Melechesh
Melechesh

Interview

Vier Jahre nach "Emissaries" melden sich MELECHESH mit "The Epigenesis" zurück, einem Album von immenser Dichte, Dynamik und Vielfalt. Da wurde es Zeit, sich mit Bandkopf Ashmedi, der für seinen Interview-Marathon extra in die Nuclear-Blast-Zentrale nach Donzdorf gereist ist, am Telefon einmal ausgiebig über die Dinge zu unterhalten, die seine Musik, seine Texte und sein eigenes, ereignisreiches Leben prägten. Dabei schweiften wir jedoch so einige Male ab und mussten unser Interview aufgrund des Zeitdrucks leider vorzeitig abbrechen. Ergiebig war es jedoch allemal, also lest selbst, was Ashmedi zu berichten hatte!

MelecheshHallo?

Hi Yannick, hier ist Ashmedi von Melechesh!

Hi, wie geht es dir?

Oh, sehr gut, danke dir! Und dir?

Ebenso! Du bist nun also auf einer Promotour?

Ja, ich bin jetzt in Deutschland.

Wie fühlt es sich an, dein neues Material so einem breiten Publikum vorzustellen?

Es ist aufregend! Ich meine, wir bekamen gutes Feedback für unser vorheriges Album und mussten das übertreffen. Und wir sind jetzt bei einem größeren Label, insofern ist es im Moment wirklich spannend.

„The Epigenesis“ ist das erste Album, das ihr über Nuclear Blast veröffentlicht. Was versprecht ihr euch von einem so großen und vielversprechenden Label wie Nuclear Blast?

Naja, meine Erwartungen sind realistisch. Ich möchte meine Musik machen, wir haben eine Fanbasis, und wir möchten all das ausbauen. Je mehr Leute die Musik hören, desto mehr Leute könnten sie auch zu schätzen wissen. Mit einem größeren Label haben wir die Möglichkeit, die Musik, für die wir so hart arbeiten, mehr Leuten nahezubringen, so dass sie von mehr Leuten genossen werden kann.

Klar. Aber es gibt eine Menge Leute, die so etwas als kommerziell bezeichnen. Du weißt schon, was ich meine…

Ich weiß nicht… ich denke nicht, dass es kommerziell ist. Kommerziell ist so etwas wie LIMP BIZKIT, die verkaufen Millionen von Tonträgern. Was wir machen, spielt sich auf einem ganz anderen Level ab, das ist nicht kommerziell. Das ist einfach nur Erfolg.

Du hast vollkommen recht, aber es gibt da einfach so ein paar Leute, vorallem im Netz, die über solches Zeug diskutieren.

Lassen wir sie einfach machen.

Genau! Lass uns über deine Musik reden, das macht mehr Freude. Ihr habt vier Jahre damit verbracht, am neuen Material zu arbeiten. Gab es irgendwelche größeren Schwierigkeiten während des Prozesses? Ich frage deshalb, weil es so lange dauerte.

Ich hatte ein paar persönliche Schwierigkeiten, aber nicht mit der Musik an sich. Erst einmal musst man sich klar machen, dass wir eine Menge Liveauftritte gespielt haben. Das kam natürlich dem Prozess in die Quere. Die erste Tour wurde gestrichen, also machten wir unsere Tour erst ein Jahr nach der Veröffentlichung von „Emissaries“. Und dann all die Festivals davor und hinterher. Wir kamen einfach nicht zur Ruhe, und ich mag keine Eile. Manchmal will man einfach nur die Musik in sich aufnehmen und die richtigen Schwingungen spüren. Ich will nämlich nicht das alte Material wiedererschaffen. Und ich hatte ein paar persönliche Herausforderungen, ich machte meinen Master Of Business Administration, der ziemlich schwierig zu machen ist mit all den Konzerten, ganz zu schweigen von der Arbeit am neuen Album. Ich musste das also erst abschließen.

Ziemlich schwierig, das alles zu schaukeln. Deinen Job, die Musik… Das kostet eine Menge Zeit.

