Dimmu Borgir
Interview mit Silenoz zu "Abrahadabra"
Interview
Sie wollen die Kritiker Lügen strafen und sind sich ihrer Sache dabei so sicher wie nie zuvor: DIMMU BORGIR. Mit „Abrahadabra“ steht eins der am heißesten erwarteten Alben dieses Jahres am Horizont, einen ersten Vorgeschmack offenbarten die Norweger mit der Single „Gateways“. Das dämonische Cover, die majestätische Fusion von Orchesterklängen und Metal – nach dem äußerst kritisch beäugten „In Sorte Diaboli“ deutet einiges darauf hin, dass DIMMU BORGIR nicht nur an „Death Cult Armageddon“ anknüpfen, sondern es regelrecht in den Schatten stellen wollen. Mit Silenoz sprach ich über das (noch) bestgehütetste Geheimnis im Hause Nuclear Blast… und warum ein Schritt vorwärts viel zu wenig ist.
Ahoi Silenoz! Wie geht’s Dir denn an diesem sonnigen Tag?
Sehr gut! Ich sitze hier grad im Nuclear Blast Hauptquartier, wo wir gestern noch unsere Autogrammstunde gegeben haben. Für einen Freitagnachmittag, wo die meisten Leute noch arbeiten, waren erstaunlich viele Fans da.
Naja, Freitag um Eins macht jeder seins, hehe. Dann kommen wir doch gleich mal zur Sache: „Abrahadabra“ heißt euer neues Werk, welches am 24. September erscheint. Da ich noch keine Gelegenheit hatte reinzuhören, musst Du mir jetzt erzählen, wie toll das Album ist – am besten in einem Satz!
Haha, ok… ich würde sagen: Vollständigkeit. Einerseits, weil wir natürlich wieder ein neues Dimmu-Album vollendet haben, andererseits habe ich das Gefühl, dass es es dieses Mal soviel mehr ist, als „nur“ ein Album. Ich kann Dir jetzt aber nicht erzählen, wie toll das Album ist, denn, hey, damit würde ich mich doch echt lächerlich machen, oder?
Irgendwie schon, behauptet doch jede Band jedes Mal auf’s Neue, das Beste und Großartigste gemacht zu haben.
Genau, und niemand würde meinen, „ok, das neue Album ist nicht ganz so gut wie das vorherige“. Ich kann dir aber sagen, dass wir dieses Mal extrem zufrieden mit dem Endresultat sind, vielleicht so sehr wie schon seit langer Zeit nicht mehr.
Es hat ja auch wieder einige Zeit gedauert. Wann habt ihr konkret mit den Arbeiten zu „Abrahadabra“ begonnen?
Vor fast genau einem Jahr. Einige Ideen bestanden zwar schon vorher, doch das war der Zeitpunkt, an dem die wirklich intensive Arbeit am Album begann. Es ist ja nicht so, dass wir nicht genug Material gehabt hätten, aber unser Schreibprozess ist eine ständige Herausforderung, ständige kritische Beobachtung. Hinzu kommt die immense Detailarbeit, wenn auch das Schreiben der eigentlichen Songs relativ geschmeidig von statten geht. Es war teilweise sehr hart, aber jetzt am Ende kann ich wirklich sagen, dass wir sehr stolz auf das sind, was wir da erschaffen haben.
Erinnerst Du Dich noch, wem Du das Album zum allerersten Mal zum Anhören gegeben hast? Sozusagen als Jungfern-Listeningsession?
Oha… gute Frage, denn wenn ich mich recht entsinne, habe ich das Album noch niemand als Ganzes vorgespielt. Wenn Freunde vorbeigeschaut haben, dann konnten sie mal ein paar Songs, Demos oder Ausschnitte reinhören. Viele waren auch sehr überrascht davon, denn wir haben eigentlich kaum etwas darüber erzählt. Die Single „Gateways“ hat die gleichen Reaktionen hervorgerufen. Das ist natürlich immer so, wenn man etwas zum ersten Mal hört, und beim Album wird das ganze nochmal ein ganzes Stück anders sein, weil es so viele Impulse sendet, soviel Eindrücke auf einmal hinterlässt, dass man sie beim ersten Mal gar nicht verdauen kann.
„Abrahadabra“ – das kommt uns seltsam bekannt vor und stammt, soweit ich weiß, doch von Aleister Crowley. Was hat es mit diesem Titel auf sich?
