Satanochio
Interview mit Frontmann und Sänger S

Interview

SATANOCHIO ist keine gewöhnliche Band, denn die drei Gestalten, deren wahre Identitäten – Namen und Gesichter – seit Bandgründung wirklich niemandem bekannt sind, ziehen es trotz einer interessanten, augenöffnenden Message, die hinter ihrem ersten Album „I Am Satanochio“ und vor allem hinter ihrer aktuellen EP „Vagrant Matter Heritage“ steht, weiterhin vor im Kellergewölbe zu arbeiten, anstatt die Bühnen dieser Welt zu besteigen. Auch die Tatsache, dass die mysteriöse 6-Track-Single „The Naughty Nightfall Massacre“ weltweit auf nur eine Ausgabe limitiert war, spricht für sich. SATANOCHIO geht es nicht um Kommerz, diese Band versteht sich als Spiegelbild der Gesellschaft, die durch eigene Ausdrucksformen eben diese der Oberflächlichkeit anprangert. Welches Konzept tatsächlich hinter SATANOCHIO steht und was der maskierte Frontmann und Sänger S sonst noch zu sagen hat, erfahrt ihr im nachfolgenden Interview, das irgendwo in einem kalten, verstaubten und abgedunkelten Raum in den Katakomben von Bukarest entstand.

Satanochio

Hail S! Da euch die meisten unserer Leser sicherlich noch nicht kennen, bitte ich dich SATANOCHIO erstmal kurz vorzustellen.

SATANOCHIO wurden an einem eisigkalten, ersten Dezembertag vor vier Jahren aus der Taufe gehoben. Vom ersten Augenblick an war für uns klar, dass wir das absolute Gegenteil aller Dogmen, die die Menschheit auf primitivster Ebene – der untersten Stufe – halten, verkörpern würden. Wir haben die Geburtsstunde ganz bewusst gewählt, denn der erste Dezember ist Rumäniens Nationalfeiertag. Damit dürfte klar sein, worüber ich wirklich rede. Hm…wo haben wir uns getroffen? Wir kannten uns schon seit einigen Jahre, denn jeder von uns spielte vorher bereits bei einigen lokalen Bands, aber SATANOCHIO und unsere Überzeugung brachte uns zusammen, um gemeinsam Musik zu leben und zu zelebrieren. Wir starteten als Duo. Neben mir gab es nur noch unseren Drummer Satan Imparat, aber er verließ die Band bereits nach der Veröffentlichung unserer ersten Demo-EP „The First Strike Of The Possessed“, weil er in tiefe Depressionen fiel, die ihn psychisch und physisch stark veränderten. Ich habe ihn aus den Augen verloren und weiß nicht einmal ob er überhaupt noch lebt… Wie auch immer, 2005 stieß Grui Sanger als zweiter Gitarrist, Bassist und Drummer zur Band und in diesem Line-Up veröffentlichten wir unsere zweite EP „Daemon“, unser erstes Album „I Am Satanochio“, unsere erste Single „Heiheiheihei Caini“ sowie die „Dark Visions From The Fog“-DVD. 2007 haben wir dann Nimenea getroffen, ein wirklich grossartiger Drummer. Das erste Release mit dem neuen Line-Up gab es in Form der „Vagrant Matter Heritage“-EP, die zugleich auch unseren bisher grössten Erfolg markiert, wenn man das so nennen kann. He He.

Welches Konzept befolgen SATANOCHIO? Der Bandname dürfte sicherlich eine krude Kombination aus Satan und Pinocchio darstellen…

Satan verkörpert seit jeher den Widerstand und die Revolution. Er symbolisiert die Auflehnung gegen vorherrschende Denkweisen und das Streben nach eigener Verwirklichung. Pinocchio ist die Puppe, die Mensch werden möchte. SATANOCHIO steht also für den Weg Mensch zu werden, durch Revolution und Verweigerung. Dieser Name ist keine simple Wortkreation, sondern eine Verbindung der zwei Bedeutungen dahinter.

Meine nächste Frage ist offensichtlich…das muss ich einfach fragen: Warum die Masken? Warum maskiert ihr euch?