Ja, es kostet eine Menge Zeit, ich meine, die letzten paar Jahre war die Musik mein Job, aber jetzt musste ich meine Ausbildung auch einmal abschließen. Die persönlichen Herausforderungen waren ziemlich groß und es gab Veränderungen in meinem Leben. Außerdem ist es so, dass du um so mehr verschiedene Schwingungen auf dem Album hast, je mehr um dich herum vorgeht. Und das war so. Aber ich mache auch eine Menge selbst, und das kostet wirklich Zeit. Zum Beispiel die Schlagzeugspuren zu komponieren. Ich komponiere die Parts für das Schlagzeug, den Großteil der Gitarren und kümmere mich um die Produktion der Musik im Allgemeinen. Das kostet viel Zeit.

Ich würde sagen euer Hauptmerkmal ist, wie ihr orientalische Harmonien in diesen mystischen Black-Metal-Sound einbettet und einen Hauch von von Thrash, orientalischer Folklore und ambientalen Sequenzen hinzumischt. Was sind deine musikalischen Haupteinflüsse, besonders, was die folkloristischen Passagen anbelangt?

Ich höre eine Menge traditionelle Musik, wie nahöstliche, persische, afghanische oder indische meditative Musik. Aber selbst dort wissen die Leute meist nichts davon. Sufi-Musik ist ein wenig bekannter, aber bestimmte Formen persischer und indischer Musik weniger, obwohl sie sehr inspirierend sind. Sehr schwer und düster. Sie sind dazu geschaffen, Leute bei der Meditation zu unterstützen, und spirituelle Erleuchtung zu vermitteln. Sie stellen keine fröhliche Party-Musik dar. Ich ziehe aber auch Inspiration aus traditioneller Rockmusik oder 70er Jahre Psychedelic. Sie alle spielen eine Rolle dabei, den neuen MELECHESH-Sound mitzugestalten. Das sind, ehrlich gesagt, die Haupteinflüsse. Ich höre nicht so viel Black Metal, aber ich mag die guten, alten Thrash- und Heavy Metal Bands, wobei ich da immer noch das gleiche Zeug höre. Ich hoffe, dass ich immer neue, gute Musik entdecke, was für mich sehr schwierig ist, weil… keine Ahnung, weil ich’s einfach nicht drauf habe (lacht) Aber die Inspiration kommt aus meinem Kopf, im Ernst.

Das ist gut, weil es den Horizont öffnet.

Absolut! Man entwickelt sich dabei als Musiker und vermeidet Stagnation. Man geht weiter!

Die Produktion eures neuen Albums ist sehr gut! Wo habt ihr „The Epigenesis“ aufgenommen und produziert?

Wir gingen nach Istanbul, in die Türkei, und haben es dort aufgenommen. Wir wollten das unbedingt tun, aber es war ein großes Risiko. Aber mein Motto, ich glaube, es war von Richard Benson, einem Mann, den ich sehr bewundere, ist: „Eines der größten Risiken ist es, Risiken nicht anzunehmen“. Die Aussage ist klar. Ich liebe es, aber es bedeutet nicht, einen Berg hinauszuspringen und „ein Risiko einzugehen“ (hierbei verstellt Ashmedi seine Stimme zu einem unterhaltsamen Tonfall). Du musst darüber nachdenken und auch schlau sein. Wir gingen in die Türkei, ich reiste dort Ende Juli hin um die Gegend zu besichtigen, weil es sehr multikulturell ist. Es ist der Zusammenstoß von Osten und Westen im wahrsten Sinne des Wortes. Das war es schon jahrhundertelang. Die traditionellen Instrumente und die Musik dort sind großartig, aber auch die Heavy-Metal-Szene und das ganze Rockgeschehen dort ist großartig, es gibt eine Menge Bars und Läden, man fühlt das wirklich. Die Architektur ist großartig, die Leute lieben Musik, aber es gibt auch ein besonderes Phänomen dort. In den 60ern fingen sie an Rock im östlichen Stil zu spielen, eine Art Psychedelic. Einer der Typen ist 67 Jahre alt, einer der Erfinder des „Anatolian Rock“, wie sie es nennen. Er spielt ein traditionelles Instrument. Es ist insofern sehr fortschrittlich. Wir dachten: lasst uns die Normen übertreten, lasst uns mit den Klischees brechen! Jeder möchte in die westlichen Studios reisen. Ich meine, es gibt da ja auch eine Menge gute Studios. Wir haben das auch getan, und bekamen auch diesmal Angebote von all den Studios. Wir sagten „Lasst uns etwas neues probieren!“. Also fing ich an, nach Studios zu suchen, aber ich konnte keines finden. Aber dann fand ich eines, dass ich wahrsten Sinne des Wortes eben gebaut worden war. Ich besuchte es, als es noch gebaut wurde, sie sagten, sie würden zu diesem Datum bereit sein. Also machten wir es. Das war das größte Risiko, das ich einging. Ich hatte viele Treffen und mir wurde alles versichert, sehr professionell. Wir setzten uns also zusammen und beschlossen, das Album dort aufzunehmen und ich verbrachte dort etwa drei Monate. Ich musste nur eine zehn Tage Weg, weil ich für ein Konzert nach Amerika musste. Drei Monate Aufnehmen, Mischen, Produzieren… Ich war dort die meiste Zeit allein, eine Woche war mein Gitarrist da, zwei Wochen mein Schlagzeuger und ein Woche mein Bassist. Sie kamen alle etwa zur selben Zeit. Aber den Rest der Zeit war ich allein da und arbeitete mit den Jungs im Studio. Es war eine echt tolle Erfahrung!

