Esoterica
Interview mit Tobias & Luke Keast

Interview

Besser als die Chartbreaker: ESOTERICA gehören unbestritten zu den besten Newcomern im Alternative Rock, die nicht nur Großbritannien sondern die ganze Welt gesehen hat – und das, obwohl sie gar nicht mehr so „new“ sind. Nach ihrem großartigen Debüt hat die selfmade-Band nun mit „The Riddle“ eindrucksvoll nachgelegt. Grund genug für ein erstes Gespräch mit den Brüdern Tobias und Luke Keast.

Esoterica

Seid gegrüßt! Euer neues Album „The Riddle“ kam nun vor einigen Wochen auch hierzulande raus, bei Euch erschien es ja schon im September des vorigen Jahres. Die Releaseparties sind also vorbei, der ersten tausend Exemplare hoffentlich verkauft, und sicherlich sind eine ganze Menge Reaktionen eingetrudelt. Was für einen Eindruck hast Du zur Zeit, jetzt wo sich die ganze Aufregung wieder etwas gelegt hat?

Reviews interessieren mich eigentlich nicht besonders, weil ich es mir ziemlich schwer vorstelle, bei sowas objektiv bleiben zu können. Ich weiß, dass ich bestimmte Musikrichtungen mag, und wenn ich nun über etwas schreiben sollte, was nicht so meinem Geschmack entspricht, wäre es selbst bei allem technischen Verständnis, was ich durch meine langjährige Studioerfahrung mitbringe, ziemlich schwer. Der Leser braucht nicht unbedingt ein Magazin, sondern einen Kritiker, der den gleichen Geschmack wie er hat.
Die beste Anlaufstelle für Kritik sind bei uns die Fans – egal ob sie etwas lieben oder hassen, wir kriegen es ziemlich schnell mit! Momentan fressen sie uns aus den Händen, deshalb arbeiten wir bereits an einem neuen Album.

Gab es irgendwelche Kritiken, die euch überrascht haben? Wie kritisch seid ihr als Band eigentlich euch selbst und dem Album gegenüber?

Das wissen vielleicht die anderen. Es gab so einige Probleme mit der Produktion, die wir auf dem Nachfolger verbessern wollen, aber für das erste Mal bin ich wirklich stolz auf unser Ergebnis.

Unglücklicherweise seid ihr hier in Deutschland noch relativ unbekannt. Um das zu ändern, machen wir mal den obligatorischen Rundgang durch die Bandgeschichte. Wenn ich also bitten darf…

Ok, also die Band, das sind Luke, Bari, Matt, Laura und meine Wenigkeit. Es ging los, als ich noch in der Schule und gerade unterwegs in Afrika war. Ich wollte eigentlich nie in einer Band sein, aber das hat sich dann so ergeben. Wir haben uns förmlich um die Auftritte gerissen, jede Gelegenheit ergattert, um auf einer Bühne zu stehen, und gleichzeitig haben wir immer wieder geprobt, um uns zu verbessern. Schon bald waren wir auch besser als all die Bands in den Pubs und Clubs.

Wir begannen dann, ein Album zu schreiben, trafen wenig später auf John Fryer, der für uns ein großartiger Tutor und Produzent war. Ich werde nie vergessen, wie wir ungefähr die Hälfte des Gesanges von „The Fool“ aufgenommen hatten – und ich dachte bis dahin, ich könnte singen! – als John plötzlich sagte: „Na endlich hast du mit dem Singen angefangen…“ Das war erstmal ein ziemlicher Tiefschlag, aber auch ein Kompliment. Wir haben dann alles nochmal von vorne aufgenommen, aber das war es wert!
Wir sind mit HIM aufgetreten, waren auf einigen Festivals wie dem Bloodstock. Ich dachte, die Leute schlachten uns dort, weil wir total anders waren als die restlichen Bands, aber viele Leute meinten danach sogar, wir seien die beste Band dieses Festivals gewesen. Ein Auftritt auf dem Download Festival folgte wenig später, dann kam „The Riddle“ und kurz darauf hatten wir sehr viel Glück: Unser Agent, der uns den Platz beim Download verschafft hatte, konnte uns als Support für die MARILYN MANSON Tour gewinnen! Eine Woche vorher bekamen wir Bescheid und unsere Ausrüstung war in einem desolaten Zustand. Es war eine wahnwitzige Eile, alles zu schaffen, und auch dieses Mal wussten wir nicht, wie die Menge auf uns reagieren würde. Ich stand hinter der Bühne und wusste nur zu genau, was Manson-Fans mit Bands machten, die sie nicht mochten. Ich musste sie genau in dem Moment erwischen, in dem ich auf die Bühne kam, und so machte ich es dann auch… Die Tour und alles drumherum war ein Traum, es war bis dahin einfach das Beste, was mir in meinem Musikerleben passiert ist. Es gibt keinen besseren Weg, um dazuzulernen.
Diesen Sommer stand dann zum zweiten Mal das Download-Festival an. Zwei Mal hintereinander sei eher ungewöhnlich, habe ich mir sagen lassen… aber wie ich schon in einem Radiointerview sagte: Offenbar sind war gar nicht mal so schlecht.