Kannst du dir diese Band wirklich unmaskiert vorstellen? Wirklich…? Wir wurden geboren und werden als Spiegel der Gesellschaft sterben, wir sind der Spiegel, der die Welt um uns herum reflektiert. Unsere Masken sind wie Spiegel und das, was wir zu sagen haben, steht ergänzend für die Bedeutung dessen, was und wie du unbewusst alles und jeden nach deinen Vorstellungen beurteilst. Sieh es als Metapher, als etwas, das so fern und doch unmittelbar vor deinen Augen ist. Die Entfernung zum universellen Verständnis hängt davon ab, wie weit du dein Herz öffnen und tatsächlich sehen kannst.

Ihr bezeichnet euch selbst als „Black Metal with an evil and strange touch coming from the darkest place on earth speaking about the darkest sins – dreaming about the pure freedom of human race!“. Was ist deiner Meinung nach „Freiheit“?

Ha Ha. Wahre Freiheit ist unlimitiert, ein Leben ganz ohne Regeln oder vom Menschen selbst erdachten Kontrollsystemen. Das Ermessen liegt in der Essenz des Universums, du kannst nichts nehmen ohne auch etwas zurückzugeben…und…Zeit ist der Schlüssel zum Gleichgewicht. Als die Menschheit zum ersten Mal entdeckte, wie man das Gleichgewicht durch selbstauferlegte Regeln verändern und kontrollieren konnte, war das die Geburtsstunde falscher Freiheit. Von da an waren wir nicht mehr vom universellen System abhängig, sondern von einem kleinen, reduzierten und kontrollierten System, dessen alleiniger Sinn und Zweck es ist, unser Konsumverhalten im Gleichgewicht zu halten. Das hört sich alles wie ein schlechter Witz an, aber das ist es nicht. Schau dich doch um. Erwache. Atme.

OK…kommen wir jetzt zur Musik. Woher nehmt ihr eure Energie? Was inspiriert euch dazu, diese extrem unnachgiebige, brutale Art Musik zu machen?

Wir hören so ziemlich jede Form von Metal und Musik ganz allgemein, aber die beste Inspiration für uns ist die Welt um uns herum. Alles was wir tagtäglich erleben, fließt auf die ein oder andere Weise in unserer Musik mit ein. Eine Busfahrt in Bukarest ist zum Beispiel fast wie eines der grotesken Gemälde von Hieronymus Bosch. Sei aufmerksam, wenn du unterwegs bist. Du wirst die Ähnlichkeiten sehr schnell erkennen und kaum Unterschiede zwischen diesen Gemälden und dem, was sich vor deinen Augen tatsächlich abspielt, feststellen. Alles ist genau wie in diesen Bildern: brutal, schrecklich, grotesk…scheusslich. Selbstverständlich gibt es auch einige geile Frauenärsche zu sehen oder tolle Autos, die deine Sinne vernebeln. Pass auf! Wenn du es nicht schaffst, deinen Blick davon abzuwenden, wenn du es nicht schaffst auch darüberhinaus zu denken, bist du bereits tot.

Was ist das Besondere an SATANOCHIO? Womit erhebt ihr euch aus der Masse an Extreme-Metal-Bands?

Es gibt keinen Stillstand, wir sind immer daran interessiert uns neu zu entdecken und weiterzuentwickeln. Das ist auch der Grund, warum du unsere Musik immer wieder neu entdecken kannst, denn wir beschränken uns nicht. Alles was uns gefällt entsteht in einer neuen, dunklen Vision erneut. Das ist es, was SATANOCHIO so einzigartig macht. Wir sind nicht einfach nur eine Dark-Metal-Band, wir sind Entdecker und ich denke damit gehören wir zu den gefährdeten Arten dieser post-modernen Subkultur. Wenn wir wollten, würden wir in einer ganz normalen Heavy-Metal-Band spielen, in diesem Moment auf der Bühne stehen, Bier trinken, unsere Groupies ficken und unseren Spaß haben anstatt in geheimen Kellergewölben zu proben.

Lass und jetzt mal etwas tiefer in die Materie einsteigen und etwas über eure Songs sprechen. Mir gefällt „I Am Satanochio“ als Album wirklich sehr, aber eure neue EP „Vagrant Matter Heritage“ hat’s mir richtig angetan. Denn hier entfaltet sich der Sound – zumindest im Song „Inward The Fairy“ – genau so, wie er euch meiner Meinung nach am besten steht: kalt, dunkel und furchtbar böse. Stimmst du mir zu oder ist das eines meiner Gefühle, meine Wahrnehmung?