Ich denke, es ist eine sehr inspirierende Stadt.

Absolut! Das Essen dort ist übrigens großartig! Aber ja, die Stadt selbst ist sehr inspirierend. Wenn du müde bist, kannst du irgendwo hingehen und dich hinsetzen, bei wunderschönem Ausblick. Oder wenn du willst kannst du einfach in eine Rock’n Roll- oder Heavy-Metal-Kneipe gehen. Es sind große Wegstrecken, weil es eine riesige Stadt mit 12 Millionen Einwohnern ist, und das Studio liegt mitten im Zentrum.

Mal ganz nebenbei: Denkst du, die Türkei sollte der EU beitreten?

Nein. Es ist schon möglich, es gibt dort nämlich eine Menge westlich orientierter Türken, oder nicht einmal unbedingt westlich orientiert, das sind sie nicht mal zwangsläufig. Es gibt Türken in Istanbul die sehr fortschrittlich und modern sind und auch weit besser gebildet als viele Leute, die ich in Amsterdam sehe. Was für eine Überaschung (Ironie). Vorwärtsgerichtete Leute, sehr aufgeschlossen, und zwar Millionen davon. Aber es gibt auch Millionen von Leuten in den isolierten Teilen der Türkei, die ein ganz anderes Weltbild haben. Das sind zwei ganz verschiedene Menschenschläge. Die einen, wie in Istanbul oder Ankara haben es echt schwer, mit diesen anderen Leuten zu kommunizieren! Und genau das sind die Leute die dazu neigen, ihre Gegenden zu verlassen, weil sie sehr arm sind. Aber wenn die Leute nicht arm sind, sondern gebildet, und in diesen Gegenden leben, schauen sie, dass sie so schnell wie möglich wegkommen. Die Regierung reagiert sehr demokratisch, aber bedenke einmal, dass es dort im Grunde keine Pressefreiheit gibt! Youtube zu verbieten ist nicht demokratisch! Die Regierung überwacht das ganze Netz und die öffentlichen Medien. Insofern denke ich durchaus, dass die Türkei einmal der EU beitreten kann, aber sie braucht noch etwas Zeit, um sich zu entwickeln und zu festigen.

Du schreibst den Großteil der Musik, richtig? Wie sind die anderen in den Songwriting-Prozess involviert?

Ja, ich schreibe das meiste selbst. Man muss ja auch sehen, dass wir alle relativ weit auseinander leben. Mein Gitarrist beispielsweise lebt in den USA. Der einzige, mit dem ich mich regelmäßig zu Jam-Sessions treffe, ist mein Schlagzeuger. Aber dort ist es weniger so, dass wir neue Musik schreiben. Wir üben einfach das Zusammenspiel und genießen die Musik. Um die Musik selbst kümmere hauptsächlich ich mich.

Ich schätze, es gibt ein Konzept hinter deinem neuen Album. Du betontest ja häufig, dass dir die Lyrics sehr wichtig sind. Könnten du ihre Inhalte grob umreißen?

Es sind Fragmente aus orientalischer Mystik und Mythologie, mit sumerischen, akkadischen, assyrischen und babylonischen Einflüssen. Ich beschäftige mich darin hauptsächlich mit philosophischen Fragen und Themen wie der Erleuchtung, spirituellem Aufstieg und derlei Gebieten, wobei ich versuche, Parallelen herzustellen.

