Änterbila
"Wir sind Leute aus der Arbeiterklasse und spielen extremen Metal für einen ranzigen Mob."

Interview

Aus der schwedischen Provinz Gävleborgs Iän meldet sich mit ÄNTERBILA ein Quartett, das Anfang Dezember ein eigenständiges und frisch klingendes Folk-Black-Metal-Debütwerk über Nordvis Productions veröffentlichte. Da uns die klischee- und kitschfreie Musik mit ihrem rotzigen Thrash-Chrakter so gut gefiel, dass wir dafür auch volle acht Punkte zückten, baten wir Bandleade und Gitarrist Jerff zum Interview. Lest, was der bodenständige Schwede über gut klingende Produktionen, schwedische Museen und Rituale im Black Metal zu sagen hat.

Hallo, ihr Leute von ÄNTERBILA. Glückwunsch für ein beeindruckendes erstes Album. Wie fühlt ihr euch angesichts der Veröffentlichung und den vollendeten Aufnahmen des Albums?

Wir fühlen uns gut damit, es steckt ja auch eine Menge Arbeit drin. Es ist aber auch immer etwas furchteinflößend, ein neues Album zu veröffentlichen, besonders bei einem Debüt. Man weiß nie, ob die Leute es verstehen werden.

Die Aufnahmen sind genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hasse zu saubere Produktionen. Die Songs brauchen Schmutz. Wir füllen uns auch geehrt, mit Nordvis zusammenzuarbeiten. Wir arbeiten mit ihnen auf Augenhöhe und unsere Platte passt sehr gut zu ihren Veröffentlichungen.

Jeder von euch hat vor ÄNTERBILA schon in anderen Bands gespielt, also kann man auch direkt hören, dass ihr bereits erfahrene Musiker seid. Erzähle uns bitte etwas darüber, wie die Band gestartet wurde.

Ich wurde zum Glück mit fantastischen Bandkollegen gesegnet. Es begann mit einer Idee, die ich um 2018, 2019 rum hatte. Ich wollte meine persönlichen Interessen an Geschichte und Folklore in Musik ausdrücken. Bis dahin habe ich hauptsächlich Punk gespielt, meist als Bassist, also brauchte ich etwas Neues. Als ich meine Ehefrau kennenlernte, die aus dem Norden Schwedens ist, entschied ich, mit dorthin zu ziehen.

Ich brauchte die Musik aber dennoch. Mein guter Freund und ehemaliger Bandkollege Johan Motvilja hat so etwas wie ein Homestudio, also wollte ich dessen Vorteile nutzen. So haben wir mit ihm am Gesang ein erstes Demo aufgenommen. Wir nahmen noch ein paar Bandmitglieder auf, tauschten weitere. Unser jetziges Line-up unterscheidet sich sowohl vom Demo als auch schon vom Album. Wir haben jetzt einen weiteren Gitarristen und einen neuen Bassisten.

Es ging nicht darum, ‘reinen’ Black Metal zu spielen – manch einer würde sogar darüber debattieren, ob wir überhaupt irgendeine Form von Black Metal spielen. Dem entgegne ich normalerweise, dass mir das völlig egal ist. Es ist extremer Metal mit einem dunklen und heroischen Touch und über alles weitere sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen.

Das Textkonzept war bereits von Beginn an in der ländlichen und bürgerlichen Geschichte Schwedens verankert. Was entzündete dein Interesse an solchen Themen?

Ich bin im Speckgürtel des Berzirks Stockholm in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Dort ist die Geschichte in wunderschönen Scheunen und alten Häusern bewahrt. Bücher, Museen und alte Gebäude waren meine größte Beschäftigung während dieser Zeit. Schon als Kind habe ich immer gern gelesen, wie Skandinavien wurde, was es ist. Trolle und Texte der Folklore haben auch Eindruck auf mich gemacht und ich denke, diese Dinge verfolgen mich bis heute.

Was mir an dem Album und an ÄNTERBILA gefällt, ist, dass es gar keinen prätentiösen Okkultismus oder chauvinistischen Nationalismus darauf gibt. Ihr habt sogar in eurer offiziellen Bio besonders darauf aufmerksam gemacht. War es euch wichtig, euch von einigen (klischeebeladenen?) Strömungen im zeitgenössischen Black Metal zu distanzieren?

War es tatsächlich. Ich habe keinerlei Interesse daran, zu versuchen, etwas darzustellen, was ich nicht bin. Das würden wir aber tun, wenn wir uns Umhänge anziehen und über Satan und Rituale herumschreien würden. Ich glaube nicht an höhere Mächte. Ich glaube nicht an Gott und sehe mich nicht als Botschafter von etwas Größerem. Wir sind nichts. Wir sind Leute aus der Arbeiterklasse und spielen extremen Metal für einen ranzigen Mob.

“We are not a cult and we do not perform rituals – we are the plebs!” – ÄNTERBILA

Wir werden geboren, wir ficken, wir essen, wir schlafen, dann sterben wir und werden zu Dreck, in dem die Würmer kriechen. Was von uns übrig bleibt, sind alte Klamotten, Bilder, Werkzeuge und die Erinnerungen, die die Menschen von uns haben. Auf diese Weise werden wir zu Geschichte. Ich glaube an harte Arbeit und das traditionelle, langsam aussterbende Handwerk. Menschen benutzen ihre Hände nicht mehr.

Ich bin ein Axtmacher bei Gränsfors Buk. Wir stellen Äxte auf die gleiche Weise wie im frühen 20. Jahrhundert her. Ich muss für alles, was ich tue, bluten. Sonst fühlt es sich nicht echt an.

Ihr werdet als Folk-Black-Metal-Band gelabelt. Abgesehen von einigen Akustikgitarren und Geigen hier und da, findet man nicht viel Folklore im zeitgenössischen Sinne, also Feen, Trolle und so weiter, in eurer Musik. Auf der anderen Seite bedeuten “Folk” und “Folk-lore” ja gemeinhin auch Kultur und Traditionen der eher “einfachen” Leute.

Für mich gehört “Folklore” zu “Folk” und das Wort bedeutet wörtlich “Menschen” im Schwedischen. Jedes Album von ÄNTERBILA wird ein Kapitel. Das aktuelle Album handelt daher noch nicht von allzu vielen folkloristischen Storys oder Geschichten über Kreaturen. Es geht um Bauern und Arbeiter. Auf dem nächsten Album wird es mehr folkloristische Geschichten zu hören geben.

Die Musik ist sehr von Folk Music beeinflusst, aber nicht direkt im melodischen Sinne. Wir versuchen, die Energie und das Feuer vom Folk zu bewahren, ohne “FINNTROLL-Melodien” zu schreiben. Sicher verwenden wir auch folkigere Melodien und Instrumente, aber weniger auf diesem Album. Das wird in der Zukunft wahrscheinlich mehr geschehen.

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Quelle: Jerff (Änterbila)
21.12.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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