Noctiferia
Interview mit Uros Lipovec zu "Death Culture"

Interview

Slowenien hat nicht nur wunderschöne Landstriche, das Metalcamp, LAIBACH und die begnadeten DEKADENT zu bieten, sondern auch NOCTIFERIA. Mit dem renomierten Label Listenable Records im Rücken, hat es das Quintett auf den internationalen Durchbruch abgesehen. Die Chancen dafür stehen hervorragend, denn „Death Culture“, das mittlerweile vierte Studioalbum der Band, ist in jeder Hinsicht überzeugend. Metal.de sprach mit Uros Lipovec (Bass) über Papierfetzen mit aufgedrucktem Wert, christlich ausgerichtete Zeitschriften für die ganze Familie und „Baphomet’s Throne“.

Noctiferia

Hey Uros, wie geht’s?

Mir geht’s ganz hervorragend! Ich bin schon sehr gespannt, wie unser neues Album ankommen wird. Ein bischen Aufregung ist natürlich auch vorhanden…

Das neue Album nennt sich „Death Culture“ und basiert auf einem Konzept, das sich nicht nur mit der momentanen Situation der Menschheit und dem täglichen Wahnsinn beschäftigt, sondern auch einige historische Ansätze berücksichtigt. Was hat euch dazu inspiriert?

Wir wollen nicht nur unseren eigenen, sondern natürlich auch den musikalischen Horizont erweitern. Vor allem im Extreme-Metal-Bereich ist es wichtig nicht auf der Stelle zu treten, sondern sich anhand neuer Ideen ständig weiterzuentwickeln. Uns ist es wichtig, sich nicht zu wiederholen, weder musikalisch noch auf textlicher Ebene. Gleichzeitig aber wollen wir unseren eigenen Stil nicht vernachlässigen und wir achten darauf, dass da trotz allem immer dieses ganz besondere NOCTIFERIA-Feeling im Raum steht. In der Vergangenheit haben wir uns mit den Dämonen und dunklen Geheimnissen dieser Welt beschäftigt, dabei ist das größte Übel direkt vor unserer Nase, Tag für Tag! Das System, das wir als gegeben hinnehmen, hat uns bereits soweit gebracht, alles was geschieht bedingungslos zu akzeptieren. Hinterfragen tun nur die wenigsten, und ändern tut fast niemand. Geld, Gier und Wollust – drei heilige Worte für jeden Kapitalisten und Geier dieser Welt, die mit ihren Marktstrategien experimentieren und die Menschheit früher oder später in den Ruin treibt. Wir Menschen sind Geisteswesen, und als solche sollten wir uns auch benehmen, nicht wie Sklaven und von Geld abhängigen Junkies. Wir sollten in uns selbst Vertrauen haben, nicht in irgendwelche Papierfetzen mit aufgedrucktem Wert.

Daher also der Titel?

In einer nationalen, christlich ausgerichteten Zeitschrift mit dem Namen Družina (zu Deutsch: „Familie“) gab es vor einiger Zeit einen Artikel mit dem Titel „Kultura Smrti“ (in Englisch: „Death Culture“). Dieser Artikel beschreibt, wie unsere Gesellschaft unbewusst immer wieder den Tod glorifiziert und darüber, wie wir, NOCTIFERIA, den Tod durch unsere Musik fördern würden. Wir wurden in diesem Artikel sogar als der ärgste Todesbote Sloweniens erwähnt. Ha Ha. Das hat uns allerdings eher amüsiert als betroffen, denn ernst nehmen kann man dieses Blatt, das darauf aus ist, Menschen zu manipulieren, selbstverständlich nicht. Aber wir hatten unseren Spaß beim Lesen. (lacht) Beim Schreiben der neuen Songs stellten wir dann allerdings fest, dass tatsächlich ein Funken Wahrheit in diesem Artikel steckt, denn die Texte ließen sich zu einem Konzept ausarbeiten. Letztendlich basiert die Botschaft, die hinter „Death Culture“ steckt, auf absoluter Gleichheit und Positivismus.

Ihr habt das Album erneut von Peter Tägtgren im Abyss Studio mixen und von Jonas Kjellgren im Black Lounge Studio mastern lassen. Warum habt ihr euch gerade für diese Kombination entschieden? Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?