Deine Lyrics sind sehr ausgearbeitet und es ist nicht schwer, zu erkennen, dass du eine Menge Zeit in sie investierst. Woher nimmst du all das Wissen über orientalische Mystik, Mythologie und diese Themen?

Ach, weißt du, manche Leute interessieren sich für Mathematik, und ich interessiere mich eben für solche Dinge. Ich bin eher der Typ der gerne liest, sich für Kultur und Reisen interessiert, aber auch für Dinge wie Surfen oder Tauchen! Es ist einfach in mir und bereichert mich, mich mit diesen Themen und der dazugehörigen Literatur zu beschäftigen.

Haha, ich verstehe das nur zu gut! Ich mag auch keine Mathematik!

Eben, zu manchen Sachen hat man einfach einen besonderen Zugang, und ich denke, das ist auch bei den Lyrics der Fall.

„Epigenesis“ ist eine altgriechische Beschreibung für eine spätere Veränderung und sehr eng mit dem Gedanken der Evolution verknüpft. Wie bezieht sich das auf MELECHESH und das Album?

Ja, es handelt sich hier um Gedanken wie Evolution, Weiterentwicklung, spirituellen Aufstieg oder Erleuchtung. Das ist das, was mich und MELECHESH schon immer ausgemacht und vorangetrieben hat. Ich behandle auf diesem Album mythologische Themen, die irgendwie mit diesem Gedanken in Verbindung stehen.

Lass uns über einige deiner kryptischen Songtitel reden! Die Stadt Nineveh liegt im heutigen Irak, Ghoule sind Fabelwesen, die sich an Leichnamen laben, eine Art Dämonen, die auch Schriftsteller wie H.P. Lovecraft gerne in ihren Geschichten verwendet haben. Handelt „Ghouls Of Nineveh“ von irgendeiner Legende oder ist es eine Geschichte, die du erfunden hast?

Die Ghouls von Nineveh sind im Grunde genommen die verbliebenen Geister Assyriens, das ja nicht mehr existiert. Aber sie sind immer noch dort. In den Ruinen und in der Kultur sind sie immer noch präsent. Somit handelt das Lied von der Fortexistenz nach dem Tode und vom Drang, durch eine Kraft wie den Tod weiter zu existieren.

„The Greater Chain Of Being“ ist ein ziemlich meditatives Lied mit einer beklemmenden, spirituellen Aura. Ich vermute, der Titel bezieht sich auf die Bezeichnung „the great chain of being“, die eine göttliche Hierarchie bezeichnet, wie man sie beispielsweise während des Absolutismus propagierte, eine Art perfekte Ordnung. Aber was ist dann diese „größere Kette“, diese gleichsam perfekte Ordnung, von der du schreibst?

Erst einmal muss ich klarstellen, dass der Song eigentlich „A Greater Chain Of Being“ heißt, aber irgendwie hat sich da bei der Übergabe der Titel ein Fehler eingeschlichen, so dass der Song jetzt offiziell einen falschen Namen hat (lacht). Nun ja, wir hatten es ja bereits mit der Thematik des Aufstiegs. Es ist wie auf einer Treppe, die man Stufe für Stufe zur Erleuchtung und zu erweitertem Bewusstsein hinaufsteigt. Genau das repräsentiert diese „größere Kette“, vielleicht einfach das Leben selbst? Das ist dann wieder ein metaphorischer Titel.

Okay, wir haben uns jetzt eine Menge über deine Songtitel unterhalten, aber ich denke, sie sind definitiv eine nähere Betrachtung wert. Du mischt orientalische Folklore, griechische Philosophie und Mystik und sogar biblische Einsprengsel. Du stimmst sicher mit mir überein, dass es eine eher verwirrende Mischung für den durchschnittlichen Hörer ist.