Wir wollten einfach mal testen, wieviele unserer Fans noch richtig lesen können, hehe.. nein, Scherz beiseite. Du hast schon richtig getippt, diese magische Formel stammt von Crowley, der sie Anfang des 20. Jahrhunderts niedergeschrieben hat, als er sich in Ägypten aufhielt. Als wir mit DIMMU BORGIR angefangen haben, waren wir alle irgendwie fasziniert von dieser Person und dem, wofür er stand. Doch mit der Zeit haben wir auch verstanden, den tieferen Sinn dahinter zu sehen, was eigentlich in seinen Schriften alles an Bedeutung verborgen ist. Ich habe versucht, meine persönliche Perspektive darauf in dem Album zu verarbeiten, und habe seine Schriften und seine Magie als Leitmotiv und Inspiration gleichermaßen mit einfließen lassen. Ein Großteil meines Beitrages gilt auch dem Respekt gegenüber einem der größten Erforscher und Denker des Okkulten in der westlichen Welt. Er war besessen vom Gedanken an Wiedergeburt und Reinkarnation, und irgendwie bildet das auch den Rahmen unseres Konzeptes für „Abrahadabra“.
Bei „In Sorte Diaboli“ war das Konzept ja sehr geschlossen, eine lineare Story über einen Mann, der mit dem Teufel persönlich verwandt war. „Abrahadabra“ scheint dagegen eher fragmentarischen Charakter zu haben.
Ja, das ist richtig. Viele Stücke verwenden zwar ähnliche Motive und Themen, aber unterm Strich kann jedes davon für sich alleine stehen. Wenn man also den berühmten roten Faden sucht, wird man ihn nicht so leicht finden wie bei „In Sorte Diaboli“, aber es gibt ihn.
Also auch eher verdeckte Botschaften als klare Ansagen?
Nun ja, wenn es um die Message geht, dann steht „Abrahadabra“ für das ein, was auch schon den Vorgängeralben und überhaupt dem Schaffen unserer Band gemein ist, nämlich der Formung eines echten freien Willens. wenn ich nicht selbst die Freiheit habe, glücklich zu werden, kann ich auch niemanden um mich herum glücklich machen. Es ist auch ungefähr so, wie man es in Flugzeugen erlebt, wenn die Stewardessen dir sagen, dass du zuerst deine eigene Rettungsweste anziehen sollst, bevor du anderen hilfst. Es ist wirklich so einfach, und ich wünschte, mehr Leute würden danach leben.
„Do as thou wilt“ heißt ja nicht wörtlich, dass man einfach machen kann, was man will. Es gibt keine Entscheidung ohne eine Verantwortung, die damit einhergeht. Vor allem religiöse Menschen interpretieren diese Aussage oftmals falsch, und bei vielen von ihnen kann ich nicht wirklich Freiheit in ihrem Leben erkennen. Gleichzeitig fliehen sie aus der Verantwortung, weil sie ihr Schicksal praktisch in die Hände eines anderen geben. Ich weiß nicht genau, ob Nietzsche das gesagt hat, aber sinngemäß hieß es, Glaube bedeutet, die Wahrheit nicht wissen zu wollen.
So ein Ablaßhandel funktioniert ja auch vorzüglich, weil es das Gewissen schnell erleichtert.
Und das kann es doch nicht sein, oder? Genau deshalb sehe ich es auch als meine Verantwortung, die Leute aufzuklären ohne ihnen damit zu erzählen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Es geht einfach um eine befreite Sicht auf das Leben.
Du hast es eingangs kurz erwähnt und Shagrath hat es ebenfalls in einem anderen Interview angesprochen, nämlich dass „Abrahadabra“ das wohl detailreichste Werk eurer bisherigen Karriere ist. Bedeutet das also eine Rückkehr zu wesentlich komplexeren Strukturen?
Auf jeden Fall! Wir haben mit den Kompositionen allerdings auf einer sehr einfachen Basis begonnen, simple Strukturen, sogar simple Riffs, weil wir von Anfang an darauf hinarbeiteten, ein komplettes Orchester einzubinden. Man muss den Songs die Zeit lassen, zu wachsen, ihnen Raum zur Entfaltung geben. Und am Ende steht dann ein ein äußerst komplexes Werk, dessen unterschiedliche Facetten sich nicht gleich beim ersten Kontakt erschließen, sondern sich erst nach und nach dem Hörer offenbaren.
