Dragony
Ein interessanter Konterpunkt zum weichgezeichneten Heimatfilm-Image von Sisi

Interview

Die österreichischen Symphonic-Metaller DRAGONY, schreiben die Geschichte der letzten Jahre der Habsburgermonarchie mit ihrem neuen Album „Viribus Unitis“ um! Diese verrückte alternative Realität mit Kaiser Franz Joseph I und Sisi ist musikalisch eingebettet in einer Art Rockoper, welche melodischen Power Metal mit Symphonic Metal kombiniert. Wir sprachen darüber mit Sänger Siegfried Samer.

Cover Artwork von DRAGONY - "Viribus Unitis"

Cover Artwork von DRAGONY – „Viribus Unitis“

„Viribus Unitis“ ist euer neues Album, ein durch und durch österreichisches Epos. Ihr kommt aus Österreich, euer neues Label Napalm Records ebenfalls, und die dem Album zugrundeliegende Geschichte verweist auf die Habsburgermonarchie. So wie der Titel übersetzt „Mit vereinten Kräften“, einst der Wahlspruch von Franz Joseph I. war. Wie wichtig war es euch, dass alles auf eure Heimat verweist?

Wir sind jetzt eigentlich gar nicht so die besonders heimatverbundene Band, sondern gerade als Power Metaller müssen wir sogar viel mehr über unsere Landesgrenzen hinausschauen, da unser Genre nicht unbedingt das in Österreich populärste darstellt! Aber nachdem wir auf das Albumkonzept und den Albumtitel gestoßen waren, hat sich vieles von selbst sehr gut zusammengefügt, und so ist letztlich unser neues Album zum wohl „österreichischsten Power Metal Album aller Zeiten“ geworden, haha!

Wie kamt ihr auf die Idee, ausgehend von der realen Historie von Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, seiner ermordeten Gattin Elisabeth, genannt Sisi, und deren gemeinsamen Sohn Kronprinz Erzherzog Rudolf eine alternative Geschichte zu spinnen? Wie seid ihr das Thema angegangen und wie hat sich die Geschichte im Laufe der Zeit entwickelt

Ich glaube, die Idee für das Albumkonzept kam uns in Miami, als wir 2019 dort waren, um bei der „70.000 Tons Of Metal“-Kreuzfahrt zu spielen. Am Vorabend zur Cruise waren wir noch ein bisschen in der Stadt unterwegs und haben das eine oder andere Kaltgetränk konsumiert, vielleicht war auch in dem einen oder anderen Alkohol drin, und irgendwann kam die Diskussion zum neuen Albumkonzept auf. Und ja, ich glaub es war dann unser Bassist Herb, der irgendwann die Idee vom Steampunk-Franz-Joseph hatte, und ihn „Cyberpunk Joseph“ nannte, weil das von den Silben her so wunderbar zu „Kaiser Franz Joseph“ passt… und tja, der Rest ist dann, wie man so schön sagt, Geschichte!

In eurer Geschichte werden viele wahre Begebenheiten mit alternativen Realitäten und mit Zombies verwoben. Wie habt ihr die Auswahl der geschichtlichen Größen wie zum Beispiel Nikola Tesla getroffen?

Da ja das Steampunk-Genre zu großen Teilen im selben Zeitraum angesiedelt ist, in dem auch die Habsburgermonarchie ihr Ende fand, wollten wir einerseits natürlich die ganzen retro-futuristischen technologischen Elemente einbauen, und da führt ja eigentlich kein Weg an Nikola Tesla vorbei, der ja auch heute noch so ein bisschen als fast mystischer Erfindercharakter gilt. Gleichzeitig wollten wir aber klarstellen, dass unsere Geschichte natürlich am Ende frei erfunden ist, und ihr den entsprechenden phantastischen „DRAGONY-Touch“ verpassen – und so kam dann die Magie ins Spiel, und diese wiederum in Gestalt von Harry Houdini. Interessant ist ja, dass sowohl Tesla als auch Houdini tatsächlich zur selben Zeit wie Franz Joseph, Sisi und Rudolf lebten, und so fügten sich die Puzzleteile dann sehr gut zusammen!

