Onkel Tom - BierErnst

Review

Galerie mit 21 Bildern: Onkel Tom - Rock am Härtsfeldsee 2017

Natürlich bieten sich für den kreativen Gebrauch der mitunter sehr feierwütigen Persona des SODOM-Fronters ONKEL TOM Angelripper heutzutage eine Menge Themen, über deren Aufarbeitung der gesellschaftspolitisch bewusste Mensch desillusioniert zum Alkohol kommen kann. Das Sprungbrett wäre da und ernste Töne hat die Band um die Ruhrpottkeule ja drauf, nachzuhören beim hervorragenden Titeltrack der letzten EP „Zwischen Emscher & Lippe„. Aber ein ONKEL TOM braucht keinen Grund zum Trinken und so wird auf dem neuen Doppelalbum „BierErnst“, ganz wie der Titel suggeriert, wieder einmal kräftig ins Glas hinein geschaut. Oder in die Flasche, je nach dem, woraus der Stoff gerade fließt.

Bier!

Nun, zumindest trifft das auf die erste der beiden CDs zu, die sich „Bier“ nennt und recht schnell zur Sache kommt. Das klassische ONKEL TOM-Alptraumsszenario und BOBBEJAAN-Cover „Ich steh‘ an der Bar und habe kein Geld“ eröffnet mit zackigem Rock, der sogleich für eine trockene Kehle sorgt. Wehe dem, der da ohne Knete an der Theke steht. „Flasche zu Flasche“ bringt ein paar einfache aber wirksame Folk-Einflüsse mit und hat so das schunkelkräftige Potential, manch abgesprungenen KORPIKLAANI-Jünger der früheren Phase mitzunehmen.

Zugegeben: Wer ONKEL TOM schon seit längerem verfolgt, den wird das nicht wundern. Immerhin hat die Band gerade in ihrer Frühphase nur zu gerne das Volksmusikalische mitgenommen, meist mit altbekannten Trinkliedern bzw. Medleys bestehend aus denselben. Und das ist 2018 auch nicht anders, mit dem Unterschied, dass das natürlich den neuzeitlichen Standards entsprechend sehr aufgeräumt und sauber klingt. Davon profitieren die Songs, ob Original oder eben Cover eines Trinkliedes, ungemein. Und ein mit vereinzelten Blues-Vibes ausgestattetes „Jacky Cola“ würde ohne die Transparenz im Sound einfach nicht funktionieren.

Ernst!

Entgegen der feuchtfröhlichen Gaudi der ersten CD fährt die Band auf dem zweiten, „Ernst“ betitelten Rundling einen eher zeitgenössischen und vergleichbar trockenen Deutschrock-Stiefel, der sich textlich gerne mal bei den dazugehörigen Tropen bedient. Die Musik bleibt verlässlich simpeleffektiv, während die Themenwahl hier schon etwas offener ausgefallen ist. Die Probleme, die das mit sich bringt, sind ein alter Hut für Geprüfte des Deutschrock. Wirklich Konkrete Materie wird in gut der Hälfte der Songs nicht angesprochen, stattdessen vage um den heißen Brei herum gesungen, das aber mit möglichst aufgedunsener Hose.

Aber zum Glück hat ein Tom Angelripper die richtige Reibeisenstimme, um selbst die klobigsten Textfetzen mit kräftigem Elan zu transportieren. Selbst in dem Moment, in dem „BierErnst“ mit „Ich muss hier raus“ seinen kreativen Tiefpunkt erreicht, rettet ONKEL TOM dank kräftiger Darbietung, was zu retten ist. Und die besseren Stücke überwiegen hier ohnehin, wie „Ich finde nur Metal geil“, im Wesentlichen vergleichbar mit den Oden an den Metal von J.B.O., aber aggressiver, in gut und ohne Blödelei.

Und richtige Kracher gibt es hier auch zu hören. Der eingangs erwähnte EP-Titeltrack „Zwischen Emscher & Lippe“ fügt sich geschmeidig in die Trackliste ein und hat seine vielschichtige Klasse behalten. Deutlich geradliniger und hymnischer gestaltet sich „Egal“, das wieder punkigere Züge aufweist. Bei „Das blaue Buch des Lebens“ injiziert die Band eine zünftige Portion Hard Rock in den Sound und serviert nebenher einen der größeren Refrains der Platte. Düsterer aber nicht minder hymnisch wird es bei „Todgeweiht“ und „Auf dünnem Eis“, beides wieder einfache aber effektive Tracks, wobei ersterer sogar mit Hit-Charakter daher kommt.

ONKEL TOM!

Somit bleibt die Ruhrpottkeule auch in voller Länge verlässlich, serviert angemessen abwechslungsreiche Kost und hält sich dabei erfrischend unprätentiös. Man weiß im Grunde genommen von Anfang an, was man bekommt – und ONKEL TOM enttäuscht nicht. So überzeugt die übliche Ladung Promille, die dank der Beschaffenheit von „BierErnst“ klar von den kernigeren Tracks abgegrenzt ist. Doch auch hinter den „ernsteren“ Songs verbergen sich potentielle Hits sowie das gelungene EXTRABREIT-Cover „Polizisten“, sodass man „BierErnst“ nicht wirklich viel vorwerfen kann. Macht halt durstig, aber die nächste Hopfenkaltschale ist sicher nicht weit.

30.09.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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