Danke. „Inward The Fairy“ haben wir als letzten Song für unsere EP geschrieben und wir mögen diesen Track auch sehr. „I Am Satanochio“ ist schon sehr unterschiedlich zu „Vagrant Matter Heritage“…unser erstes Album klingt natürlich und erinnert an einen dunklen, dichten Wald, der Geistergeschichten erzählt und visionären Soziopathen als Versteck dient. „Vagrant Matter Heritage“ konzentriert sich mehr auf die politische Sicht der Welt. Es ist heavier und dichter am Geschehen. „Inward The Fairy“ beschreibt mehr unsere persönliche Sicht der Dinge. Hier beschäftigen wir uns zum ersten Mal mit dem was in uns steckt, als mit dem Äußeren von SATANOCHIO. Das könnte ein Grund dafür sein, warum dieser Song abstrakter klingt, als alles Vorherige. Es ist der erste Track, der das reflektiert, was hinter der Maske zu finden ist…deshalb ist „Inward The Fairy“ durchaus dramatisch zu nennen, auch was die Technik angeht, denn wir haben etwa zur Hälfte ungemischte Drums verwendet, die wir mit vier Mikrofonen in unserem Proberaum aufgenommen haben. Wir wollten die passende Atmosphäre des Songs einfangen, denn das Kellergewölbe, in dem wir proben, repräsentiert SATANOCHIO.

Mir ist ausserdem aufgefallen, dass die Songs auf eurer EP sehr viel straighter klingen als auf eurem Album, und das bei gleichbleibender Atmosphäre. Habt ihr daran bewusst gearbeitet? Habt ihr überhaupt bewussten Einfluss auf das, was aus euch heraussprudelt?

Nichts geschieht bewusst, das war ein ganz natürlicher Lauf der Dinge. Aber vielleicht hat der lyrische Inhalt diesmal eine gewisse Rolle gespielt und die Art wie wir Musik komponieren inspiriert. Denn wir haben diesmal mehr Wert auf Themen gelegt, die jeden von uns direkt betreffen können und vielleicht hat dich der Titel deshalb eher angesprochen. Ich weiß nicht… Bisher haben wir jeden Song sehr sorgfältig ausgearbeitet, aber diesmal klangen bereits die Demos sehr viel straighter…

Ich hab‘ mir euer Video zu „The National John Doe“ einige Male angeschaut und Costin Chioreanu von Twilight13media hat damit ein echtes Meisterwerk vollbracht. Gratulation! Lass uns etwas über die Idee und die Geschichte hinter diesem Song sprechen. Wovon handelt diese Nummer?

Und nochmal vielen Dank. Das Video wurde von Costin Chioreanu und Napalm gefilmt und bearbeitet. Beide sind für unsere Videos zuständig, und auch wenn Costin allgemein bekannter ist, hat die Arbeit von Napalm die selbe Bedeutung für uns. Costin und Napalm haben wirklich fantastische Arbeit geleistet und unser bisher bestes Video gemacht…und das ist nicht nur unsere eigene Meinung. Die Geschichte von „The National John Doe“ hat zwei Seiten, zwei Gesichter, wenn du so willst. Auf der einen Seite findest du Menschen, die in den Tag hineinleben und irgendwann sterben…für Nichts, ohne einen übergeordneten Sinn in dieser Welt zu finden, und die andere Seite betrachtet auf gewisse Weise das Gegenteil dessen. Dieses Video ist ausserdem das erste, in dem wir ohne unsere Masken zu sehen sind – keine Farben. Keine Formen. Keine Masken. Nur die reine Essenz der Existenz.

Ein Zitat aus diesem Song besagt: „I hate my country as much as it hates me“. Wie kannst du dir dessen sicher sein? Gibt es denn irgendwelche Grenzen für SATANOCHIO oder ganz allgemein für jemanden in Rumänien? Was hasst du an deinem Land? Gibt es auch etwas, dass du an dir selbst nicht leiden kannst?