Ihr habt euch nicht nur den renommierten Komponisten Gaute Storaas ins Boot geholt, sondern auch das norwegische Radioorchester Kringkastingsorkestret, sowie den Schola Cantorum Chor – insgesamt mehr als 80 Musiker. Solch einen Aufwand betreiben nur ganz wenige Bands, wie z.B. THERION, CRADLE OF FILTH oder SEPTIC FLESH. Wie transportiert man einen DIMMU BORGIR Song in die Klassik?
Es ist gar nicht so schwer, wie man sich das vielleicht vorstellt. Wir kennen Gaute schon seit einigen Jahren, war er doch bereits an „Death Cult Armageddon“ und „Puritanical Euphoric Misanthropia“ beteiligt. Er war von Anfang an in die Kompositionen von „Abrahadabra“ involviert. Sobald wir einen Song im Demostatus hatten, schickten wir das ganze Material an ihn, damit er eine Idee davon bekommen konnte, in welche Richtung sich der jeweilige Song bewegen sollte. Er konvertierte das, was wir mit dem Keyboard als Rohfassung angefertigt hatten, in klassische Arrangements, und das ist kein Job, den man mal eben über Nacht erledigt. Immerhin reden wir hier über ein sehr großes Orchester.
Thema Gastauftritte: Snowy Shaw ist ja nun zumindest auf dem Album zu hören, aber ihr habt euch auch die schöne Stimme von Agnete Kjølsrud (ANIMAL ALPHA, DJERV) rangeholt. Ist die Auswahl eurer Gäste eher spontan oder stecken da konkretere Gedanken dahinter?
Nun ja, wir wollten dem Gesang etwas mehr ‚Würze‘ hinzufügen, Shagrath hat dieses Mal auch viel mehr mit seinem Gesang experimentiert, einfach um etwas Neues auszuprobieren. Es gibt noch weitere Gäste auf dem Album, aber wir haben uns gerade deswegen dagegen entschieden, irgendwelche Ankündigungen zu machen, um jeder Möglichkeit für falsche Eindrücke im Vorfeld entgegenzutreten.
So wie man auch von keinem namhaften Produzenten gehört hat, der für den Sound des Albums verantwortlich zeichnet.
Weil wir dieses Mal alles selbst gemacht haben, natürlich mit Hilfe von fähigen Leuten. Das Schlagzeug und den Gesang haben wir z.B. mit Daniel Bergstrand in Uppsala in Schweden aufgenommen, der uns auch mit Rat und Tat zu Seite stand. Die Gitarren dagegen haben wir in Oslo aufgenommen, was glaube ich seit „Devil’s Path“ das erste Mal nach langer Zeit war, das wir dort im Studio zugange waren. In den NRK-Studios haben wir dann das Orchester und den Chor aufgenommen, was nur drei Tage gedauert hat. Soviel zum Thema Professionalität, haha. Es war quasi ein sehr loser Wechsel der Standorte, und wir haben zwischen den einzelnen Studioaufenthalten immer Pausen gemacht, um den Kopf und die Ohren frei zu kriegen.
Es ging euch also um das große Ganze, das Gesamtbild anstelle eines Signatursounds.
Ganz richtig, es ist sozusagen unsere eigene Signatur. Shagrath und ich haben die Platte dann zusammen mit Andy Sneap abgemischt. Es war kein leichter Job, die ganzen Teile auch passgenau zusammenzufügen, und wir haben eine Menge von Andy lernen können. Doch noch härter als der Mix war dann der Masterprozess, denn gerade da kann eine Menge schiefgehen. Wir reden hier von mikroskopisch kleinen Details, feinsten Frequenzabweichungen, die verheerende Auswirkungen haben können. Es waren so an die drei Wochen, die wir insgesamt mit Andy verbracht haben, aber am Ende stimmte einfach alles. Ich kann auch keinen echten Vergleich ziehen, weil wir etwas in dieser Größenordnung noch nie zuvor gemacht haben. Es gibt zwar einige Bands, die das auf einer ähnlich großen Skala durchgezogen haben, aber das ist halt jedes Mal etwas individuell anderes.
