Cobra Kai
Rock'n'Roll in Serie

Special

Als „Cobra Kai“ 2018 auf YouTube Red, heute YouTube Premium, startete, hatte wohl niemand damit gerechnet, was für ein Hype um diese Serie entstehen würde. Zwei Jahre später wechselt das Karate-Epos vom YouTubes Bezahldienst zu Netflix. Und damit gibt es endgültig keine Ausrede mehr, sich dieses Serienmeisterwerk mit Rock’n’Roll-Attitüde entgehen zu lassen.

34 Jahre älter, aber kein bisschen weiser

Doch worum geht es überhaupt? 34 Jahre sind vergangen seit Johnny Lawrence vom Cobra Kai Dojo im Finale des All-Valley-Karaturniers gegen den damaligen Underdog Daniel LaRusso verlor (siehe „Karate Kid“). Während sein Rivale seitdem zum erfolgreichen Autoverkäufer aufstieg, meinte es das Leben mit Johnny weniger gut.

Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, die Beziehung zu seinem Sohn und dessen Mutter ist zerrüttet und er ertränkt seinen Frust in Alkohol. Eines Tages verteidigt er den jungen Miguel Diaz mehr zufällig als gewollt gegen ein paar Schläger. Miguel will daraufhin lernen, was Johnny kann: Karate. Nach einiger Überzeugungsarbeit eröffnet Johnny sein eigenes Dojo. Der Name: Cobra Kai.

Während die Prämisse nach dem üblichen 08/15-Tennie und -Martial-Arts-Gedöns klingt, entfaltet die Serie in ihrem Verlauf eine unglaubliche Tiefe. Alle Charaktere werden mehrdimensional gezeichnet. Hier gibt es keine einfache Einteilung in Gut und Böse. Mal ist es Johnny, dem man die Daumen drückt, im nächsten Moment schon wieder sein alter Rivale Daniel, der den von Mr. Miyagi gelehrten Weg bisweilen etwas aus den Augen verloren hat.

Willkommen im „Cobra Kai“

William Zabka und Ralph Macchio kehren dabei so natürlich in ihre bekanntesten Rollen zurück, als hätten sie diese nie hinter sich gelassen. Doch auch der Teenager-Cast um sie herum brilliert von der ersten Sekunde an, sodass man die neuen Charakter ebenso schnell ins Herz schließt wie die alten Helden und Schurken. Dank komplexer Figuren, einer durchweg spannenden Handlung und dem richtigen Schuss Selbstironie gelingt den Machern von „Cobra Kai“ nicht nur eine tolle Fortsetzung der „Karate Kid“-Trilogie. Sie erschaffen eine Serie, die besser ist als ihre Vorgänger.

Und was macht das jetzt metal.de-tauglich? Naja, da wäre zum einen die Geschichte, in der die Opfer von Schulmobbing über sich hinaus wachsen, Selbstbewusstsein gewinnen und am Ende oben auf sind. Eine Geschichte, die so einige Metalheads dank der Musik wohl ganz ähnlich erlebt haben dürfen. Nur ist es in der Serie eben Karate, mit dem die Kids sich nach oben kämpfen.

Liebevolle Persiflage

Das soll allerdings nicht heißen, dass die Musik in „Cobra Kai“ keine entscheidende Rolle zukäme. Und damit sind wir bei dem ausschlaggebenden Grund dafür, dass die Serie verdammt noch mal Rock’n’Roll ist. Johnny empfiehlt seinem ersten Schüler, sich „lieber mal was von Guns N‘ Roses“ reinzuziehen. Auf Miguels Nachfrage, wer das sei, folgt ein schnippisches „Lass uns so tun, als hättest du das nicht gesagt.“ Eine Internetrecherche später umfasst Miguels Workout-Playlist nur noch 80er-Hardrock.

Einen Werbespot für sein Dojo möchte Johnny wiederum mit AC/DCs „Thunderstruck“ unterlegen. Bei der Fragen nach den Rechten am Song verweist er ganz trocken darauf, dass die Kassette in seinem Auto liege.

In einer weiteren Szene persiflieren die Macher der Serie auf wunderbar ironische Weise das Musikvideo zum WHITESNAKE-Klassiker „Here I Go Again“. Ebendieser läuft als musikalische Untermalung. So liebevoll wie hier wurden Rock-Klischees selten parodiert, ohne die Musik ins Lächerliche zu ziehen.

„Cobra Kai“ – Als wäre es wieder 1984

Da hört es aber nicht auf. Denn der eigens für „Cobra Kai“ komponierte Soundtrack klingt als käme er straight aus genau der Zeit, in der Johnny gedanklich immer noch festhängt. Leo Birenberg und Zach Robinson komponieren für die Serie Stücke, die mit ihren pumpenden Synth-Bässen und catchy Gitarrenriffs in jeden „Rocky“ oder eben „Karate Kid“-Film der 80er gepasst hätten. Wer bei den stampfenden Rhythmen von „Quiver“ nicht augenblicklich von der Couch aufstehen und ein paar Liegestütze absolvieren will, dem ist nicht mehr zu helfen.

„Cobra Kai“ versprüht zu jeder Sekunde 80s- und Rock’n’Roll-Vibes, die sich auch in der Hauptfigur widerspiegeln. Manches Mal rennt Johnny mit Shirts von Bands wie METALLICA durch die Gegend. Immer darauf bedacht, nichts anderes als badass zu sein.

Doch selbst ohne diese gehörige Portion Rock’n’Roll wäre „Cobra Kai“ allemal eine Empfehlung wert. Selten wurde ein eigentlich totes Franchise so gelungen wiederbelebt. Die zweite Staffel endet mit einem der brutalsten Cliffhanger, die es jemals in einer Serie zu sehen gab. Ein Glück, dass die nächste Season bereits fertig ist. 2021 soll sie erscheinen. Bis dahin gilt: Strike hard. Strike first. No mercy.

28.09.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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