Rhine - Ausland

Review

Moment mal… eine Band, die sich schon RHINE nennt und nun ein Album namens „Ausland“ rausbringt, kann ja nur aus Deutschland kommen und die nächste NDH-Combo sein oder Heavy Metal spielen, oder? Falsch gedacht, UK’ler Gabriel Tachell residiert mittlerweile in den USA, war aber auch eine lange Zeit in Deutschland unterwegs und hat auch da wohl als selbiger „Ausländer“ nicht immer ganz erquickliche Erfahrungen gemacht. Das neueste, mittlerweile dritte Album der 2011 gegründeten RHINE dreht sich dementsprechend um Depression, Fremdheitserfahrungen, Diskriminierungen, nimmt aber auch den globalen Zustand mit starkem Arm-Reich-Gefälle, Klimawandel und vielem mehr in den Blick. So richtig auf dem Schirm hat die Band trotz einer Dekade Existenz aber scheinbar noch niemand so richtig, nicht mal in der Heimat, wie die nur knapp über 1000 Facebook-Likes zeigen.

RHINE in die Musik!

In der Promo ist vom „heaviesten“ Album die Rede, Genre-Zugehörigkeit Progressive Death Metal, was alles und nichts bedeuten kann. RHINE sind definitiv schon einmal nicht erst seit gestern am Musikmachen, Produktion klingt modern, aber nicht zu tot und flach, auch die instrumentalen Fähigkeiten sind über jeden Zweifel erhaben. „Ausland“ ist als Album im Prinzip zweigeteilt: Opener „Prelude“ und in der Mitte das Titelstück „Ausland“ leiten als Intros in jeweils drei aufeinander folgende Tracks ein. RHINE sind sehr farbenfroh, ihre Musik reicht von proggigen Zutaten über Ambient-Passagen bis hin zu Groove und auch Aggressivität. Bereits „Virtual Plague“ steigt virtuos ein, gibt lässigen Licks der Marke GOJIRA die Klinke in die Hand mit tollen und groovigen Drumbreaks, die oft auch eher abseits der ausgetretenen Metal-Pfade wandeln, nur um dann auch mit akustischen und bluesigen Passagen zu überraschen und zum Schluss in waschechten Prog-Rock zu wechseln. Der Stempel Death Metal ist also ein wenig Packungsschwindel wie etwa bei den WHITE STONES, aber auch nicht komplett wegzudiskutieren, da es schon die ein oder andere amtliche Mörtelpassage auf „Ausland“ zu finden gibt.

Genie und Wahnsinn sind auf „Ausland“ manchmal nah beieinander

Auch „Prisoner Of Fate“ folgt dem Misch-Prinzip der Überraschungstüte „Virtual Plague“ und wirkt streckenweise wie LIQUID TENSION EXPERIMENT oder DREAM THEATER auf Death-Metal-Trip, ehe mit „Running Away“ das Highlight des Albums folgt: In diesen 8-Minüter packen die Amerikaner alles rein, was sich ein musikalisch bewanderter und anspruchsvoller Hörer so wünscht: Tapping-Riffs, Slides, simple und groovig nach vorne gehende Riffs, aber auch fingerfertigere und rhythmisch anspruchsvollere Abschnitte, Tribal-artige Drums, die in proggige Passagen wechseln, Mosh-Pit-würdige Riffs, ein Auf- und Abschwellen der Dynamik. Teile erinnern an Prog-Rocker wie RIVERSIDE, die auf einmal auf moderne DECAPITATED treffen. Manch andere Band hätte das  im Song vollkommen überfrachtet und sich an einem solchen Unterfangen verhoben, RHINE meistern es in diesem Stück mühelos.

Allerdings klappt das nicht immer, was im „zweiten Teil“ des Albums „The Path To Power“ zeigt: Es will den Trick von „Running Away“ wiederholen, wirkt aber leider im Gegensatz zu diesem ziemlich zerfahren. Es hat beinahe etwas karnevaleskes, wenn Melodie und Ansatz von Folk Metal in traditionellen Epic-Metal münden. Ist das hier schon Parodie oder meinen die das etwa ernst? Schade drum, haben RHINE doch nur zwei Songs vorher bravourös klar gemacht, wie es eben funktionieren kann. Als Entschuldigung folgt mit „Trivial“ ein im Vergleich zum restlichen Material auf „Ausland“ ein straighter, nach vorne gehender Track, der aber gegenüber „normalen“ Death-Metal-Bands schon durchaus progressiv zu nennen ist. Das abschließende „Shadow Future“ reißt mit Groove, Epik, Melodie und träumerisch-spaceigem Synthie-Ausstieg die Qualitätskurve noch einmal erfreulicherweise nach oben.

Ein Trip ins „Ausland“ macht Spaß und RHINE sollte man im Kopf behalten

Noch funktioniert nicht alles beim Zusammenwürfeln der bunten musikalischen Ideen, die RHINE auf „Ausland“ haben. Dynamisch, spannend und frisch ist das Material aber allemal und erinnert etwa an IRIST, die auch Newcomer sind und ganz grob in eine ähnliche musikalische Kerbe schlagen. Bei RHINE sind instrumental absolute Könner am Werk, die lediglich hier und da ein wenig am Songwriting feilen müssten. Vormerken sollten sich aufgeschlossene Modern-Metal-Hörer RHINE für die nächste Platte oder hoffentlich in Zukunft aufkommende Tourpläne aber ganz bestimmt.

 

26.11.2021

Der metal.de Serviervorschlag

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2 Kommentare zu Rhine - Ausland

  1. ClutchNixon sagt:

    Der Vergleich mit Irist hinkt für mich, aber Freunde alter Techno Trash Bands wie Anacrusis, Hades und Depressive Age plus ein wenig kanadische Divinity in Sachen Moderne sollten sich die Band hier mal geben. Prima!

    8/10