Wie wurde entschieden, welche übernatürlichen Kräfte in die Geschichte einfließen werden?

Ja einerseits wollten wir eben unbedingt den Charakter des „Cyberpunk Joseph“ in unserer Konzeptstory haben, und daher bot sich eine Art Steampunk-Rüstung von Nikola Tesla einerseits an, und um zu Kaisierin Elisabeth als eine Art „Kaiserin der Verdammten“ zu kommen, musste Schwarzmagie herhalten, die in unserer Geschichte durch Rudolf ausgeübt wird. Harry Houdini steht diesen Einflüssen dann quasi als guter Weißmagier entgegen. Letztlich ging es natürlich einfach darum, dass die Geschichte absolut „over the top“ sein muss – wir haben uns da von Filmen wie „Abraham Lincoln Vampire Hunter“, „Iron Sky“ oder „Inglorious Basterds“ inspirieren lassen, die mit ihrer Grundmaterie ja auch sehr „frei“ umgehen.

Das Bild von Sisi ist bei uns natürlich stark von den Filmen aus den Fünfzigern mir Romy Schneider geprägt. Wie findest du die Filme?

Haha die sind natürlich auch bei uns absoluter Kult! Ich denke, ich habe sie vor Jahren das letzte Mal gesehen. Letztlich zeichnen diese Filme natürlich auch nur ein reduziertes, einseitiges und auch ein bisschen verklärtes Bild von Elisabeth und Franz Joseph. Daher stellt dann unsere etwas absurde und dunklere Version der Geschichte einen interessanten Konterpunkt zum weichgezeichneten Heimatfilm-Image dar, wie wir finden. Letztlich freuen wir uns aber am meisten darüber, wenn sich Leute nun ein bisschen mehr für die echte Geschichte der Habsburger zu interessieren beginnen, und sich darüber mehr informieren wollen. Denn gerade in der heutigen Zeit ist es ja sehr wichtig geworden, Dinge wieder mehr zu hinterfragen und nicht alles aus sämtlichen Quellen gleich für bare Münze zu nehmen. Insofern schwingt da schon so ein bisschen ein Subtext auch bei uns mit, wenngleich wir sicherlich keine politisierende Band mit wahnsinnig sozialkritischen Inhalten sind; bei uns steht letztlich immer noch der Unterhaltungsfaktor an erster Stelle.

Natürlich muss man aufgrund der realen Basis die aber eine alternative Geschichte erzählt auch an Filme wie „Inglourious Basterds“ denken! Wenn ihr die Möglichkeit hättet die Geschichte filmisch umzusetzen, wer müsste Regie führen, und welche Schauspielerin könntest du dir für eure Version der Elisabeth vorstellen?

Ja stimmt, „Inlgorious Basterds“ habe ich ja auch bereits angesprochen! Hui also wenn ich freie Wahl hätte, würde mir denke ich Anne Hathaway als Elisabeth durchaus gut gefallen! Von der Regie her würde natürlich ein Quentin Tarantino da sicher gut kommen, haha! Und Christoph Waltz müsste auch dabei sein, vielleicht sogar als Franz Joseph?

Der einzige deutschsprachige Song ist ein Cover von Rainhard Fendrich „Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh’n“. Da es eine durch und durch österreichische Geschichte ist, warum hattet ihr nicht alles auf Deutsch gemacht? Inhaltlich geht es in dem Stück darum, dass es in Wien mehr als nur die klischeehaften Sehenswürdigkeiten gibt. Was sind eure Highlights in Wien?

