Dark Age
Wir wollen, dass die Szene einfach mal einen vor den Latz kriegt und man nachdenken muss.

Interview

Dark Age

Viele Menschen haben offensichtlich keinen Bedarf, über den eigenen Horizont hinauszuschauen und offengeistig die Rosinen aus dem großen Kuchen herauszupicken. Was der Bauer nicht kennt, frisst er eben nicht. Schon allein aus diesem Grund müssen Höchstnoten polarisieren, denn im Zweifelsfall hat derjenige, der sich mit einem Thema intensiv auseinandergesetzt hat, immer Unrecht. Natürlich. Deshalb war es mir eine besondere Freude, DARK AGE-Sänger und -Gitarrist Eike Freese anzurufen, um eine gerade angesetzte Bandprobe zu sabotieren und unangenehme Fragen zu stellen, um denjenigen, die mit dem Prädikat „Album des Jahres“ unmzugehen wissen, das Mündchen noch etwas wässriger zu machen. Gießen wir doch nochmal etwas Öl ins Feuer.

Dark Age

Das mittlerweile siebte DARK AGE Album steht vor der Tür. „A Matter Of Trust“ – eine Frage des Vertrauens. Ihr habt ja schon ein bischen was zur Thematik in euren Webisoden erläutert. Aber was ist für dich persönlich Vertrauen? Wie definierst du Vertrauen oder was verbindest du damit?

Vertrauen ist für mich eine der Hauptantriebsfedern unseres Lebens. Das kann man auf verschiedene Punkte in unserem Leben beziehen, unter anderem ist es ganz wichtig Vertrauen innerhalb der Familie zu haben. Ich glaube auch, dass Vertrauen ein Urinstinkt ist, den man braucht, denn gerade als Kind benötigt man Vertrauen zu den Eltern, dass diese für einen immer da sind und man von ihnen versorgt wird. Das ganze Leben hindurch wird man mit diesem Thema konfrontiert. Man trifft auf ganz unterschiedliche Menschengruppen und dort wird Vertrauen dann auch auf die Probe gestellt. Vertrauen bedeutet zusammenfassend für mich deshalb Zusammenhalt, Loyalität und auch Freundschaft. Freundschaftlicher Zusammenhalt, man benötigt eine Umgebung, in der man sich wohl fühlt und verstanden wird.

Du hast es bereits angesprochen: Jeder Mensch wird mit einem Grundvertrauen gegenüber anderen geboren. Aber wie uns das Leben immer wieder zeigt, muss man lernen, sich gegenüber Wölfen im Schafspelz zu behaupten. Provokativ gefragt in Bezug zum neuen Album: Meinst du, dass einige Fans, die den auf dem neuen Album modifizierten Stil nicht akzeptieren, euch jetzt als so eine Art Wolf im Schafspelz sehen werden? Deren Vertrauen mag sicherlich erschüttert sein…

Das wäre sehr schade, denn wir haben nichts anderes gemacht, als zu den Personen und Geschmäckern zu stehen, die jetzt in der Band herrschen. Wir haben quasi die Hosen runter gelassen und ich bin der Meinung, dass genau das der ehrlichste Umgang mit unseren Fans ist. Kein Mensch möchte von seiner Lieblingsband oder von einer Band, die man liebt oder mag, sehen, dass auf der Bühne alles nur gespielt ist. Dass dort Menschen in ihrem Metal-Outfit posen, harte Musik spielen und anschließend von der Bühne gehen, ihre Klamotten abstreifen und über die Leute vor der Bühne zu lachen. Bei einem solchen Verhalten kann man zu Recht von Enttäuschung sprechen, oder von Vertrauensmißbrauch gegenüber seinen Fans. Jede Band hat das Recht, und jeder Künstler auch, in seinem Leben das zu tun, was sich im Bauch richtig anfühlt. Und genau das haben wir auch gemacht. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt und können mit Fug und Recht behaupten, immer wenn wir auf die Bühne gegangen sind oder gehen werden, uns genau so zeigen, wie wir zu diesem Moment drauf sind. Und genau das ist ein Vertrauensbeweis.

