Morgoth
Sängerwechsel, Old School-Death und Tolkien-Klagen: Harry Busse im Interview

Interview

Morgoth

Metaller können schon ein rührend-treues Völkchen sein. Da ist eine Band seit 1998 nicht mehr aktiv, spielt keine Shows, hat mit ihrem letzten Album durch die Bank weg polarisiert und trotzdem ist der Name MORGOTH nach wie vor zahlreichen Headbangern ein Begriff. Und das in einem sehr positiven Sinne, denn nach wie vor müssen die Jungs als Pioniere des deutschen Death Metals herhalten. Entsprechend groß war dann auch das Interesse, als man zum 20-jährigen Jubiläum des 1991 Klassikers „Cursed“ einige Festivalshows ankündigte. Und ab da waren MORGOTH eigentlich durchgehend aktiv – das alte Feuer hatte die Musiker gepackt. Nach einer Tour mit BOLT THROWER steht nun mit „Ungod“ das erste Album seit „Feel Sorry for the Fanatic“ (1996) in den Startlöchern.

Doch das Schicksal ist bekanntlich eine Bitch und schlug auch hier mit aller Härte mitten im Aufnahmeprozess zu: Marc Grewe, DIE Stimme der Band und ein wirklich charismatischer Frontman, war plötzlich weg vom Fenster. Über die Gründe seines spontanen Ausstiegs hält sich die Band bedeckt, das Waschen schmutziger Wäsche ist sympathischerweise nicht ihr Ding.

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Im Gespräch erläutert Gitarrist Harry Busse die Details: „Klar, dass du danach fragst. Aber ich bitte euch zu respektieren, dass ich darüber nicht sprechen werde. Ich habe Marc sehr viele Jahre gekannt und möchte auch aus Respekt ihm gegenüber nichts dazu sagen. Nur so viel, dass die Differenzen persönlicher und nicht musikalischer Natur waren.“ Sei es drum – Fakt ist, dass man sich noch im Studio einen Nachfolger am Mikrofon aus dem Allerwertesten manifestieren musste. Als wäre der Aufnahmestress an sich nicht genug Belastung. Doch hier hatte man mit dem DISBELIEF Sänger Karsten Jäger schnell Glück im Unglück gehabt: „Wir kannten den Karsten vorher gar nicht. Unser Management hat uns ihn vorgeschlagen. DISBELIEF war uns allen schon ein Begriff, aber an sich wurde er ins kalte Wasser geschmissen“, erklärt Harry. Seine Röhre hört sich jedoch alles andere als unvorbereitet an und erinnert stellenweise stark an Chuck Schuldiner. Das sieht man auch in der Band so. „Ja, das ist wohl wahr, er hat einen sehr schönen Oldschool-Touch. Ich meine – Marc ist ein fantastischer Sänger – daran kann und soll man trotz allem nicht rütteln. Und er war natürlich prägend für die Band. Da gab es sonst nur wenige, die uns so ihren Stempel aufdrücken konnten, wie Karsten es jetzt getan hat.“ Auch die räumliche Nähe war pures Glück – schließlich musizieren heutzutage genug Bands über Ozeane hinweg miteinander. Und auch die Pläne der beiden Bands drohen nicht sich zu überschneiden, da ausgiebiges Touren für MORGOTH nicht zur Debatte steht. Obwohl es da schon eine Ausnahme gab, aber dazu später mehr.

Zunächst will man natürlich wissen wie genau die neue Musik nach so langer Zeit zustande gekommen ist und ob man auch einige Riffs aus der Vergangenheit „recycelt“ hat. „Hehe, das werde ich öfters gefragt. Kein Riff auf dem Album ist älter als drei Jahre. Wir hatten einfach wieder Bock auf diesen dreckigen, oldschooligen Death Metal. Da wir alle über die ganze Republik verstreut leben, konnten wir uns nicht mal eben zum Proben treffen. Wir haben wir uns die Dateien hin und her geschickt, also im Prinzip Riffs gesammelt. Am Ende kamen wir dann natürlich schon zusammen und haben das Ganze zusammengefügt.“ Und Karsen – wie sehr musste er sich bei den schon zum Großteil stehenden Songs dem Willen der Band beugen? „Ein paar Vorgaben gab es natürlich schon. Bei DISBELIEF setzt er einige Techniken ein, die wir so nicht haben wollten. Er musste auch ein wenig herumprobieren, aber an sich hat er einfach perfekt gepasst. Es war trotzdem höllisch viel Arbeit. Als Marc gegangen ist, waren wir ja schon im Studio. 85 Prozent des Materials stand bereits. Karsten war gerade mal seit drei Tagen in der Band und musste direkt mal ein ganzes Album aufnehmen, das war ziemlich stressig.