Das war die Kurzfassung…

Was bedeutet euch der Name „Esoterica“?

Für uns schließt der Name alles ein, was man mit „esoterisch“ verbinden kann… es ist wie ein Kult, nur was für Eingeweihte, etwas Ungewöhnliches oder Seltenes. Ich denke, das alles passt sehr gut zu uns.

Auf meinem persönlichen Radar seid ihr vor gut zwei Jahren aufgetaucht, als Bieler Bros. euer Debüt neu aufgelegt haben – welches mich förmlich umgehauen hat. Ihr habt den Lobessang schon oft genug gehört, aber auch für mich war das damals eines der vielversprechensten Alternative Rock Alben des Jahres. Ich habt das 2005 auf John Fryers kleinem Label zuerst veröffentlicht, wenn ich richtig informiert bin…

Wir haben dieses Label mit John Fryer ins Leben gerufen, und dann auch das Album veröffentlicht. So richtig in Fahrt kam das allerdings erst, als sich Bieler Bros. eingeschaltet haben. Wir haben in diesen Jahren sehr viel gelernt, vor allem über die geschäftliche Seite der Musik. Man glaubt gar nicht, was man alles wissen muss, um ein Label zu betreiben.

Wie war es denn, mit so einem erfahrenen Produzenten zusammenzuarbeiten?

Es war eine absolute Ehre, mit dieser Legende zu arbeiten, der u.a. das erste NINE INCH NAILS Album produziert hat, der DEPECHE MODE aufgenommen hat, und so viele andere tolle Künstler auch. Es war sehr fordernd damals, soll heißen, wir arbeiteten wirklich hart und sehr diszipliniert, folgten jedem seiner Worte und lernten unheimlich viel über den Aufnahme- und Produktionsprozess. Ich glaube schon, dass wir ihm eine ganze Menge zu verdanken haben.

Wenn du es mal im Rückblick betrachtest – wie hat euch die Arbeit mit John beeinflusst und geprägt?

Er war ohne Frage ein großer Einfluss für uns, hat uns alles beigebracht, was wir heute wissen, all das know-how und die kleinen Tricks, um alles ein bisschen größer und besser klingen zu lassen. Er ist ja auch ein hervorragender Techniker im Studio.

Esoterica

Diese Frage geht an Dich, Tobias, denn Du trägst einen ziemlich großen Anteil an den ganzen Vergleichen mit A PERFECT CIRCLE und TOOL. Wie oft hast Du denn schon den Vergleich mit Maynard J. Keenan hören müssen? Das nervt doch auf Dauer, oder?

Nicht wirklich, Keenan ist ein großartiger Sänger. Meine beste Leistung hab ich auf dem neuen Album, denn ich habe jetzt das Gefühl, genau auf meinem persönlichen Höchstlevel zu stehen. Nun arbeite ich auf’s nächste Ziel hin: der beste Sänger meiner Generation zu werden.

Was hälst du von derlei Vergleichen mit großen Namen? Ist das gut, wenn es um die Promotion der eigenen Band geht, oder wird man dadurch nicht eher in einer Schublade gedrängt? Seht ihr euch als waschechte ‚alternative rock‘-Band oder etwas anderes?

In unserem Fall war das wirklich hilfreich, aber andererseits wurde uns auch erzählt, dass viele Leute aus der Musikindustrie nicht so recht wissen, wo sie uns einordnen sollen, was schon ein Problem ist. Wir könnten mit SNOW PATROL oder SLIPKNOT auftreten – lustigerweise sind es nur die Prog-Magazine, die scheinbar kein Problem mit den Schubladen haben.
Ich würde mal sagen, wir sind vor allem „unusual rock“. Unsere Alben sind, um es in den weisen Worten von Forrest Gump zu sagen, „wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt“!

Was zählt ihr denn zu euren größten musikalischen Einflüssen?

Da gibt es einfach zuviele… spontan würde ich mal sagen: RAMMSTEIN, JEFF BUCKLEY, NIRVANA, KORN, MARILYN MANSON, BRAKING BENJAMIN, RED, SEVENDUST, PORTISHEAD, MASSIVE ATTACK… jeder in der Band mag was anderes, von NEWTON FAULKNER bis hin zu PARAMORE.

Nach einem solch großartigen Debüt wie „The Fool“ sollte man meinen: John Fryer und ESOTERICA, das ist ein starkes Team! Aber ihr seid für „The Riddle“ einen anderen Weg gegangen und habt die Produktion des Albums kurzerhand selbst übernommen. Warum?

Wir hatten einfach keine Wahl, weil wir nicht bei einem Majorlabel unter Vertrag stehen. Wir standen mit ein paar echt tollen Leuten in Kontakt, die mit uns arbeiten wollten – aber deren Manager wollten mehr Geld, als wir uns leisten konnten. Vielen Leuten ist gar nicht bewusst, dass in die Bands, die unter Vertrag stehen, eine ganze Menge Geld investiert wird. Wir erreichen nahezu das Gleiche mit einem Bruchteil dessen – wo eine Band meinetwegen 10 000 Euro bekommt, haben wir nur 250 übrig. Ich habe mich mit einigen Leuten unterhalten, die fast nicht glauben konnten, was wir quasi aus dem Nichts erschaffen. Sowas verschafft dir Respekt.