Hat eigentlich schonmal jemand euer Vertrauen so stark gebrochen, dass ihr das jetzt thematisch in einen Song verpacken musstet? Ich frage deshalb, weil der Opener „Nero“ vom Namen impliziert, dass es sich in diesem Track um eine Art Verlust drehen muss. Denn wenn ich an den geschichtsträchtigen Kaiser denke, sehe ich in meinem Gedankenkino ganz Rom in Flammen stehen…

Der Albumtitel steht ja jetzt nicht unbedingt nur in Bezug dazu, dass wir jetzt vielleicht sagen können: „OK, wir haben für uns so eine Art Wiedergeburt erlebt und jetzt wollen wir sehen wer zu uns hält“. Der Albumtitel bezieht sich, wie ich schon sagte, auf mehrere Aspekte des Lebens. Und als Band innerhalb der Industrie, aber auch als Individuen, sieht man sich durchaus auch mal mit Betrug konfrontiert oder mit Aussagen, die dann nicht eingehalten werden. Ich denke allerdings auch, dass soetwas als ein trauriger Aspekt zum Leben dazu gehört und jeder muss sich diesbezüglich irgendwie durchkämpfen. Als wir mit dem Songwriting zum neuen Album begannen, und „Nero“ war einer der ersten Songs, die wir fertig hatten, haben wir uns gefragt: „Warum machen wir das eigentlich? Warum machen wir Musik?“ Am Anfang wollten wir nämlich ein ganz hartes Old-School-Death-Metal-Album machen, weil das in dem geplanten Maß sicherlich niemand erwartet hätte. Aber als wir dann angefangen haben Ideen zu sammeln, haben wir bemerkt, dass sich das einfach nicht gut angefühlt hat und wir begannen uns die erwähnten Fragen zu stellen. Wir haben dann bemerkt, dass das nicht mehr so richtig zu uns passt. Wir haben diese Art Musik schon viele Jahre lang gemacht, und auch bewusst gemacht und geliebt, aber es wurde immer deutlicher, dass wir unseren Fans einfach nichts mehr Neues in dieser Art und Weise bieten können. Wir wollten einfach nicht, dass jemand für etwas Geld ausgiebt, das bereits fünfzigtausendmal gesagt wurde. Deswegen haben wir uns gesagt, dass wir Musik machen, weil wir uns vertrauen, und als Band, und als Freunde, weiterhin Spaß daran haben wollen. Musik ist für uns in erster Linie ja auch ein Hobby, und zu diesem Zeitpunkt haben wir uns dann gesagt: „OK, wir vertrauen darauf, dass das, was wir machen, richtig geil wird, und dass wir Spaß daran haben.“ Und das haben wir dann als Anreiz gesehen, in dieser Richtung etwas zu machen.

Dann kann ich also davon ausgehen, dass der Albumtitel zuerst in euren Köpfen spukte und ihr das neue Material thematisch daran ausgerichtet habt, oder hat sich das alles einfach so ergeben?

Nein, das hat sich dann so ergeben. Als wir die ersten Songs geschrieben hatten, und die Gesangslinien demoreif wurden, war uns klar, dass wir stilistisch durchaus etwas anders klangen. Wir mussten uns dann natürlich damit auseinandersetzen, wie wir das nennen wollten, denn wir mussten ja auch gegenüber unserer Plattenfirma etwas sagen und gegenüber unserem Management. Und so hat sich der Titel dann auch herauskristallisiert. Dieses Thema zieht sich durch unsere ganze Gesellschaft. Wir werden fortwährend mit Informationen zugeschissen und jeder möchte im Urwald der Lauteste sein. Auch in der Musikindustrie gilt, wer am meisten Werbung schaltet und Posts macht, liegt vorne. Alle versuchen die Gunst des Hörers zu erzwingen und wir haben uns gesagt, wenn wir eine ähnliche Welle machen, dann möchten wir das aber ehrlich und authentisch durchziehen.

Ihr habt euch für den Song „Afterlife“ entschieden, um ihn als Single vorab zu veröffentlichen und das Album mit einem entsprechenden Video zu promoten. Ein Teil des Videos wurde in der Ritze gedreht, einer der bekanntesten Kneipen auf dem Kiez. Habt ihr euch für diesen Ort vielleicht aus einem bestimmten Grund bewusst entschieden?

Wir wollten im Video auf jeden Fall eine Kampfszene haben, und über einen Kontakt haben wir dann gehört, dass die Ritze ihren Raum mit Boxring vermietet. Da uns die Miete angemessen erschien, haben wir uns natürlich sehr darüber gefreut, dass wir diesen kultigen Laden in unserem Video verewigen konnten. Vom Erstkontakt bis zur tatsächlichen Miete und dem Videodreh drei Tage später lief alles völlig problemlos.

Hamburg hat, wie jede andere Stadt auch, nicht nur schöne Seiten zu offenbaren, sondern auch völlig unschöne und oft verschwiegene. Welchen Song von „A Matter Of Trust“ verbindest du in diesem Zusammenhang ganz besonders mit Hamburg und warum?

