Heidevolk
"Was die Leute nicht aus der Geschichte lernen, werden sie selbst wieder falsch machen."

Interview

Wenn man sich den Folk Metal ansieht, dann gibt es ja eine Art Skala der Ernsthaftigkeit. Diese Tour hat zum Beispiel ARKONA, die (jetzt) super ernsthaft sind und auf der anderen Seite KORPIKLAANI, die eher Spaßmacher sind. Ihr seid dann irgendwo dazwischen mit einem Hang zur Ernsthaftigkeit. Ist das eine bewusste Entscheidung, oder seid ihr einfach ernsthaftere Menschen?

Joost: Ehrlich gesagt glaube ich, dass das einfach die Art ist, wie die Band immer war. Wir haben die Musik und die Auftritte immer sehr ernst genommen. Auf der anderen Seite nehmen wir es aber auch sehr ernst, Spaß zu haben. Wenn wir auf der Bühne sind, kann man sehen, dass wir Spaß haben. Es geht uns darum, zu unterhalten, und wir wollen das auf unsere Art durchziehen. So war das schon immer.

Rowan: Beim lyrischen Konzept siehst du auch diese beiden Seiten. Bei vielen Metalbands geht es um das Böse und Schlechte. Bei HEIDEVOLK geht es aber neben ernsthaften Themen genauso darum, darüber zu singen, womit man Spaß haben kann und worauf man stolz sein kann. Wir wollen auch das Positive besingen.

Joost: Es geht auch um die Dinge, die uns im Leben geprägt haben. Wer wir sind, wo wir herkommen. Der historische Teil ist uns dabei sehr wichtig. Es geht nicht um „könnte/würde/sollte“. Schaut euch in eurer eigenen Umgebung um. Geht raus und entdeckt sie. Jeder kann um die Ecke diese Geschichten finden. Das ist uns sehr wichtig. Dass die Leute aufhören, nur irgendwas auf Netflix zu bingewatchen.

Rowan: Wir versuchen aber nicht, Geschichtsunterricht zu geben. Wenn man zwischen den Zeilen liest, erkennt man, dass es keine Geschichten der Historie sind, sondern Geschichten des Alltags. Leute, die nach einem Zuhause suchen. Rebellionen, die losbrechen.

Koen: Leute, die ihre Position vertreten. Sich selbst treu bleiben.

Wo wir bei ernsten Themen sind. Eine Sache, die der Folk-Szene anhängt, ist ja leider, dass manche Leute sie als Grundlage bzw. zur Verbreitung ihres rechten Gedankenguts nutzen. Ich war zum Beispiel vor einer Weile auf einem WARDRUNA-Konzert, bei dem wohl entsprechende Individuen Ärger gemacht haben. Bei einer Band, die nichts mit sowas zu tun hat. Weil das „Germanische“ historisch dafür missbraucht wurde. Ist HEIDEVOLK sowas auch schon untergekommen?

Rowan: Ich glaube, zum letzten Mal habe ich sowas vor über zehn Jahren gehört, als uns jemand gefragt hat, ob wir auf nationalsozialistischen Kram stehen. Ich meine, man muss sich nur unsere Lyrics anschauen und was wir tun, um zu merken, dass wir damit nichts am Hut haben.

Joost: Leider hatten wir in unserer Vergangenheit Probleme mit solchen Personen. Aber das waren immer Leute, die sich nicht wirklich damit beschäftigt haben, was wir machen.

Natürlich nicht. Denn wenn sie es getan hätten, müsste es ihnen ja klar sein.

Joost: Das ist das Problem. Und man sieht das in verschiedenen Kontexten. Zum Beispiel bei der Olympiade, wo das norwegische Team seine Jacken nicht tragen konnte, weil Runen darauf waren. Sie mussten ihre Outfits ändern. Die Leute haben nicht verstanden, dass diese Runen einfach Teil deren Kultur sind, und nur von engstirnigen Leuten in den Dreck gezogen wurden. Das ist traurig, weil manche Leute gleich zu dieser Sichtweise springen, wenn man „Geschichte“ sagt. Ich hoffe, dass wir als Band wenigstens ein wenig Bewusstsein geschaffen haben, dass es nicht nur diesen Teil der Geschichte gibt.

Galerie mit 23 Bildern: Heidevolk - "Folk Metal Superstars"-Tour 2018

Themawechsel. In einem Interview mit einem Kollegen vor ein paar Jahren habt ihr mal über wirtschaftliche Herausforderungen für Bands gesprochen. Unter anderem darüber, wie ihr mal von einer Firma betrogen wurdet, die etwas für HEIDEVOLK produzieren sollte, es aber trotz Zahlung nie geschickt hat. Sind solche Vorkommnisse nach wie vor ein Problem für Bands?