Wir sind sogar mehr als zufrieden! Wir haben die Songs in ihrer Rohfassung bestimmt gute hundertmal gehört, aber als wir die Songs schließlich fix und fertig zurückbekommen haben, hat’s uns schlichtweg umgehauen. Peter hatte ja bereits „Slovenska Morbida“ veredelt, und auch das Album ist immer noch eine Macht. Er hat’s einfach drauf, den Sounds einen letzten Schliff zu geben. Peter hat quasi das dritte Ohr und ist für uns wie das sechste Bandmitglied. Er hat uns dann auch Jonas für das Mastering empfohlen, denn der hat mit seinem Handwerk zuletzt für Bands wie IMMORTAL, CELTIC FROST und HYPOCRISY völlig überzeugt. Für uns war Jonas‘ Arbeit das noch fehlende i-Tüpfelchen. „Death Culture“ hat zweifelsohne den besten Sound von allen unseren Alben bisher. Alles passt perfekt zusammen. Wir sind total glücklich und stolz darauf, mit so professionellen Leuten wie Peter und Jonas zusammengearbeitet zu haben.

Auf „Death Culture“ habt ihr mit vielen ganz unterschiedlichen Metal-Spielarten gearbeitet und ich denke gerade dadurch klingt das Album als Ganzes nicht nur frisch, sondern auch ein Stück brutaler als „Slovenska Morbida“, auf dem ihr vorwiegend mit Elektronik-Elementen gearbeitet habt. Das passt auch hervorragend zum Konzept. Aber warum habt ihr die elektronischen Elemente zurückgefahren und habt wieder einen Schritt weit zurück in Richtung „Per Aspera“ gemacht?

Ich würde diese Entwicklung nicht als Schritt zurück bezeichnen, sondern als einen großen musikalischen Schritt vorwärts! Denn „Death Culture“ verbindet so ziemlich alles, was wir bisher gemacht haben, und noch eine ganze Menge mehr. Es ist eine Mischung der Stile, die uns am besten gefallen oder uns bisher beeinflusst haben. Auf „Slovenska Morbida“ haben wir unsere elektronische Seite erforscht und viel mit Layern und Texturen experimentiert, während wir uns für „Death Culture“ sehr viel mehr auf technisch-anspruchsvolle Präzision und die Musik an sich konzentrieren konnten. Du findest zwar noch immer einige Elektronik-Elemente, aber ebenso dieses typische Death-Metal-Geschreddere, Black-Metal-Atmosphäre und sogar Ethno-Elemente. Jeder, der ein wenig aufgeschlossen ist und die nötige Begeisterung für Musik aufbringt, wird hier etwas für sich entdecken können.

SAMAEL haben mit ihrem aktuellen Album „Above“ einen ähnlichen Schritt „rückwärts“ gemacht, alles aber eine ganze Ecke dramatischer, wie ich meine. Ich mag zwar auch die alten Alben von SAMAEL, bevorzuge aber die neue Ära dieser Band. Wie denkst du über so einschneidende Stilwechsel ganz allgemein? Kannst du dir vorstellen, dass eure Fans über „Death Culture“ ähnlich denken, wie ich über SAMAELs „Above“?

Es gibt immer ganz unterschiedliche Meinungen zu solchen Veränderungen, die einen finden’s gut, die anderen einfach nur Scheisse. Aber jede Band hat ein Recht darauf sich zu verändern. Veränderungen geschehen meist aus zwei Gründen, zum einen aus künstlerischer, zum anderen aber auch aus kommerzieller Sicht. Allerdings bedeutet ein künstlerisch anspruchsvoller Wert nicht zwangsläufig auch ein kommerzieller und umgekehrt. Ich glaube nicht, dass unsere Fans ein Problem mit „Death Culture“ haben werden, letztendlich ist es doch nicht so weit entfernt von dem, was wir vorher schon gemacht haben, wir bewegen uns lediglich auf einem höheren Level und verwenden alle Elemente, die wir auch schon vorher genutzt haben. Was SAMAEL angeht, so rangiert „Ceremony Of Opposites“ sicherlich für alle Zeiten unter den zehn Alben, die mir am meisten bedeuten. Ein Meisterwerk! Wir haben übrigens „Baphomet’s Throne“ schon einige Male in unserem Live-Set gecovert. „Above“ ist ein interessantes Album, das ich allerdings als Übergang zu einer neuen Ära der Band betrachte. Ich bin schon sehr auf das nächste Album gespannt.