Das ist ja eine ganz geile Frage! Hm… Spontan fällt mir dazu „Out Of Time“ ein, weil es in diesem Song thematisch darum geht, dass wir als Menschen, gerade als Großstädter, immer mehr diesem Druck unterlegen sind, dass alles am besten bereits vorgestern fertig sein muss. Und dadurch, dass die genutzte Technologie so rasant hilft Arbeit zu erledigen, wird einem immer mehr Arbeit aufgehalst. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass wir es einfach satt haben, das Gefühl zu haben, irgendwie immer hinterherzuhinken. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt, ich fühle mich hier sehr wohl, aber Hamburg hat zum Beispiel in Bezug zum Straßenverkehr ein Sammelsurium an eben diesen getriebenen Seiten. Deswegen, finde ich, passt der Song ganz gut zu Hamburg.

DARK AGE haben in Deutschland bereits eine gewisse Größe erreicht. Über die Landesgrenzen hinaus ist der Erfolg bisher jedoch überschaulich. Seht ihr „A Matter Of Trust“ als Zugpferd, mit modifiziertem Stil nicht nur eine breiter gestreute Hörerschaft sondern auch globalen Erfolg zu erreichen? Steckt im neuen Album also vielleicht auch eine gewisse Kalkuliertheit?

Witzigerweise so überhaupt gar nicht. Wir sind mit diesem Album ganz bewusst ein volles Risiko eingegangen. Uns war bewusst, dass wir unsere Fans der härteren Alben damit vielleicht vor den Kopf stoßen werden, aber auf die Idee, dass das Album vielleicht erfolgreicher werden könnte bzw. einer breiteren Masse zugänglich, darauf hat uns erst unser Management gebracht, nachdem das Management die neuen Songs gehört hatte, und die waren durchweg begeistert. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden uns die Chancen, die dieses Album haben könnte, klar gemacht. Denn die Grenzen zwischen Death Metal und Rock sind einfach nicht mehr klar zu definieren und damit eröffnet das Album auch einen Ansatzpunkt für eine erweiterte Hörerschaft. Und dann gab es auch schon die ersten sehr positiven Resonanzen aus ganz verschiedenen Szenen, gerade auch was unsere Remixe angeht. Kalkuliert war also gar nichts, gerade auch, weil wir alles immer aus dem Bauch heraus machen. Ja, ich habe den Gesang ein bischen zugänglicher gemacht, und die Songstrukturen sind etwas poppiger geworden als vorher, aber das hatten wir alles schon immer. Meiner Ansicht nach hat sich musikalisch eigentlich gar nicht so viel geändert. Das ist einfach nur der Gesang, der jetzt einen anderen Fokus hat, aber damit können wir noch mehr mit bestimmten Stimmungen arbeiten.

Nicht jede Band macht sich die Mühe ein Studio Diary in so großem Umfang aufzunehmen und zu veröffentlichen, wie ihr das jetzt für „A Matter Of Trust“ gemacht habt. Lag es euch am Herzen, eure Gedanken und Beweggründe zum Album bereits vorab mitzuteilen, damit es nach der Veröffentlichung keinen Aufschrei gibt? Kritiker könnten auch behaupten, dass ihr vielleicht ein schlechtes Gewissen hattet, und mit diesen Webisoden schlichtweg Rechenschaft ablegen wolltet…

Das kann man von der Seite natürlich so interpretieren, aber wir hatten eigentlich einen ganz anderen Hintergedanken. Es herrschte jetzt ziemlich lange Funkstille und auch live haben wir uns sehr rar gemacht, und deshalb wollten wir einfach mal geballt einige Lebenszeichen von uns geben und mitteilen, warum wir jetzt so klingen wie wir klingen. Diese Studio Diaries sollten unseren Fans einfach Aufschluss darüber geben, dass wir endlich wieder zurück sind und uns entwickelt haben, so wie andere auch. Damit haben wir versicht eine Tür zu öffnen und den Gast ins Haus zu bitten. So würde ich unseren Beweggrund dazu eher umschreiben.

Während den Aufnahmen zu „My Saviour“ hast du in einer Webisode mehr oder weniger aus Spaß gesagt, dass du „zu alt für sowas bist“, als du die Growls eingesungen hast.

Ja. (lacht) Genau.

In meinem Review habe ich bewusst das Wort „erwachsen“ vermieden, deshalb meine Frage: Meinst du wirklich, dass du für Growls zu „erwachsen“ geworden bist?

