Celtic Frost
Jugendliche Entschlossenheit und der Drang, sich zu beweisen

Interview

“Wir waren Nobodys. Wir waren international verlacht. Wir wollten uns mit CELTIC FROST beweisen.”

Mit “To Mega Therion” folgte ein weiteres enorm wichtiges Album. Für die Nutzung des Giger-Gemäldes lag die Erlaubnis ja bereits zu HELLHAMMER-Zeiten vor, oder betraf das ein anderes Bild von ihm?

Genau, “Satan I” und im Inneren des Gatefolds “Victory III” von H. R. Giger. Als Martin und ich uns im Sommer 1983 kennenlernten, entdeckten wir, dass wir beide Riesen-Fans von Gigers Kunst sind. Gigers “Necronomicon” war für uns die Bibel der Kunst, wir haben das Buch wörtlich jeden Tag von vorn bis hinten durchgeblättert und über die Bilder darin diskutiert. Wir dachten damals schon, wenn wir jemals einen Plattenvertrag kriegen, wäre es schon cool, mit Giger zusammenzuarbeiten.

Unbeschwert und jugendlich frech haben wir Giger einen Brief geschrieben. Er war im Telefonbuch zu finden. Wir hätten nicht gedacht, dass Giger sich jemals melden würde; wir waren ja Nobodys. Er hat uns tatsächlich geantwortet, es entstand eine erste vorsichtige Freundschaft und er ließ uns die Bilder nutzen. Wir waren erstaunt, dass das geklappt hat und voller Ehrgefühl. Wir haben dann bis zum zweiten Album gewartet, bis wir das Gefühl hatten, unsere Fähigkeiten sind einigermaßen gut genug, um diesem Bild gerecht zu werden.

Der Sprung in Sachen Handwerk und Songwriting ist auch im Vergleich zu “Morbid Tales” noch mal beachtlich. Was ist passiert, dass dieser Fortschritt so stattfand? Was hat euch angetrieben?

Wir waren junge Typen voller Adrenalin und Testosteron. Wir wollten gehört werden. Wir waren mit HELLHAMMER in der Schweiz und nach der EP auch international verlacht. Graduell fanden wir das ungerechtfertigt und wollten uns beweisen. Diese Suche nach Wahrnehmung hat aus uns herausgeschrieben.

Wir waren ja auch Fans von dem, was in der Metal-Szene passierte. Zuerst von der NWOBHM und dann Mitte der Achtziger von den amerikanischen und kanadischen Bands, EXCITER, EXODUS und so weiter. Das war eine Pionierzeit, wir wollten dabei sein und die Szene mitgestalten. Diesen Aufbruchsgeist hört man bis heute, weil die Energie darauf totehrlich ist.

Wie kam es zum Covern des Songs “In The Chapel, In The Moonlight” auf der EP “The Collector’s Celtic Frost”, geschrieben von Billy Hill?

Damals hatten SLAYER ihre “Haunting The Chapel”, die wir sehr gut fanden. Und wir kannten diesen Song von DEAN MARTIN, “In The Chapel, In The Moonlight”, geschrieben von Billy Hill und wir mussten immer lachen, weil es sich anhörte wie ein SLAYER-Song. Wir kamen zwar immer ziemlich ernst rüber, aber wir hatten auch Humor. So sagten wir: Wir covern das, dann klingt es wie ein todernster, brachialer Metalsong, dabei ist es ein Cover von DEAN MARTIN. Obwohl der Titel sich wie ein SLAYER-Song anhört.

Es ist eine Momentaufnahme. Wir wussten, dass das nicht auf ein Album gehört. Die Plattenfirma sagte, “Lasst uns das als 12“-Single rausbringen” und das war auch richtig so. Junge Leute, die auch mal kindische Witze machen …

Bei “Into The Pandemonium” war die Entwicklung nochmals ziemlich groß. Ich glaube, ich habe mal in einem Interview mit dir gelesen, dass gewisse Ideen schon zu Zeiten von “To Mega Therion” bestanden, aber aus diversen Gründen nicht umgesetzt werden konnten. Beim Durchhören empfand ich es nochmals als Album mit der vielleicht größten Langzeitwirkung. Es ist enorm vorwärts gedacht und beinhaltet viele für seine Zeit neue Elemente, die wiederum heutzutage auch als Standards im düsteren Metal gelten. Auch hier war es nicht ganz einfach die Platte zu machen.