Ein bisschen „Angst“ war auch dabei, denn wir waren uns nicht sicher, ob wir tatsächlich immer das Richtige tun, ob es wirklich gut genug ist. Aber wenn man seinem Bauchgefühl vertraut und jeder im Raum mit dem Kopf nickt, dann weiß man auch, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Kannst du dir denn vorstellen, auch in Zukunft so zu arbeiten?
Ja, weil das vermutlich auch die beste Lösung für uns ist. In der Vergangenheit war man halt die ganze Zeit in einem Studio, hatte Termine einzuhalten, was nicht immer geschafft wurde. Man sollte sich wirklich die Zeit nehmen die man braucht, sowohl beim Komponieren als auch beim Aufnehmen.
Ihr habt euch abermals für Joachim Luetke als Albumkünstler entschieden, der ja u.a. schon „Death Cult Armageddon“ gestaltet hat. Was reizt euch so an seinen Werken?
Der wichtigste Punkt ist wohl der, dass Joachim unsere Musik wirklich versteht, vielleicht noch mehr als die meisten Fans es tun. Hinzu kommt seine ausgeprägte Kenntnis des Okkulten, also genau das, was uns ja ebenso fasziniert. Wir haben nicht so sehr daran gedacht, dass das Artwork die Leute an „Death Cult Armmageddon“ erinnern könnte, auch wenn es eine ähnliche Färbung hat. Genauso wie das Remake von „Stormblåst“ – dieser kühle, blaue Ton, der auch ein bisschen was von Reinheit hat.
DIMMU BORGIR waren ja schon immer bekannt für extravagante Verpackungen und Spezialeditionen ihrer Alben. Es ist zwar noch gut drei Wochen hin bis zur Veröffentlichung, aber kannst du uns wenigstens ein bisschen was verraten? Was dürfen wir erwarten?
Nun, es wird auf jeden Fall wieder unterschiedliche Versionen und Bonusmaterial geben, soviel ist sicher. Ich persönlich bevorzuge ja Vinyl, womit die meisten Kids heute nichts mehr anfangen können. Aber ich bin halt in den 80ern groß geworden, ich mag das Visuelle, und ich finde es auch wichtig, dass man als Band etwas ganz Spezielles anbieten kann – etwas, was man eben nicht einfach nur runterlädt.
Zumal irgendwelche Daten auf der Festplatte noch kein Kunstwerk ausmachen, was ein Album mit allem Drumherum nunmal darstellt. Aber erklär das mal der Generation iPod…
Ich warte ja immer noch darauf, dass es endlich eine iToilet gibt, haha…
Mal was anderes: Kam euch denn nicht schon mal der Gedanke, etwa beim Grand Prix mitzumachen? Ich meine, wenn schon DARK TRANQUILLITY, LORDI oder KEEP OF KALESSIN voranschreiten…
Nein, das nun wirklich nicht. Wir hätten sicherlich die Möglichkeit gehabt, dann aber in einem anderen Format. Wir sind zwar sehr aufgeschlossen, aber ich glaube nicht, dass sowas wirklich zu DIMMU BORGIR passen würde.
Ich glaube, der Meinung schließen sich spontan 99% aller Leser an. Würdest du trotzdem sagen, dass die skandinavische Kultur generell aufgeschlossener für Bands eures Schlages ist? In Deutschland erreichen Metalalben zwar auch regelmäßig Chartplatzierungen, und hier finden auch einige der weltgrößten Festivals statt, aber das heißt noch gar nichts. Im Fernsehen bedient Metalmusik zumeist Klischees und auf den öffentlich-rechtlichen Sendern dominieren die Schlagerfuzzies. Selbst nationale Musikpreise sind hier völlig mainstreamverseucht.
Nun, vielleicht liegt es daran, dass man hier im Norden zumindest mehr Respekt bekommt, wenn man etwas gut macht, etwas, das auch unter einem gewissen Teil der Bevölkerung populär ist. Das heißt aber nicht, dass jeder, der dich aus den Medien kennt, dich auch auf der Straße ansprechen würde, im Gegenteil. Man spricht viel über dich, aber kaum mit dir. Wir finden ja nun auch seit Jahren in den Medien statt und wissen mittlerweile, wie wir damit umgehen. Aber die einstige Sensationsgier der frühen Jahre ist wirklich dem Respekt und der Anerkennung unserer Kunst gewichen. Heutzutage wird Black Metal nicht mehr ins kriminelle Milieu gerückt, sondern mit Grammys ausgezeichnet.