Nein. Das ist schlicht und einfach ein Running Gag bei uns gewesen. Weil wir natürlich immer älter werden und mittlerweile auch diese magische 30 überschritten haben, haben wir während der Produktion, oder auch schon vorher, wann immer etwas schief lief, gesagt, dass wir jetzt zu alt für soetwas geworden sind. Mehr steckt da nicht dahinter.

Du bist ja nicht nur Sänger, Gitarrist und Songschreiber bei DARK AGE, sondern nebenher bzw. hauptsächlich auch als Studiotechniker und Songschreiber für andere Bands tätig. Betrachtest du diese beiden Seiten eigentlich für sich getrennt, also DARK AGE auf der einen Seite, und die Studioarbeit auf der anderen, oder kannst du nicht ausschließen, auch von anderen Projekten inspiriert zu sein, um bestimmte Elemente in zukünftigen DARK AGE Alben mit einzubringen und euren Klangkosmos noch einmal zu erweitern?

Das ist auch eine schöne Frage. Also… Erst einmal möchte ich klar stellen, dass ich bei DARK AGE nicht der alleinige Songwriter bin. Aber was die andere Arbeit angeht, also zum Beispiel meine reine Engineering-Arbeit oder meine Arbeit als Produzent, so ist das schon so eine Art schizophrene Situation. „A Matter Of Trust“ wird deshalb wohl auch das letzte DARK AGE Album sein, dass ich selbst produziert habe, denn der Zeitaufwand und der Stress dieser Doppelbelastung ist einfach so krass geworden, dass ich das in Zukunft nicht mehr haben möchte. Ich glaube auch, dass es DARK AGE gut tut, wenn in Zukunft auch mal eine andere Person an der Produktion arbeitet. Und um auf den anderen Teil deiner Frage einzugehen: Aufgrund meiner Aktivitäten abseits der Band hat es sicherlich auch Einfluss auf mein Songwriting gegeben. Die Tatsache, wie ich meine Stimme entwickelt habe oder dass ich Demosongs für andere eingesungen habe, hat dafür gesorgt, dass ich mich erstmal neu mit meiner Stimme auseinandersetzen musste und ich auch ganz viel Erfahrung aus anderen Produktionen gesammelt habe, hat für Einflüsse gesorgt, auch wenn man das vielleicht gar nicht will.

Einige der Fans eurer ersten Werke würden mich jetzt gern gesteinigt sehen, aber ich glaube viele Leute haben in „Acedia“ euer Meisterwerk gesehen. Habt ihr euch deshalb bewusst entschieden euren Stil zu modifizieren, um nicht auf der Stelle zu treten? Bedeutet „A Matter Of Trust“ für euch eine Art Neuanfang?

Als „Acedia“ veröffentlicht wurde, war der Aufschrei ähnlich groß wie zum jetzigen Zeitpunkt. Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass ich damals mit einigen Kollegen gesprochen habe, die mir gesagt haben, dass der Stil ja völlig anders sei und wir viele Fans verlieren würden. Wir haben uns damals einfach nur gewundert, dass die Einen das Album regelrecht abgefeiert haben, und die Anderen meinten, dass das Album weder Fisch noch Fleisch wäre. Tatsächlich ist „Acedia“ das mit Abstand am besten verkaufteste Album von uns. Aber ich muss auch dazu sagen, dass das Album erst ein Jahr nach Veröffentlichung so richtig zu den Leuten durchgekommen ist. Insofern habe ich jetzt so eine Art Déjà-vu Erlebnis. Um den Bogen zu deiner Frage zu schließen, was die Growls und Screams und den Clean Vocals im Refrain angeht, so hatten wir tatsächlich das Gefühl, dass wir mit „Acedia“ mit unseren Möglichkeiten im Melodic Death Metal wirklich alles gesagt haben. Wir sind eine Band, die sich selbst fordern muss. Für uns ist es ganz wichtig, dass wir das, was wir im Proberaum spielen, auch selbst richtig geil finden. Wir wollen, dass die Szene einfach mal einen vor den Latz kriegt und man nachdenken muss. Natürlich meckern erstmal alle, merken dann aber ganz bald schon, dass das alles doch gar nicht so schlecht ist. Ich glaube, dass es viel zu wenig Bands gibt, die diesen Mut haben, ihren Weg zu gehen. Viele Bands gehen lieber auf Nummer sicher, aber dann muss man sich auch mal ganz ehrlich fragen, für wen die Songs überhaupt geschrieben wurden.

29.08.2013

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8 Kommentare zu Dark Age - Wir wollen, dass die Szene einfach mal einen vor den Latz kriegt und man nachdenken muss.