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Das glaubt man dem Mann aufs Wort. Vor allem, da der Druck eines Comeback-Albums eh immer höher ist als bei einer regulären Veröffentlichung. Und wenn wir schon mal dabei sind – weshalb hat man nicht an das letzte Album „Feel Sorry For The Fanatic“ mit seinen Experimenten angeknüpft, sondern sich für das volle Oldschool-Death-Brett entschieden? „Das war von Anfang an klar. Ich finde „Feel sorry“ immer noch sehr gut und stehe total hinter dem Album. Damals war es das Richtige. Wir waren wohl ziemlich übersättigt von dem Death Metal durch das ganze Touren und wollten einfach mal was anderes machen. Daran wollten wir aber nicht anknüpfen. Das neue Material ist sozusagen der Missing Link zwischen „Cursed“ und „Odium“. Den aktuellen Zeitgeist wird man mit dieser Entscheidung auch eher getroffen haben, schließlich ist „Oldschool“ gerade ziemlich gefragt. Doch wie steht es denn aus Harrys Sicht um die Szene heute? Immerhin kann der für die meisten Lyrics verantwortliche Mann einen direkten Vergleich von „damals“ und „heute“ ziehen – in der Mitte war er ja nicht aktiv. „Das Live-Spielen ist definitiv komfortabler geworden. Früher musste man in einen Van steigen, der gerade mal so nicht auseinandergefallen ist. Heute gibt es da viele Angebote von umgebauten Sprintern und all sowas. Das erleichtert das Reisen ungemein. Außerdem sind auch die Techniker sehr viel professioneller geworden. Früher konnte man froh sein, wenn man einen Kumpel dabei hatte, der ein Mischpult überhaupt mal aus der Nähe gesehen hat. Heute kenne alleine ich an die zehn Techniker, und die sind auch noch alle richtig gut. Auch die Clubs sind besser ausgestattet und vorbereitet. Natürlich ist auch die Konkurrenz viel größer, da alle touren.“

Eine große MORGOTH-Tour wird man in naher Zukunft jedoch nicht sehen. Man will sich auf ausgesuchte Release-Shows und Festivalauftritte beschränken. Warum man mit BOLT THROWER jedoch erst vor einigen Monaten eine Ausnahme von dieser Regel gemacht hat, kann der Harry schnell und plausibel erklären: „Ich hatte vorher gesagt, dass ich nie wieder eine Tour machen möchte, außer mit BOLT THROWER. Und ein paar Tage später haben die unser Management angerufen und gefragt, ob wir dabei sein wollen. Das sind alles wirklich fantastische Menschen, keine Spur von Rockstarallüren. Wir wurden auch absolut nicht als Vorband behandelt, sind im selben Bus zusammen gereist und hatten da auch eine Menge Spaß. Die Attitüde der Band ist auch immer noch einmalig. Die verkaufen Shirts für zwölf Euro, und wer eins haben möchte, soll gefälligst zum Gig kommen – da gibt es keinen Mailorder. Diese Einstellung wird von ihren Fans auch sehr geschätzt.

Dass MORGOTH anno 2015 ebenfalls von ihren alten und auch immer mehr neuen Fans geschätzt werden, ist nicht selbstverständlich. Jahrzehntelange Pause, eine turbulente Reunion, die eigentlich keine sein sollte und dann auch noch der Ausstieg des Sängers. Vielen hätte diese Unglückskette das Bandgenick gebrochen – woher kommt also dieser Wille weiter zu machen? „Das ist eine ziemlich gute Frage. Wir können es einfach nicht sein lassen (lacht). Nach den Reunion-Gigs kam ich nach Hause und habe zwei Stunden später zum Hörer gegriffen, die Jungs angerufen und gesagt, dass es das doch nicht gewesen sein kann. Wir waren wieder angefixt. Das ging der ganzen Band so, wir haben einfach wieder richtig Lust auf die Musik. Wenn die Band auf einmal weg ist, ist es als ob plötzlich alle Familienmitglieder auf einmal sterben. Wir haben großes Glück mit den neuen Jungs, die ebenfalls mit viel Energie dabei sind.“

Nach diesen Worten kann man nur alles Gute wünschen. Eine Frage brannte uns dann jedoch schon noch auf der Zunge. Nachdem die offenbar recht okkultscheuen und unentspannten Erben von Tolkien die Band GORGOROTH aufgrund ihres Namens verklagt hatten, wäre es interessant zu wissen, ob auch andere einen Blauen Brief der Millionäre bekommen haben. Schließlich haben auch MORGOTH sich bei der Namensfindung in der Fantasy-Literatur bedient. „Hehe, davon habe ich auch gelesen. Bescheuert, oder? Mit dem ganzen Geld aus dem Erbe haben die aber kein Problem? Wir haben jedenfalls noch nichts im Briefkasten gehabt und das bleibt hoffentlich auch so. Man soll schlafende Hunde ja auch nicht wecken.“ Oder deren Anwälte.

Galerie mit 20 Bildern: Morgoth - Rockharz Open Air 2012
30.03.2015

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