Ich glaube nicht, dass wir griechische Philosophie verwenden. Im Grunde ist Philosophie einfach Philosophie, und nur weil es viele griechische Philosophen gab ist es noch keine griechische Philosophie. Sie philosophierten nämlich über universale Themen, es war nicht regional gebunden. Sei dir dessen bewusst, dass eine Menge davon aus sumerischen und mesopotamischen Anschauungen übernommen wurde. Es ist eine große Kette der Ereignisse (lacht). Aber unsere Philosophie ist rein nahöstlich und es ist als ob man sagen würde „Ihr tut so, als wärt ihr eine Technoband im japanischen Stil, weil euer Equipment in Japan gemacht wurde“. Weißt du, was ich meine? Das Equipment ist für die Welt gemacht. „The Epigenesis“ ist ein großes Konzept, über das unter anderem auch ein paar griechische Philosophen sprachen. Man sollte sich das klar machen. Ich mag griechische Mythologie und griechische Philosophie, aber unsere Perspektive ist durch und durch nahöstlich, sumerisch, kabbalistisch, mesopotamisch.

Glaubst du, dass Leute heutzutage nicht genug über ihre kulturelle Identität nachdenken? Und was für eine Rolle spielen Kultur und Traditionen für dich als Person?

Ich weiß nicht. Ich mag es nicht, über die Kultur an sich zu sprechen, denn die Kultur verändert sich stets mit der Zeit. Es existieren beispielweise noch Assyrier, aber sie sehen sich selbst als orthodoxe assyrische Christen. Sie haben vergessen, was sie sein sollten. Meine Familie hat einen assyrischen Hintergrund, es sind Assyrier und Armenier in meiner Familie, aber sie sind glücklicherweise nicht religiös, sie sind nur „normal“. Man sollte sich dessen bewusst sein, dass Kultur im breiteren Sinne sich verfärbt und manchmal missverstanden wird. Und manche Leute denken, dass es Kultur ist, einen Cowboyhut zu tragen oder zwischen Bierbänken im Kreis zu tanzen, aber das ist eher regionale Tradition. Kulturelle Aspekte sind weitaus weitläufiger als das. Ich bin ehrlicherweise ziemlich kosmopolitisch, ich habe in Jerusalem gelebt, in Afrika, in Amerika und lebe jetzt in Holland. Ich habe an vielen Orten gelebt, ich habe die Welt gesehen. Meine Familie ist international, in Jerusalem geboren, weder Israelis noch Palestinänser. Meine Kultur ist universal, aber ich bemerke immer wieder, dass eine Menge der Philosophien dieser Welt aus dem nahen Osten kommen. Es gab dort große Zivilisationen.

Es ist im Grunde die Wiege unserer Zivilisation

Ja! Viele Leute in dieser Zivilisation fingen, wahrscheinlich in ihrer verbliebenen Zeit oder bei ihrem Ausblick unter den Sternen an, zu denken. Und sie dachten Dinge, an die wir im Moment nicht denken, weil wir keine Zeit haben. Wir sind wie Roboter und Maschinen, darum gibt es auch in dem Song der „The Magickan and The Drones“ heißt. wir sind tot, wir sind Staubfresser und gezwungen, zu sterben. Und Staubfresser, „another one bites the dust“, stammt aus Mesopotamien. Man sagte, die Toten fressen Staub in der Unterwelt. Trommeln, Tod und Staubfresser- das ist die Anekdote, das ist unsere Geschichte. Wir verweilen in einem Zustand der Hypnose, wir sind alle hypnotisiert. Wir sind verloren in der Illusion des Seins, wir denken, wir existieren, aber wir tun es nicht. Es ist eine Illusion. Subsistenz und Überleben lassen uns Mythos und Wahrheit verändert wahrnehmen, das heißt: das hier ist die Realität, und der Mythos ist lediglich ein Mythos. Aber vielleicht ist der Mythos die Wirklichkeit und das hier ist ein Mythos? Davon handelt „The Magickan and The Drones“ und das ist genau das, was ich gerade sagte. Da sind wieder diese Doppeldeutigkeiten, und ich gab dir jetzt die zweite Bedeutung.

Das sind äußerst alte philosophische Fragen, die du da aufarbeitest.

Ja, ganz eindeutig. Es ist interessant, etwas musikalisch reichhaltiges zu haben, aber auch einen ergiebigen Inhalt. Es ist sehr bedeutsam und betrifft jeden.

Ja, es muss als ganzes ein Kunstwerk abgeben

Ja! Leute, die die Lyrics nicht lesen werden die Musik trotzdem genießen können, aber wenn man sich weitergehend damit befassen möchte, ist es möglich. Das ist, was wir immer angestrebt haben, mit Bildern, mit Fotos, mit den Lyrics, mit den Botschaften. Und wir sind übrigens keine Prediger, ich teile nur, was sich in meinem Kopf abspielt.

