden ist, erlaube ich mir im Nachhinein, die Wertung um einen Punkt anzuheben.
Ich kann das noch nicht richtig einordnen, aber das hat was. Schau’n wir mal. Irgendwie hab‘ ich jetzt bock auf Doctor Who, haha.
😍
Yeahi. Der Doctor passt schon sehr gut.