Womit du mir gleich das nächste Stichwort lieferst: Auf welche Auszeichnung seid ihr denn besonders stolz?
Ich bin natürlich sehr stolz über die norwegischen Grammys, die wir erhalten haben, ebenso über die Alarm Awards, die ich noch ein ganzes Stück höher ansetze, weil hier auch Fans mit abstimmen konnten. Das ist schon ein Unterschied zu einer Jury, wo eine handvoll Leute sitzen, die der Meinung sind, Musik derart beurteilen zu können – was niemand kann, bei keiner Art von Musik. Sowas erweckt auch schnell den Eindruck von Konkurrenz, die so nicht stattfindet. Man spielt ja nicht in einer Band, nur um miteinander zu konkurrieren. Man macht die Musik, um sie zu genießen, nur darum geht es.
Wie groß ist für euch der Erwartungsdruck der Fans? Natürlich will man sich als Band immer steigern, aber gleichermaßen wird das auch von Fans gnadenlos eingefordert.
Eigentlich ist der Druck gar nicht so hoch, denn aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die Mehrheit der Fans ein Album positiv empfängt, wenn wir als Band wirklich zufrieden damit sind. Ich glaube, die meisten unserer Fans teilen die Offenherzigkeit und Aufgeschlossenheit, die auch uns als Band ausmacht. Sie folgen uns, gehen mit uns den nächsten Schritt, wie auch immer der aussehen mag. Selbstverständlich werden wir nie das abstreifen, was uns im Kern ausmacht. DIMMU BORGIR werden immer wie DIMMU BORGIR klingen. Wir suchen immer neue Herausforderungen, sind immer bereit, einen neuen Schritt zu gehen. Bei „Abrahadabra“ ist es allerdings weniger ein Schritt, sondern vielmehr ein gewaltiger Sprung.
Na, das war ja ein nicht zu übersehender Fingerzeig mit Armstrong. Künftig werdet ihr eure Sprünge zu dritt vollführen, jedenfalls wurde das in diversen Interviews verlautbart. Also keine Band namens DIMMU BORGIR in diesem Sinne, sondern eher eine Troika mit ständig wechselndem Ensemble?
Wir haben mittlerweile für uns erkannt, dass im Prinzip niemand mehr die Band als Vollzeitmitglied bereichern könnte, weil wir zu dritt bereits vollständig sind. In den letzten zehn Jahren waren wir drei es, die den Großteil der Kompositionen und Arrangements geschrieben haben, von daher macht es schon rein arbeitstechnisch keinen großen Unterschied zu den früheren Alben. Es läuft einfach sehr geschmeidig, sehr entspannt zwischen uns, und überraschenderweise auch ohne größere Unstimmigkeiten. Das lässt sich zwar nie vermeiden, wenn man zusammen Musik macht, aber uns drei vereinen die gleichen Visionen und Ziele, wir befinden uns sozusagen alle auf dem gleichen Level.
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass manche Leute dafür eben nicht bereit waren, die vieles als selbstverständlich erachtet haben. Und wir haben nunmal die Nase voll, solchen Personen ständig hinterherlaufen zu müssen. Es ist frustrierend, aber wir können eben niemanden zwingen, in der Band zu sein. Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten: Über verschüttete Milch weinen, oder den Stier bei den Hörnern packen. Für die Fans sah das natürlich sehr dramatisch aus, weil sie ohne den genauen Hintergrund zu kennen natürlich einen falschen Eindruck von der Sache bekommen mussten. Wir haben uns vorgenommen, zukünftig keine Besetzungswechsel mehr in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil das irgendwie zum Bandfluch geworden ist. Ändern können wir jetzt auch nichts mehr daran.
Ein andere Aspekt, der sich auf DIMMU BORGIR auswirkt, sind ja eure „Nebenjobs“. Shagrath hat CHROME DIVISION und OV HELL, Galder hat OLD MAN’S CHILD und du bist grad mit INSIDIOUS DISEASE auf dem Schirm. Nun dauert es zwar immer eine Weile bis zu einem neuen DIMMU BORGIR Album, aber haben diese ganzen Nebenprojekte nicht auch einen verzögernden Einfluss?
