Isvind - Intet Lever

Review

Galerie mit 10 Bildern: Under The Black Sun 2016 - Isvind

Prolog: „Lass es klingen wie DARKTHRONE“ – Die Vorgeschichte
Irgendwann 1995 oder 1996 kamen zwei junge Männer in ein günstiges Tonstudio irgendwo in Oslo, legten „Transilvanian Hunger“ auf den Tisch und boten an, dem Studiobesitzer Geld zu geben, wenn er es schaffen würde, diesen Sound 1:1 zu reproduzieren. Der Kerl, vermutlich Produzent von Bläserorchestern oder Popbands, hatte sicherlich nicht den blassesten Schimmer, was der Scheiß sollte. Aber ihm ist offenbar nicht entgangen, dass die Hauptbestandteile dieses Sounds Hall, kratzige Gitarren, Hall, eine Menge Hall, unbearbeitetes Schlagzeug, Hall, wenig Bass und vor allem Hall waren. Und so hat er dann seinen Job gemacht.

Die Geschichte ist wahr. Herausgekommen ist damals eines der späteren, aber langlebigsten Debüts des norwegischen Black Metals – ISVINDs „Dark Waters Stir“. Jede andere Band hätte darauf eine beeindruckende Karriere aufgebaut. ISVIND spielten eine Tour und lösten sich 1997 auf. Als 2003 eine unsagbar miese Split mit dem italienischen Projekt ORCRIST auftauchte, schien das Duo – immer noch Drummer Goblin und Instrumentalist und Sänger Arak Draconiiz – zurück. Passiert ist aber trotzdem nichts, und das ist angesichts der damaligen Qualität auch gut so.

„Lass es immer noch klingen wie DARKTHRONE“ – Das Likbaalet-Studio und „Intet Lever“
Und dann auf einmal, 2010, erweisen sich ISVIND als die wohl oldschooligste Kapelle, die man momentan in Norwegen finden kann. Ohne irgendwem davon zu erzählen, bauen sich die beiden mit dem Likbaalet-Studio ihre eigene DARKTHRONE-Kopierhöhle. Nehmen nach schlappen fünfzehn Jahren wieder eine Platte auf, veröffentlichen das Ding ausschließlich digital und erst nach fast einem Jahr auf einem physischen Tonträger. Mehrmalige Anfragen nach einer Promo ignorieren sie ein paar Wochen lang. Die Nerven muss man erstmal haben.

Aber als dann, endlich, „Intet Lever“ in meiner Anlage steckte, wusste ich auch warum: Wenn ich dieses Album aufgenommen hätte, wäre ich auch ganz schön arrogant. Die Produktion klingt echt, als wäre sie direkt in einer Session mit „Dark Waters Stir“ entstanden und mit heutigen Mittel gemischt. Die ganze Platte ist ein einziger Zeitsprung. Arak und Goblin, mittlerweile sicher Mitte 30, mimen erfolgreich die enthusiastischen Rotzbengel und wirken authentisch, als hätten die letzten 15 Jahre gar nicht stattgefunden. Spielerische oder kompositorische Weiterentwicklung? Existiert im ISVIND-Kosmos unter Garantie nicht.

Dafür gibts die bloße, rohe Kälte der Mittneunziger als Essenz in acht Schüssen direkt intravenös. Neben den beiden Songs „De Dødes Maskerade af Synd“ und „Vagina Maria“ vom 2004er Demo, die mit extrem knackigen Riffs überzeugen, gibts da auch noch eher langsame, atmopshärische Tracks („Hjemsøkt“ mit Fjord-Feeling oder das wegen des cleanen Gesangs geniale „Dommedags Grimmtunge Slegge“) und punkige Kracher im CARPATHIAN FOREST-Format („Kjølhalt“ oder „Pisslunkent Kjøtt“). Was aber die gesamten vierzig Minuten von „Intet Lever“ eint, ist dann doch ein ISVIND eigener Stil: Klangfarbe der Gitarren, sehr dezenter und effizient-grooviger Schlagzeugeinsatz, eine verflucht grimmige Stimme – und vor allem ein einzigartiges Feeling für Riff-Volltreffer und flüssige Arrangements. Mehr Neunziger geht nicht. Da kommt man aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus.

Natürlich ist „Intet Lever“ (was soll das übrigens heißen, „Nichts Leber“??) ein hoffnungslos rückständiges Album, das es handwerklich mit keiner einigermaßen aktuellen Produktion aufnehmen kann. Dafür schlägt es atmosphärisch und in Sachen norwegisch-authentischem Feeling ungelogen alles, was ich seit mindestens zehn, zwölf Jahren gehört habe.

Epilog: „Lass es wie ISVIND klingen“ – ein Wunschtraum
2018. Zwei alte Männer in Kutten und mit zerzausten langen Haaren werden in der norwegischen Einöde in ihrem schon seit fünfzehn Jahren existierenden eigenen Studio sitzen, in dem aber schon lange nichts Verwertbares mehr entstanden sein wird. „Ey, ich hab hier so ’ne Platte von ’ner Band aus Oslo gefunden, ISVIND heißen die. Das is‘ doch geil, lass‘ mal schauen, dass wir den Sound kopieren, vielleicht wird was draus“, wird Fenriz zu Nocturno Culto sagen.

02.01.2012

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2 Kommentare zu Isvind - Intet Lever

  1. Rauhnacht sagt:

    Daumen hoch für dieses Album, Daumen hoch für diese Rezension!

  2. Chris sagt:

    Ich muss gestehen, einen vollen Albumpreis für eine Produktion aka Darkthrone zu bezahlen hat mir schon immer etwas Kopfschmerzen bereitet.
    Aber Intet Lever ist jeden Cent wert und hält sogar noch ein paar Überraschungen parat. Tolle Scheibe, die auch lange viel Spass machen kann.
    Reinhören lohnt allemal.

    PS: Ich kann mich meinem Vorredner nur anschliessen, schön geschriebenes Review.

    9/10