Wofür standen ESOTERICA mit „The Fool“ und wofür stehen sie jetzt mit „The Riddle“?

Jedes Musikstück, das wir schreiben, ist ein Moment, festgehalten in der Zeit, und „The Fool“ fasste eine Menge von dem zusammen, was uns damals umgab, was in unseren Leben geschah. Auf „The Riddle“ gibt es diese Ebene immer noch, nur versuchten wir auch, das Album noch ein Stück tiefgründiger zu machen. Eine Art interaktives Album, das du als Rätsel betrachten kannst. Wenn du das Rätsel löst, wird das Album noch größer…

Soweit ich weiß, habt ihr das Album auch in Eigenregie veröffentlicht. Gab es nicht genug interessierte Labels, oder wolltet ihr einfach kein Stück Verantwortung aus der Hand geben?

Es gab Angebote, aber die waren sozusagen ihr Papier nicht wert. Wir wissen, was wir draufhaben, und wie wenig uns im Gegensatz dafür geboten wird. Solange uns also niemand ein wirklich ernstgemeintes Angebot zukommen lässt, kann uns das herzlich wenig interessieren.

Die Single „Silence“ war der erste neue Song des Albums, der an die Öffentlichkeit drang. Warum habt ihr euch für das DELERIUM-Cover entschieden?

Wir wollten schon immer einen der vielen Songs, die wir lieben, auf unsere Weise verändern. Als wir ein paar unserer Favoriten durchgingen, kamen wir dann auf „Silence“. Es war solch eine Ehre, als uns Bill Leeb kontaktierte und mitteilte, wie sehr er unsere Version mochte – einfach irre!

Für „Silence“ und auch für „Tomorrow I Won’t Remember“ habt ihr Clips gedreht. Wie wichtig sind Videoclips für euch persönlich, vor allem in einer Zeit, in der einst große Musiksender wie MTV zu reinen Dauerwerbesendungen und Mainstreamverblödungskanälen verkommen sind?

Wenn du nix für’s Fernsehen machst, spielt dich kein Radiosender, und umgekehrt läuft’s genauso. Man muss einfach alles mitmachen, Tour, TV, Radio, Magazine, Internet… nur so können kleine Bands auch wirklich ‚airplay‘ bekommen. Denn überleg mal: Warum sollten sie uns überhaupt spielen, wenn sowieso die nächstbeste, mit Geld aufgeblasene Majorband in den Startlöchern hockt?

Ich behaupte jetzt einfach mal, dass ihr eine betont Fan-orientierte Band seid, jedenfalls macht ihr den Eindruck, dass ihr genau wisst, was euch die Fanbasis bedeutet. Was bedeuten euch diese Menschen und ihre Hingabe zu eurem Schaffen? Seid ihr sehr aktiv in den angesagten sozialen Netzwerken?

Wir stehen stets und ständig mit unseren Fans in Kontakt, ganz persönlich und vor allem auf Facebook. Dort sind wir am aktivsten, weil sich dort auch ein Großteil unserer Fans zu Wort meldet. Wir haben echt die besten Fans der Welt, sie sind alle so herzlich und freundlich, wenn wir unterwegs sind. Wir versuchen auf Konzerten immer, soviel Zeit wie möglich für sie zu finden, entweder vor dem Gig oder danach.

Wie war denn die Tour mit MARILYN MANSON und HIM, gibt es irgendwelche aufregenden Geschichten zu erzählen? Welche Eindrücke habt ihr aus Deutschland mitgenommen?

Deutschland war fantastisch, wir waren ja gleich zwei mal dort, einmal mit MARILYN MANSON und einmal auf unserer kleinen Headliner-Tour. Tolle Leute, großartiges Publikum. Mit Manson unterwegs zu sein, war unglaublich. Ich meine, das ist jemand, mit dessen Musik du aufgewachsen bist, und dann trifft er dich zum ersten Mal, sagt nicht mal Hallo und beißt dir in den Bauch! Unseren Rider hat er auch geklaut, hehe. Aber Manson und Band waren total freundlich. Er hat uns alles über Absinth und ne Menge interessanter Geschichten erzählt, auch die anderen waren cool drauf, z.B. auch Chris Vrenna, selbst ja schon irgendwie eine Legende.

Gibt es schon Planungen für eine neue Tour, oder erholt ihr euch noch vom Auftritt auf dem Download-Festival?

Wir sind stark beschäftigt, so wie immer, und unser Agent bemüht sich schon um neue Auftrittsgelegenheiten. Wann immer wir etwas Neues haben, auf unserer Website stehen die neuesten Daten!

So, das soll’s dann auch für heute gewesen sein. Luke und Tobias, vielen Dank für das Interview! Schönen Gruß an den Rest der Band!

10.07.2010

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