Niemand sollte predigen…

Auf keinen Fall! Wer zum Teufel bin ich und wer zum Teufel sind die anderen, das zu tun?

Lass uns ein bischen über dich als Person sprechen. Ich denke, niemand wird bezweifeln, dass du ein ziemlich guter Gitarrist bist und wenn ich mich recht entsinne erzähltest du einmal in einem Interview oder in deiner Autobiographie, dass du dir das Gitarrespielen selbst beigebracht hast. Stimmt das?

Ja, das habe ich. Ich konnte mir schließlich keine Stunden leisten, weil wir keine besonders wohlhabende Familie waren, meine Mutter brachte uns gerade so durch den Tag in diesem kriegszerrütteten Land. Also sparte ich all mein Geld und mein Geburtstagsgeld und ich ging aus speziellen Gründen in die Vereinigten Staaten und nahm mir eine Gitarre aus dritter Hand mit, für 70$, und fing an, sie zu spielen. Aber als ich bereits fortgeschritten war ging ich zu einem Gitarrenlehrer und er sagte zu mir: „Du hast deinen eigenen Stil entwickelt, es ist besser, wenn ich dir keinen Unterricht erteile, weil ich dich sonst nur dazu bringe, so zu spielen wie alle anderen. Das will ich nicht“. Ich sagte, dass sei in Ordnung, ich sei eh zu faul dazu, mich für eine Unterrichtsstunde hinzusetzen. Aber man braucht das ja auch nicht, viele talentierte Gitarristen die eine Million mal besser spielen als ich, haben es sich selbst beigebracht.

Natürlich, ich sag nur Jimi Hendrix…

Ja. Aber mein Interesse am Gitarrespielen ist es auch nicht, solche schnellen Soli zu spielen, weil ich sie häufig als Lärm empfinde. Es bereitet mir nur Ohrenschmerzen, es ist nur ( an dieser Stelle imitiert Ashmedi hochfrequentes Gitarrengefrickel, reife Leistung ;-)) und ich sage mir, „okay, schön gespielt, du Armleuchter“. Ich mag Rhythmus sehr, ich mag Rhythmusgitarren. Riffs! Und ein wenig Melodie, etwas dezentes, das ist mein musikalisches Prinzip.

Hast du irgendwelche Unterstützung von anderen Leuten erhalten während deiner Jugend, von Mitmusikern einmal abgesehen?

Keine Unterstützung, von niemandem. Es gab anfangs auch keine Mitmusiker, ich war alleine. Ich bekam eher das Gegenteil von Unterstützung, es gab Versuche, mich zum Aufhören zu zwingen. Es war wirklich schwierig, weil man denkt, dass die anderen immer im Recht sind, also ist das, was man tut, ganz offensichtlich falsch. Aber dann wuchs ich auf und fragte mich „Was wollen diese Leute von mir?“. Es war ja nicht so, als hätte ich rebelliert. Es gab keinerlei Unterstützung.

Wie sieht dein allgemeiner Ansatz für das Songwriting und die Musik aus?

Ich schreibe einfach Riffs und spiele, bis ich ein Bild vor mir sehe. Es ist wie ein Film. Du spielst und spielst, und plötzlich ist da ein Szenario in deinem Kopf und du siehst die Bilder. Wenn diese Bilder einmal da sind, hast du es geschafft. Wenn es nur Riffs sind, die keine Bilder oder ein gewisses Bauchgefühl in mir hervorrufen, lasse ich sie fallen. Aber das ist einfach, denn es passiert nicht jeden Tag, es braucht lange Zeit. Der ganze Song wird dann wie eine Achterbahn. Ich reise viel mit meiner Gitarre herum.

Du schreibst eine autobiographische Kolumne und hast bereits den dreizehnten Teil davon veröffentlicht, richtig? Was ist deine Motivation, der Öffentlichkeit von deinen Erfahrungen und deiner Geschichte zu berichten?