In meiner Kindheit war ich zutiefst erschrocken darüber, wie besessen-religiös meine Familie lebte. Als ich zur Schule ging, hatte jeder ein Problem damit wie ich mich kleidete, nur weil ich immer schwarze Klamotten trug, lange Haare hatte und mich auch sonst immer anders verhielt, als alle von mir erwarteten. Seit meiner Geburt hat mich immer jemand gehasst, einfach nur deshalb, weil ich anders war. Alles musste immer nach dem Willen der Herde ablaufen, nach den in Massenhypnose versetzten Konsumenten, die brav befolgen, was man ihnen sagt. Deshalb gründete ich SATANOCHIO, um meinen Gedanken freien Lauf lassen zu können, mich selbst zum Ausdruck zu bringen und so zu leben, wie ich es möchte, jenseits der Herde. Also ist das unsere Geschichte: so zu hassen, wie man selbst gehasst wird. Nicht weniger und nicht mehr. Wir respektieren das universelle Gleichgewicht.

Ich weiß, daß viele Europäer Rumänen mit Zigeunern in einen Topf schmeißen, kräftig darin herumrühren und alle über einen Kamm scheren. Es gibt auch Ausnahmen, aber viele Zigeuner – eine Minderheit in unserem Land – leben und lieben ihre primitive Existenz und ihre diebische, niedrige Intelligenz, nicht nur in eurem Land, denn auch bei uns ist das so. Diese Leute haben in Rumänien bereits viel Ärger gemacht, aber davon bekommt das europäische Ausland natürlich nichts mit. Daher werdet ihr Rumänen und Zigeuner auch weiterhin gemeinsam betrachten und beurteilen. Aber glaub‘ mir oder nicht, diese Leute sind keine Rumänen. Die Europäische Union hat uns dazu gezwungen, Zigeuner in unserem Land als Minderheit zu akzeptieren, auf der anderen Seite aber darf Italien gegen Zigeuner vorgehen, ungeachtet dessen, ob diese Leute aus Rumänien kommen oder tatsächlich Rumänen sind. Auch England und einige weitere Länder wollen Rechte der Rumänen beschneiden, einfach nur deshalb, weil sie Zigeuner als Rumänen betrachten. Dabei sprechen Zigeuner noch nicht einmal richtig rumänisch, sie sprechen ihre eigene Sprache und sie haben einen König, der von der rumänischen Regierung natürlich nicht anerkannt ist. Zigeuner sind Immigranten ohne eigenes Land. Aber versteh‘ mich nicht falsch, ich habe keine Vorurteile, ich bin aufgeschlossen und ich respektiere jeden, der auch mich respektiert, aber für viele Zigeuner, genauso wie für einen Großteil vieler anderer Leute, bin ich nur Scheisse, und diese Menschen betrachte ich genauso. Wer in unserem Land hoch gebildet ist und einen differenzierten Geschmack hat, wird durch die Gesellschaft abgelehnt und ausgestoßen. Wir sind der Underground, und die sind der Mainstream. Fuck them as much as they fuck us! Das bedeutet für mich „I hate my country as much as it hates me.“ Das ist die Geschichte meiner Generation.

Wird man SATANOCHIO trotzdem irgendwann auf einer Bühne sehen oder bleibt es bei einem reinen Studio-Projekt?

SATANOCHIO ist kein Studio-Projekt. Wir proben wie jede andere Band und wir arbeiten wie jede andere Band. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir es einfach hassen, uns selbst auf der Bühne zu zeigen. Aber eines Tages werden wir aus unserem Kellergewölbe hervorkommen und die Bühnen erobern.

Wenn ich richtig informiert bin, arbeitet ihr zur Zeit an einem neuen Album. Möchtest du uns dazu einen kurzen Einblick verschaffen?

SATANOCHIO, die düsterste Erkundungsfregatte, wird erneut die Seen des Wahnsinns erforschen. Und am Ende unserer Reise werden wir einen Weg finden, auch darüberhinaus zu gehen.

Vielen Dank für das Interview und diesen sehr interessanten Einblick in die Band. Zum Abschluß bekommst du die Gelegenheit, noch einmal alles das zu sagen, was du möchtest:

Wir sehen uns auf der anderen Seite! Erforsche dein Inneres und lass deiner Fantasie freien Lauf – du wirst zum Universum finden!

28.06.2008

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