Das ist eigentlich alles eine Frage der Selbstdisziplin, um alles unter einen Hut zu kriegen. Niemand zwingt dich – du machst das, weil du es willst. Natürlich haben die anderen Bands nicht die gleiche Priorität wie DIMMU BORGIR, aber sie haben trotzdem ihre Berechtigung. Wie in meinem Fall INSIDIOUS DISEASE – das ist nicht einfach nur ein Projekt, sondern eine richtige Band. Projekt klingt immer so unseriös, so nach dem Motto: ein Album veröffentlichen und dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Wir sind auch schon drauf und dran, neues Material zu schreiben.
Ja, davon hat mir auch euer Sänger Marc Grewe sehr euphorisch im Interview berichtet.
Absolut, das sind wir, und wir werden jede Gelegenheit nutzen, mit INSIDIOUS DISEASE auch live aufzutreten.
Auf dem W:O:A 2009 wart ihr ja sozusagen der Überraschungshit.
Das war ziemlich cool, denn kaum jemand kannte die Band vorher, es sei denn durch Myspace oder ein paar Newsmeldungen in der Presse. Auf der Hauptbühne rockten MANOWAR, und bei uns standen an die 2000 Leute im Zelt und gingen tierisch auf die Musik ab. Natürlich wussten viele, wer da in der Band spielt, aber nur weil große Namen auf dem Etikett stehen, sagt das ja noch lange nichts über die Qualität von Musik.
Spätestens seit „Death Cult Armageddon“ fragen sich DIMMU BORGIR Fans, wann ihr endlich auf einem Soundtrack zu hören seit. Im Trailer von „Hell Boy“ hat man immerhin schon eure Musik verwendet.
Wir sind schon ein paar Mal gefragt worden, ob wir an solch einem Projekt Interesse hätten, aber einen Soundtrack zu schreiben ist etwas ganz anderes, als ein Album. Die Musik muss einem genauen Skript folgen, muss verschiedene Themen und Motive bedienen. Es wäre natürlich eine schöne Herausforderung für uns, aber wenn wir ans Musikmachen denken, dann denken wir in erster Linie an Songs, an Metal, und nicht an Filme.
Wir haben von einigen Stücken orchestrale Versionen aufgenommen, die bieten sich durchaus für düstere Filme an. Videospiele sind ebenfalls ein interessantes Feld für Musik wie unsere.
Die Uhr tickt, deshalb noch eine letzte Frage zu euren nächsten Touraktivitäten. Zusammen mit ENSLAVED und SAHG geht es bald auf die „Darkness Reborn“-Tour, desweiteren stehen einige Gigs mit KORN an. Das verursacht doch sicherlich wieder Magenschmerzen bei einigen wirklich ernsthaften Metalheads, oder?
Ja, aber ist doch ein logischer Schritt, wenn unsere Platte nun mal nach KORN klingt, haha. Ich denke, die Fans sind aufgeschlossen genug, egal von welcher Perspektive man es betrachtet.
Und wie sieht es mit den Jungs von KORN aus? Stehen die auf eure Musik?
Ich weiß auf jeden Fall, das Jonathan ein Fan von uns ist, und generell sehr angetan von norwegischem Black Metal ist. Es ist auch nicht das erste Mal, dass sie uns gefragt haben, nur sind beide Bands bisher zeitlich nie auf einen Nenner gekommen.
Ich meine, DIMMU BORGIR spielen mit XY, alle regen sich erstmal auf, dabei sieht das nur auf dem Papier so dramatisch aus. Wenn ich daran denke, wo und mit wem wir schon alles Shows gespielt haben, dann beunruhigt mich der Gedanke in keinster Weise. Wir sind schon auf Alternative-Festivals oder neben Pop-Bands aufgetreten und haben es überlebt.
Und außerdem besteht ja immer die Chance, dass euch jemand zum ersten Mal hört und zu einem neuen Fan wird. Ich nehme an, „Mourning Palace“ ist immer noch fester Bestandteil eurer Setlist.
Es geht einfach nicht ohne, nie.
Nie ohne die Bandhymne.
Ganz genau, haha.
Ok, Silenoz, dann noch einen schönen Tag, viel Spaß mit den weiteren Promoaktivitäten und einen erfolgreichen Start mit „Abrahadabra“!
Danke, den Spaß werd ich haben! Ich habe gerade noch 500 Poster signiert, dass ist ja auch kein schlechter Zeitvertreib.
„Abrahadabra“ erscheint am 24. September bei Nuclear Blast.
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