Im Grunde genommen gibt es keine. Es wurde von einem Redakteur von metalnews.de in’s Leben gerufen, nach dem Motto „Willst du nicht schreiben? Du hast schließlich ein interessantes Leben hinter dir“. Und ich sagte mir: Es ist nicht interessant, es ist einfach mein Leben. Klar, es gibt Dinge, über die ich nicht gerne nachdenke, und es störte mich anfangs, aber als ich anfing, zu schreiben merkte ich, dass ich eine Begabung dafür habe! Was ich damit sagen will ist, dass es mir gefiel. Es tat mir auch gut, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten und auszusortieren sowie Dinge zu hinterfragen. Es war fast wie eine Therapie. Das ist eine der Motivationen. Ich erzähle nicht alles, weil es Sachen gibt, die einfach zu elend oder zu persönlich sind, aber ich erzähle eine Menge. Wie dem auch sei, die größte Motivation ist, dass es es draußen im Netz so viel Schwachsinn über mich und die Band zu lesen gibt. Zeug, das schlichtweg falsch oder ungenau ist. „Die Band, die ägyptische Musik spielt“, was wir nie taten! „Die Israelis“, die wir nicht sind. „Die respektlosen Juden“, was wir auch nicht sind. „Die Moslems“ sind wir auch nicht. Verstehst du, das sind alles vollkommen falsche Informationen. „Die Typen, die aus dem Libanon kamen“, oder was auch immer. Die Leute erfinden die komischsten Geschichten. Und sie sind alle falsch. Niemand fragt mich, also sage ich „hier, wenn es jemanden interessiert, kann er es hier nachlesen!“. Vor sechs Monaten hatte ich eine Show in Rotterdam, was ich normalerweise nie habe, und jemand hinterließ mir die Nachricht „Erzähle deine Lügen nicht, du Jude“ (lacht) Dabei bin ich nur ein unreligiöser Mensch mit christlichem Hintergrund, der Lügen erzählt. Ich verstehe es einfach nicht… Deshalb tue ich das, damit es mehr korrekte Informationen gibt. Es gibt da draußen eine Menge Dumpfbacken, und es gibt sicherlich auch einige Leute, die einfach keinen ZUgang zu den richtigen Informationen haben. Aber es gibt scheinbar einige Leute, die es mögen, meine Lebensgeschichte zu lesen. Also fing ich an, darüber zu schreiben. Ich bekam sogar das Angebot, ein Buch daraus zu machen, und ich sagte „na, wir sehen mal, vielleicht später“. Ich bin ein niemand (lacht).

Du lebst nun seit ziemlich langer Zeit in Europa. Wie fühlst du dich als EU-Bürger?

Naja, wie ein Freund von mir sagte „Mein Gott, du hast den europäischen Pass bekommen?! Jetzt bist du also ein Weltbürger erster Klasse!“ und ich sagte „Warte mal! Eher erste Klasse Minus, weil ich immer noch mein Aussehen habe“ Wenn nämlich er und ich und zehn andere Leute aus Jerusalem, der Türkei, Indien oder China sowie weitere fünf Europäer und ein Amerikaner abstürzen würden, würde man berichten: „Fünf Europäer und ein Amerikaner sind gestorben, sowie einige andere“. Ich komme in die Statistiken, weil ich jetzt „wichtiger“ bin. Also sagte ich „Ich bin erste Klasse Minus und nicht erste Klasse“ (lacht). Aber es ist natürlich einfacher, zu verreisen. Es ist witzig, weil ich jetzt, wenn ich in die Vereinigten Staaten reise, einfach hineinspaziere und nicht diese ganze Prozedur über mich ergehen lassen muss. Ich lebe wie ein menschliches Wesen, um es so auszudrücken (lacht). Das macht es mir einfacher, meine Musik zu verbreiten. Bevor ich Musik machte, war es schwieriger für mich, zu verreisen. Ich reiste einmal von Holland nach Berlin um rechtzeitig die Papiere für eine Einreise nach Kanada zu bekommen. Aber mal ehrlich, was soll der scheiß? Warum kann ich nicht einfach mein Ticket buchen und hinreisen? Jetzt ist es ein ziemlich gutes Gefühl, ehrlich gesagt mag ich es! Ich weiß, wie es war, und ich weiß, wie es jetzt ist. So fühlt es sich an, Europäer zu sein. Aber mein kultureller Hintergrund sorgt nicht dafür, dass ich mich europäisch fühle, keine Sorge. „Gibt es in deinem Land Ketchup?“ fragen sie? „Ja, haben wir.“ oder „Gibt es in deinem Land IKEA?“ „Es ist nicht mein Land, aber ja, es gibt dort IKEA“ oder „Habt ihr Computer?“ „Wir haben dort Computer entwickelt…“ Da sage ich nur „Halt’s Maul, es ist dort was Technologie angeht fortschrittlicher als bei dir, und es gibt dort nettere Shopping-Malls und Nachtclubs als bei dir“.