Da sagst du was! Ich auch. Jetzt aber einmal zurück zu eurem letzten Album „Slovenska Morbida“. Ihr habt da ein paar deutsche Titel wie „Der Fall Der Fallenden“ und „Bring Raus Das Biest“… Sprecht ihr deutsch, oder wurden diese Songs für dieses Album einstudiert?

Ich kann wenigstens sowas wie „noch einmal“, „sehr schön“, „Danke“ und „Schwarzwaldklinik“ sagen. Ha Ha. (lacht) Aber was die Songs anbelangt, so sind das die Ausnahmen. Wir wollten damals einfach mal etwas Neues ausprobieren, und diese harte Aussprache passte hervorragend zum Elektronik-Anteil des Albums. Das ist auch schon das ganze Geheimnis dahinter. Auf „Death Culture“ haben wir übrigens einen Song in Latein und einen in Sanskrit. Das Experimentieren mit unterschiedlichen Aspekten unserer Musik liegt in unserem Blut.

Außer NOCTIFERIA kenne ich an slowenischen Bands nur noch DEKADENT und LAIBACH. Ganz allgemein habe ich das Gefühl, dass im Moment besonders Bands aus Osteuropa angesagt sind. Was ist deiner Meinung nach so besonders an diesen Bands? Was zeichnet Bands aus Ungarn, Rumänien, Slowenien oder auch Russland zum Beispiel besonders aus?

Ich glaube ein nicht zu unterschätzender Punkt ist, dass Bands aus den von dir genannten Ländern mit ganz besonderer Hingabe und Liebe zum Detail an sich und ihren Alben arbeiten. Wenn man aus einem sozial unterentwickelten Land stammt, mit einer unterentwickelten oder gar nicht vorhandenen Musikindustrie, muss man einen harten und steinigen Weg gehen und sich viel, wirklich extrem viel Mühe machen, um im Rest der Welt wenigstens etwas Anerkennung zu bekommen. Du musst mit vollem Einsatz und Hingabe bei der Sache sein und darfst niemals aufgeben! Am Ende wird sich die Bestimmung, dein Einsatz und die Hingabe auf irgendeine Art und Weise auszahlen, das ist das Gesetz der Natur. Vielleicht steht am Ende nicht die Musik, aber die Energie dahinter! Per aspera ad astra…

Wie steht’s um die Metal-Szene in Slowenien? Gibt es vielleicht ein paar Bands, die noch kaum bekannt sind, die du uns aber empfehlen kannst?

In den letzten paar Jahren ist die Szene hier enorm gewachsen. Wir haben wirklich alles, was du auch in Deutschland findest, traditionell gespielten Metal genauso wie Thrash Metal, Death Metal oder Black Metal. Thrash Metal, Speed Metal und Heavy Metal aber ist gerade unglaublich populär. Ziemlich cool finde ich NEGLICENCE, die spielen Thrash der Marke Bay Area, aber auch die Progressive-Power-Metal-Band PROSPECT ist ziemlich geil, die haben einen unglaublich guten Sänger. Dann ist da auch die Band unseres Producers, FIREINE, mit Thomas Vikstrom an den Vocals, und eine interessante Death-Metal-Combo namens SCAFFOLD, deren Drummer mal für BELPHEGOR gearbeitet hat. Im Black Metal ist sicherlich MORDENOM ganz cool. (überlegt kurz) Und hier noch ein ganz heißer Geheimtipp: SMRT. Das ist eine slowenische All-Star-Band mit Tony Loreano (Ex-DIMMU BORGIR) an den Drums. Die machen ganz bizarren Extreme Death Metal, gehören aber im Moment ohne Frage zu den aufstrebendsten Bands in Slowenien.