Ich denke, das gesamte Album auf Deutsch hätte es schwierig für uns gemacht, unsere internationalen Fans abzuholen. Das haben ja bislang nur ganz wenige Bands geschafft, mit deutschen Texten wirklich auch außerhalb des deutschsprachigen Raums erfolgreich zu sein; spontan fallen mir da nur RAMMSTEIN ein. Es gibt zwar einige größere Mittelalter-Bands, bei denen das auch ganz gut geklappt hat, aber da definiert sich ja vieles auch über den sehr speziellen Sound und die authentischen Instrumente.

Für uns als klassische Power Metal-Band sind hingegen Märkte wie Lateinamerika/Südamerika, Japan, Italien, Spanien oder auch viele ehemalige Gebiete der Sowjetunion sehr interessant, und dort kommt man denke ich mit Englisch doch etwas weiter.

Aber ein Song auf Deutsch musste eben sein, und wir haben uns für Rainhard Fendrich entschieden, weil er speziell für mich einfach das Genre des „Austropop“ personifiziert und einer der erfolgreichsten Singer/Songwriter Österreichs und hier ein absoluter Superstar ist. Und der Song im Speziellen bot sich an, weil auch unsere Geschichte vornehmlich in Wien spielt, und wie du richtig sagst, der Song ja auch ein bisschen Werbung für Wien macht. Mein persönliches Highlight ist aktuell sicher das Schloss Schönbrunn, insbesondere nachdem ich seit ein paar Jahren ganz in der Nähe davon wohne und gerne mal einen Spaziergang hin mache!

Weiter finden wir auf dem Album noch die Klänge von „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss. Wie wichtig ist dieses Stück in Hinblick auf die damalige Zeit? Und habt ihr noch weitere klassischen Motive auf „Viribus Unitis“ verwendet?

Ursprünglich hatten wir angedacht, die „Kaiserhymne“ von Joseph Haydn als Intro für das Album zu verwenden – allerdings ist diese Melodie wie du wohl weist derzeit noch in Verwendung, und zwar mittlerweile als deutsche Nationalhymne! Insofern hätte das wohl für einiges an Verwirrung gesorgt, haha!

Wir haben uns daher dann für den „Donauwalzer“ entschieden, der wie ich meine eine der „österreichischsten“ Kompositionen überhaupt darstellt, und den wohl fast jeder auf der Welt irgendwie mit Österreich assoziiert. Und auch zeitlich passte der Donauwalzer letztlich super ins Konzept: er wurde nämlich im Jahr 1867 uraufgeführt. In demselben Jahr startet auch unsere Geschichte mit dem Song „Gods Of War“, der sich mit dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn thematisch auseinandersetzt und der ebenfalls 1867 stattfand und letztlich den Grundstein für den Niedergang des Habsburger-Reichs legte.

„Viribus Unitis“ ist ein sehr heimatverbundenes Album. Wollt ihr in der Richtung zukünftig weitermachen? Die österreichische Geschichte bietet ja viele Möglichkeiten…

Generell bietet die Geschichte, nicht nur die österreichische, viele Möglichkeiten! Aber da gibt’s ja schon einige Bands die das sehr gut und intensiv machen, man denke an SABATON, CIVIL WAR oder insbesondere auch unsere Landsmänner von SERENITY. Deren Sänger Georg Neuhauser, der übrigens auch als Gastsänger bei „Viribus Unitis“ dabei ist, ist ja Lehrbeauftragter für Geschichte an einer Universität in Österreich; der ist da absolut eine bessere Koryphäe für diesen Bereich als ich! Ich denke daher, dass „Viribus Unitis“ eher ein Ausreißer bleiben wird. Aber man weiß ja nie…

Das Cover passt natürlich perfekt. Von wem stammt es, und wen sehen wir dort außer Sisi und Franz Joseph noch?

Angefertigt hat das Coverartwork erneut Dusan Markovic aus Serbien, auch sehr passend zum Thema! Mit dem hatten wir auch schon für unsere vorigen Releases „Masters Of The Multiverse“ und „Lords Of The Hunt“ zusammengearbeitet haben. Und das Album zeigt die zentralen Charaktere der Story: Franz Joseph, Sisi, Nikola Tesla, Harry Houdini und natürlich Kronprinz Rudolf.