  1. Heiko Eschenbach sagt:

    Ich kann ja grundsätzlich die Ansicht teilen, dass ein Tellerrand auch dann überblickt werden will, wenn er ein bisschen breiter ist. Aber sich hier als die super-offenen, künstlerisch alles in Frage stellenden Revolutionäre aufzuspielen, geht finde ich etwas weit. Ohne, dass es mir zusteht, die musikalische Ausrichtung der Band zu bewerten (ist ihre Sache): Mit solchen großen Worte sollte man um sich werfen, wenn man etwas Neues, Risikoreiches macht, und wenn man sich künstlerisch austobt, nicht wenn man am Reißbrett Musik etwirft, die schon 1000 Mal da war.

  2. Jakob sagt:

    Unglaublich, was hier für Leute abhängen und posten… Wo bitte tun die denn als Revolutionäre?? Völlig entspannte Aussagen, meiner Meinung nach. Ist doch klar, dass die Leute interessiert, warum die nun so klingen.Und außerdem muss mann nicht gleich eine neue Musikrichtung erfinden, um sich innerhalb seines Kosmos neu zu erfinden. gute PLadde übrigens.

  3. Stefan sagt:

    Mein Vertrauen als Fan der alten Alben ist definitiv erschüttert. Da spricht einem eine Band über Jahre hinweg aus der Seele, thematisiert die dunkle Seite der Psyche – von Selbsthass über Suizid und Verzweiflung – um dann auf einmal eine 180° Wende zu vollführen und sich als Mainstreamband von nebenan zu präsentieren. Eine Band bestehend aus Familienvätern, die voll im Leben stehen; bestückt mit einem Näschen für kommerziell wertvolle Melodien und Songstrukturen, die den geneigten Rock-Hörer mit einer Länge von nicht mehr als 4 Minuten zu keiner Zeit überfordern. Das Album ist wider meiner Erwartungen sehr gut geworden, aber ich vermisse das düster-dunkel-aggressiv-offensive Dark Age. Den „Bloody Motherfucker, who can take no more lies“ Freese mit einer „psychopathic youth, dreaming for hope and searching for truth“. Eine solche Attitüde ist dem Dark Age von heute so fern wie nur irgend möglich.

  4. Pascal sagt:

    Du hast dir die Antwort darauf doch eigentlich selber gegeben, oder? Es sind mittlerweile Familienväter, die voll im Leben stehen. War bei Slipknot auf „All Hope Is Gone“ seinerzeit nichts anderes. Ich bin etwas entfernt davon, dann von „kommerziell“ und dergleichen zu sprechen, weil Dark Age auch mit diesem Album sicherlich kein Platin holen werden (überspitzt formuliert). Auch Musiker werden älter, und das sollte man (allgemein gesprochen) auch einfach mal akzeptieren können, finde ich persönlich. Man muss nicht alles schlucken, richtig, aber ein wenig Verständnis sollte hier und da auch mal aufgebracht werden, schließlich muss man’s dann auch einfach nicht kaufen 😉

  5. Heiko Eschenbach sagt:

    „wir wollen, dass die Szene einen vor den Latz kriegt“ – für mich ist das eine sehr markante und weitreichende Aussage, wenn die Jungs sich daran messen lassen wollen, dann müssen sie halt auch liefern. Ist aber nur meine Meinung *g*

  6. Pascal sagt:

    Wenn man bedenkt, dass die Leute darauf eingehen, haben Dark Age alles richtig gemacht. Ich verstehe die Aussage durchaus so, wie ich sie bereits vorhin schon aus meiner Sicht erläutert habe.

  7. Stefan sagt:

    Ja, ich suche ja nach einer für mich befriedigenden Erklärung für ihren Stilwandel. Ich will ja nicht glauben, dass sie sich nur aus Kommerzgründen verbiegen. Als gestandener dreißigjähriger Familienvater kann man wohl nicht aufrichtig und ehrlich die Art von Musik spielen, wie sie es noch vor 10 Jahren gemacht haben. So gesehen – Respekt, wenn das Album wirklich genau das verkörpert, was sie jetzt sind. Ich glaube nicht, dass das die Metal-Szene (zu der ich mich übrigens nicht zugehörig fühle) groß juckt.

  8. Stefan sagt:

    edit: Wie gesagt – das Album gefällt mir sehr gut. Große Melodien, die cleane Stimme geht in Ordnung. Aber die Tiefe und Emotionalität der früheren Alben geht zugunsten der Eingängigkeit zu einem guten Teil flöten. Wird eher etwas für Zwischendurch als für den intensiven Hörgenuss. Vorbestellt habe ich mir die Scheibe trotzdem.