Letztes Jahr seid ihr mit SAMAEL und KEEP OF KALESSIN unterwegs gewesen. Wie hat das von den unterschiedlichen Musikstilen her zusammengepasst? Natürlich gibt es da auch Ähnlichkeiten, aber meinst du, dass dieses Package zusammen harmoniert oder besonders gut funktioniert hat?

Für uns hat dieses Package hervorragend funktioniert. Wir haben fünfzehn Tage die Band supported, die wir seit gut fünfzehn Jahren bewundern. Und auch die Jungs von KEEP OF KALESSIN waren total cool. Wir waren drei Bands, die jeden Tag großen Spaß hatten. Respekt! Was unterschiedliche Musikstile auf einer gemeinsamen Tour angeht, so empfinde ich soetwas immer als positiv. Allerdings setzt das auch voraus, dass das Publikum möglichst aufgeschlossen sein muss, um tatsächlich alles zu mögen. Das ist nicht immer so, funktioniert aber trotzdem ganz gut. Wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich lieber eine Show mit drei ganz unterschiedlichen Bands sehen möchte, oder eine Show mit fünf Bands, die den selben Stil spielen, würde ich mich immer für die drei Bands entscheiden. Diversity rules!

Plant ihr bereits eine Tour, um das neue Album auch live zu promoten? Mit wem und wo würdet ihr euch gern eine Bühne teilen, wenn ihr euch das aussuchen dürftet?

Wir würden überall gern spielen, mit so vielen Bands wie möglich! Wir waren bereits mit HYPOCRISY, SAMAEL, IMMOLATION und vielen anderen auf Tour, und es ist schwierig zu sagen, mit wem wir gern touren würden, weil jeder in der Band einen ganz unterschiedlichen Geschmack hat…aber SEPULTURA wäre vielleicht eine Band, die uns alle glücklich machen könnte. Wir planen in der Tat gerade eine kleine Tour durch Europa. Im Frühling soll’s schon losgehen. Und im Herbst wollen wir dann nochmal etwas ausgiebiger touren, aber diesbezüglich ist noch nichts in trockenen Tüchern. NOCTIFERIA muss man jedenfalls live erlebt haben!

Was plant ihr für die Zukunft? Gibt es etwas, das ihr mit NOCTIFERIA auf jeden Fall noch erreichen wollt?

Wir wünschen uns natürlich Anerkennung in der weltweiten Metal-Szene, denn wir denken, dass wir das verdient haben. NOCTIFERIA hat viel zu bieten und im Moment stehen für uns die Chancen, dieses Ziel tatsächlich auch zu erreichen, definitiv nicht schlecht. Jedenfalls haben wir ein großartiges Label im Rücken und wir können uns auf das konzentrieren, was für uns an erster Stelle kommt, die Musik. Außerdem sind wir felsenfest davon überzeugt, mit „Death Culture“ ein Album abgeliefert zu haben, das es in sich hat. Für uns schaut die Zukunft im Moment zumindest rosiger aus, als es jemals der Fall war, und wir haben keine Angst nach vorn zu schauen.

Möchtest du noch ein paar Worte direkt an unsere Leser richten?

Überzeugt euch von „Death Culture“ einfach selbst! Das Album ist komplex mit vielen Layern und unterschiedlichen Texturen, und ich bin mir sicher, dass jeder, der unvoreingenommen und aufgeschlossen ist, etwas für sich entdecken wird. Wir haben viele unterschiedliche Extreme-Metal-Stile kombiniert, weil uns unterschiedliche Rhythmen und Sounds wichtig erscheinen und Abwechslung garantieren. Extreme Metal ist ein weitläufiges Wort, warum also sollten wir uns als Musiker einschränken und unseren Zuhörern die Chance auf ein einzigartiges Erlebnis verweigern? „Death Culture“ ist ein Album, das wirklich neu klingt und einen großartigen Sound hat. Alles passt zusammen. Ihr werdet es garantiert nicht bereuen, „Death Culture“ zu kaufen oder zumindest einmal gehört zu haben.

Ich danke dir für das Interview und wünsche euch viel Erfolg mit dem neuen Album!

Vielen Dank. Danke auch für die Unterstützung, das bedeutet uns wirklich sehr viel! Hoffentlich sehen wir euch bei einem unserer Gigs in Deutschland!

07.03.2010

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