Rowan: Ja, das Interview habe ich gemacht. Sowas ist immer eine Herausforderung, da man in einer Art Schwebe ist. Man kann von der Musik nicht leben, also muss man nebenher auch arbeiten. Und wenn so etwas passiert – wie mit den Vinyls, die nie geschickt wurden, obwohl wir dafür bezahlt hatten – dann reißt das ein Loch in unsere eigenen Geldbeutel. Als Band hat man nicht so viel Geld. Übrigens, er hat uns zwar nie die Vinyls geschickt, wir sind aber auch nicht mehr sauer deshalb. Es ist scheiße, dass das passiert ist, aber wir können nicht für immer wütend bleiben.

Joost: Jetzt, wo wir größer werden und unseren Markt erweitern, reisen wir auch in neue Länder. Und in manchen Ländern ist man einfach nicht so streng, was Tantiemen und Copyright angeht. Wir haben schon Shows gespielt, wo draußen ganze Märkte waren, mit allem möglichen Kram, den wir nie produziert haben. Bikinis, Kaffeetassen, Flaggen und so weiter.

Südamerika soll da sehr schlimm sein.

Joost: Jaaa… (alle lachen) Andererseits ist es sehr cool zu sehen, wie kreativ die Leute mit deinem Merchandise werden (lacht). Ich habe ein paar Sachen zu Hause, die wir nie produziert haben. Zum Beispiel eine Kaffeetasse für 2 €.

Rowan: Aber etwas, das sich wirklich sehr verbessert hat, ist das Downloaden, dass fast bei null angekommen ist. Wegen Streamingservices wie Spotify. Der Erlös darauf hilft uns wirklich, Produktionen größer aufzuziehen.

Ich wäre dann durch. Gibt es noch was, was ihr loswerden wollt?

Rowan verschluckt sich am Essen, was bei den anderen zu lautem Gelächter führt.

Jemand: Wir brauchen einen neuen Bassisten, der hier ist kaputt!

Rowan (als er sich gefangen hat): Ich habe Essen eingeatmet, was eigentlich nicht die Art und Weise ist, wie Essen funktioniert.

Ist das die Abschlussbemerkung?

Rowan: Ich glaube, es gibt eigentlich zwei Abschlussbemerkungen. Erstens – da wir über das Streaming gesprochen haben – es ist mittlerweile so einfach, an Musik zu kommen. Also, wenn ihr das lest, hört mal in unser neues Album „Vuur Van Verzet“ rein und lasst uns auf Facebook oder so wissen, was ihr denkt. Ich hoffe wirklich, dass es euch gefällt. Und zweitens: schaut euch die Geschichten an. Wir haben einige Hintergrundinfos im Booklet. Versucht zu verstehen, dass das nicht nur historische Sachen sind, sondern Alltagsgeschichten. Versucht, daraus zu lernen. Der letzte Song „Het Juk Der Tijd“ ist über den endlosen Kreislauf, in dem wir uns befinden. Wir machen die gleichen Fehler, die wir alle ein- zweihundert Jahre machen.

Beim Schreiben habe ich die Welt schon wieder an einer Art Schwelle zum Krieg gesehen, zwischen Nationen, die gegeneinander aufgehetzt werden. Und ich dachte mir, das ist da schon passiert, und da auch schon, und so weiter. Dann war ich mal in Rom auf dem Forum Romanum und dachte mir, wie merkwürdig es ist, dass so viele römische Kaiser schon dort entlanggegangen waren. Der gleiche Ort, an dem das Fundament für die Demokratie, die wir heute haben, gelegt wurde. Doch die Demokratie wurde von einem Diktator namens Julius Cesar über den Haufen geworfen. Der Gedanke, in einem System zu leben, das auch auf diese Weise gestürzt werden kann, ist einfach beängstigend. Was die Leute nicht aus der Geschichte lernen, werden sie selbst wieder falsch machen. Hoffen wir mal, dass das niemals passiert.

Das ist mal eine gute Abschlussbemerkung. Vielen Dank für das Interview!

*Ich habe mich von HEIDEVOLK eines Besseren belehren lassen. „Vinland“, ein Bonustrack auf „Velua“ hat ebenfalls englische Lyrics.

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Quelle: Heidevolk
13.03.2018

headbanging herbivore with a camera

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