Dass wir hier etwas Besonderes machen, war zu der Zeit allen klar, außer der Plattenfirma. Wie du richtig sagst, sind all’ diese Elemente heute etabliert in unserer Szene. Das zeigt auch, wie unfähig Noise Records waren, vorauszudenken, strategisch zu denken. Eigentlich ist das essentiell für eine Plattenfirma, die oben mitmischen will.

Noise Records waren buchstäblich gegen diese Platte. Die haben uns im Studio angerufen und gesagt “Macht etwas wie EXODUS oder SLAYER!” Wir mochten diese Musik, aber wir wollten diese Härte mit mehr verbinden. Wir wollten schauen, ob man das mit den ganzen anderen Einflüssen, die wir definitiv hatten, verbinden kann; also klassische Musik, Jazz, New Wave und so weiter. Martin und ich waren fanatische Hörer von CHRISTIAN DEATH, BAUHAUS und die frühen SISTERS OF MERCY. Das war damals alles noch kein Klischee, sondern für die jeweilige Szene bahnbrechend.

Wir waren extrem neugierig darauf, wie es klingt, wenn man Metal mit dieser Musik kombiniert. Die Plattenfirma war dagegen und drohte uns sogar mit dem Abbruch der Aufnahmen. Das machte das Herstellen des Albums unglaublich schwierig. Wir waren noch keine jahrzehntelang erprobten Musiker. Es war eine Grenzerfahrung; wir machten eigentlich Dinge, für die wir noch nicht gut genug waren. Dass die Plattenfirma mit ihren ganzen Telefonaten und Einschüchterungsversuchen gegen uns arbeitete, hat die Platte noch schwieriger gemacht. Ich denke, das Album lebt nicht zuletzt dadurch, dass man unsere Entschlossenheit und unsere Ideale anhören kann. Der Idealismus darauf ist hundert Prozent echt und wir mussten den auch verteidigen. Für jede kleine Entscheidung, jeden Gastmsuiker, jedes kleine Arrangement mussten wir kämpfen. Das ist heute fast undenkbar. Dadurch ist die Platte sehr echt.

Kannst du dir die Platte heute ungetrübt anhören, ohne dass dein Stolz darüber geschmälert ist oder schwingen die unangenehmen Erinnerungen da immer mit?

Ich würde nicht Stolz sagen. Für mich ist das Album persönlich und künstlerisch sehr wichtig, es hat uns den Horizont und die Augen geöffnet. Es hat alle späteren Alben, wie “Monotheist” [CF-Comeback von 2006 – Anm. d. Red.] oder die TRIPTYKON-Alben massiv beeinflusst, daher ist es ein ganz wichtiges Album.

Celtic Frost - Monotheist Cover

Aber ja, ich kann es mir ungestört anhören. Ich weiß natürlich bei einigen Stellen, was da hinter den Kulissen passiert ist. Dadurch ist es etwas unperfekt. Aber ich höre “Into The Pandemonium” trotzdem gern an, weil wir irgendwie auch gesiegt haben, wenn man so sagen will. Trotz allen, teilweise monströsen Widrigkeiten haben wir die Platte gemacht, haben drei Monate Studiozeit überstanden. Klar hat das Album Makel, aber es ist im Großen und Ganzen genau, was wir machen wollten. Ich höre unsere jugendliche Entschlossenheit und diese hat vieles andere überwunden.

An dieser Stelle wollte ich eigentlich noch ein paar Worte über Toms langjährigen und viel zu früh verstorbenen Kreativpartner Martin Eric Ain wechseln. Leider warf Zoom uns aus unerfindlichen Gründen aus dem Gespräch, das Tom so kurz vor Ende des Slots verständlicherweise auch nicht wieder aufnahm. Obwohl wir über alles Wichtige sprechen konnten, bedauere ich zutiefst, euch diesen Part vorenthalten zu müssen.

Nichtsdestotrotz mein Dank an Tom Gabriel Warrior für das angenehme und sehr informative Gespräch beim Frühstückskaffee sowie die jeweiligen Promoterinnen von All Noir in Deutschland und BMG in London, die diese Erfüllung eines Jugendtraums möglich machten.

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Quelle: Tom Gabriel Warrior
28.10.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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