Wie lief es mit dem Songwriting? Was kam zuerst, Texte oder Musik, und wie hat sich beides entwickelt und ergänzt?

Bei uns entsteht meist die Musik zuerst; sobald dann bei einem Song die Gesangslinie feststeht, schreibe ich die Texte dazu. Klar ergänzt sich beides auch immer irgendwie, speziell bei einem Konzeptalbum wie „Viribus Unitis“, aber grundsätzlich ist das immer noch die Dynamik, der das Songwriting bei uns folgt.

Ihr hattet einige Gäste im Studio als auch Hilfe beim Songwriting. Erzähle bitte mal, wer was beigetragen hat!

Georg Neuhauser von SERENITY habe ich ja schon erwähnt, sein Gastauftritt als Kaiser Franz Joseph im Song „A.E.I.O.U.“ war ja schon längst überfällig bei uns, zumal wir ja auch schon über ein Jahrzehnt befreundet sind. Wir haben das erste Mal glaube ich 2009 gemeinsam mit SERENITY einen Gig gespielt, damals noch unter unserem alten Bandnamen! Daher war ein Gastauftritt schon lange geplant, und diesmal hat es endlich geklappt!

Ein weiteres Highlight ist der Song „Gods Of War“, der von Tommy Johansson (SABATON, MAJESTICA) und seinem Songwriting-Partner Tomas Svedin von ihrem gemeinsamen Projekt SYMPHONY OF TRAGEDY geschrieben wurde. Ich fand deren Songwriting nämlich sehr gut, und nachdem ich Tommy schon etwas länger kenne aus meiner Zeit bei VISIONS OF ATLANTIS, habe ich dann bei den beiden angefragt, ob sie nicht Interesse hätten, einen Song zu unserem Album beizusteuern. Glücklicherweise hatten die beiden dann eben diesen Song gerade in Arbeit, und waren großzügig genug, ihn uns zu überlassen – und er gefiel uns letztlich so gut, dass er auch zum Album-Opener und zur ersten Single wurde!

Und schließlich sind auch noch mein Nachfolger bei VISIONS OF ATLANTIS, Michele Guaitoli und seine Partnerin Alessia Scolletti, beide ebenfalls bei TEMPERANCET in Diensten, als Backing-Vocalisten dabei, und auch Michele hat einen Song zum Album beigesteuert: „Love You To Death“.

Was habt ihr in nächster Zukunft geplant?

Naja, derzeit ist es auf Grund von Covid-19 ja noch etwas schwierig, große Pläne zu schmieden. 2021 wird daher wohl sehr spontan werden bei uns. Zwei Festivals wären zumindest planmäßig bestätigt, das Metal Frenzy in Deutschland und das Rock Castle Festival in Tschechien; wir werden sehen, ob die auch stattfinden können. Sollte sich noch die eine oder andere Tour im Herbst ergeben, wäre das natürlich super. Ansonsten peilen wir eher eine sicherere Tour im Jahr 2022 an, und da wir in diesem Jahr auch unser 15jähriges Bandbestehen sowie das 10jährige Jubiläum der Veröffentlichung unseres Debütalbums „Legends“ feiern werden, arbeiten wir auch hinter den Kulissen mit Hochdruck bereits an einer ganz besonderen Aktion für diese Jubiläen. Aber dazu gibt’s etwas später mehr Details, haha!

Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!

Vielen Dank ebenso! Ich hoffe, die Leute haben genauso viel Spaß mit „Viribus Unitis“ wie wir ihn hatten beim Aufnehmen der Platte. Und wir hoffen natürlich, auch bald wieder live unterwegs sein zu können, um die neuen Songs auch ordentlich live präsentieren zu können! Bis dahin, bleibt gesund und macht’s gut!

Galerie mit 15 Bildern: Dragony - Metal Hammer Paradise 2022
12.01.2021

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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