Sehnst du dich gelegentlich nach Israel?

Nein, Israel ist nicht mein Land, ich fühlte mich dort wie ein Außenseiter. Aber ich sehne mich nach Jerusalem. Diese Stadt kann ich tatsächlich meine Heimatstadt nennen. Wie auch immer, wenn ich sehe, was dort auf beiden Seiten passiert, ekelt es mich an. Also weigere ich mich, dort hinzureisen. Vor anderthalb jahren fragten meine Mutter und mein Bruder, die beide noch dort leben, „warum kommst du uns nicht hier besuchen?“ und ich sagte „Nein, das ist nicht gut für mich, ich will nicht kommen. Ich will nicht wie ein Untermensch behandelt werden.“

Das klingt ziemlich hart…

Ja Mann, es ist hart. Ich meine, ich vermisse meine Familie, ich vermisse mein Haus, ein hübsches Haus mit einem großen Garten, was in Europa eine Rarität ist. Ich liebte es, in den Garten zu gehen und Gitarre zu spielen, ich liebte die Restaurants und Bars, ich mochte meine Freunde, die Malls und den Strand wirklich. Aber ich gehe nicht hin, weil die Leute dort das einfach nicht gutheißen. Also sagte ich meiner Familie „Ich will nicht depressiv werden und werde deshalb nicht kommen“.

Was denkst du über die Beziehung zwischen Europa und den östlichen Ländern?

Es hängt von den Ländern ab. Ich meine, die Skandinavier haben ja beispielsweise eine vernünftige Beziehung zu diesen Ländern. Viele Europäer schauen auf Leute aus dem Osten herab, viele Menschen aus dem Osten schauen zu den Europäern auf. Es ist eine komplexe Beziehung, aber der Punkt in folgender: der mittlere und nahe Osten stehen mit den Europäern in direktem Zusammenhang! Griechenland und die Türkei, Syrien und Libanon sind ein und dieselbe Kultur! Sie hatten dieselbe Architektur und Bekleidung. Es ist eine große Verwirrung. Ich fühle mich in Griechenland genauso zu Hause wie in Jerusalem oder Anatolien, oder sogar, bis zu einem gewissen Grad, in Südfrankreich oder Italien. Es ist sich alles ähnlicher, als es verschieden ist. Es ist nicht, als ob man China mit Brasilien und Brasilien mit Schweden vergleichen würde. Aber wir reden darüber, als ob dem so wäre. Naja, Menschen eben… jeder hasst jeden. Deutsche mögen diese nicht, Holländer sind auf der Hut vor Deutschen und machen keine Scherze über Belgier. Amerikaner machen sich über Kanadier lustig. Armenier und Türken hassen sich genauso wie Türken und Griechen einander hassen. Im Kosovo hasst man diese da, Russland führt Krieg mit Georgien… Das ist die Menschheit. Diese Fußballmannschaft hasst jene Fußballmannschaft, dieser Laden ist besser als jener, diese Label hasst jenes Label und diese Band hasst jene Band. Es geht nur um Wettbewerb, was einfach nicht notwendig ist. Es gibt genug Platz für jeden und genug Überfluss. Wie auch immer, ich muss jetzt leider das Interview beenden, ich muss nämlich das nächste führen [Ashmedi und ich haben bereits 6 Minuten überzogen]

Ja klar, ich weiß, dass du unter Zeitdruck stehst. Vielen Dank für das großartige Interview!

Herzlichen Dank für die interessanten Fragen! Das ist der Grund, warum ich geredet habe wie eine Maschine. Mir haben die Fragen sehr gefallen, deshalb habe ich auch eine Menge erzählt. Dank dir dafür, das war sehr erfrischend!

Vielen Dank! Und viel Erfolg mit deinem neuen Album!

Danke sehr, ich weiß das zu schätzen! Mach’s gut!

Galerie mit 12 Bildern: Melechesh - Rockharz Open Air 2013
17.09.2010

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