Stefan Rydehed
Interview mit Stefan Rydehed zu "Pure Fucking Mayhem"

Interview

MAYHEM haben die norwegische Black-Metal-Szene wie kaum eine andere Band geprägt. Dafür verantwortlich ist nicht nur die Musik, sondern genauso die Exzesse und die Geschichten rund um diese Band, die vermutlich jeder Black-Metal-Fan kennt. Der schwedische Filmemacher Stefan Rydehed ging das schwierige Unterfangen ein, die Bandgeschichte und –geschichten im Rahmen einer Dokumentation zu bündeln und aufzuarbeiten. Das Ergebnis trägt den Titel „Pure Fucking Mayhem“ und wird für einigen Gesprächsstoff sorgen. Metal.de nutzte daher die Gelegenheit, Stefan Rydehed zu seinem Film eingehend zu befragen.

Stefan Rydehed

 

Stefan Rydehed

Hej Stefan, kannst Du Dich kurz vorstellen?

Grüß Dich! Ich bin Student an der Universität in Halmstad. Dort habe ich alles in Richtung Filmwissenschaft über Genderstudies bis hin zu Medienproduktion studiert. Mein Schwerpunkt ist beispielsweise Semiotik: Ich habe Black-Metal-Videos und Death-Metal-Videos unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nach Symbolen und Zeichen untersucht.

Hast Du einen Black-Metal-Background?

Ja, ich bin seit den frühen Neunzigern Black-Metal-Fan. Damals hatte ich nicht wenige Freunde, die total fasziniert waren von den Morden und den Kirchen-Brandstiftungen. Ich war allerdings immer mehr am Ausdruck des Black Metal fasziniert, an den Emotionen.

Wie und wann bist Du auf die Idee gekommen, eine Dokumentation über MAYHEM zu drehen?

Die Pläne reichen schon ins Jahr 2001 zurück. Es gab einen Vorläufer zu „Pure Fucking Mayhem“, und das war „Cult Of Aggression“. Diese Dokumentation habe ich 2002 fertiggestellt. Daraufhin hatten mich alle möglichen Leute gefragt, ob man dafür nicht Untertitel einbauen oder ein englischsprachiges Special machen könnte. Also habe ich 2004 nochmal eine komplett neue Doku angefangen, und das war „Pure Fucking Mayhem“. Ich mag den Titel übrigens sehr, weil es genau die Musik widerspiegelt: Pure fucking mayhem!

Wie genau sah Deine Vorbereitung für „Pure Fucking Mayhem“ aus? Was waren die ersten Sachen, die Du getan hast?

Nun, ich wollte die Mitglieder von MAYHEM nie als böse oder verrückt darstellen, sondern als ganz normale Menschen, die sie ja auch sind. Also habe ich erst einmal mit den Familien der Bandmitglieder und den Fans gesprochen. Dazu habe ich auch die ehemalige Freundin von Euronymous befragt, um ihn ein bisschen besser einschätzen zu können. Ich bin auch mit Deads Familie in Schweden in Kontakt getreten, mit Freunden, den ehemaligen Mitgliedern von MORBID, die ja später bei ENTOMBED spielten. Und auch sonst habe ich alle Artikel und Aufsätze über Black Metal gelesen, die ich in die Finger bekommen konnte. Und auch wissenschaftliche Aufsätze darüber, wie das Phänomen Black Metal in den frühen Neunzigern überhaupt solche Wellen schlagen konnte.

Welchen Schwerpunkt wolltest Du mit „Pure Fucking Mayhem“ setzen?

Zunächst habe ich mit Maniac gesprochen, kurz nachdem er MAYHEM verlassen hatte. Aber ich glaube nicht, dass das die Dokumentation besser gemacht hätte, weil ich den Fokus auf Necro Butcher richten wollte. Necro Butcher ist eigentlich auch der Hauptakteur bei MAYHEM, weswegen alles aus seiner Sichtweise dargestellt worden ist. Daher habe ich auch nicht alle Leute, die mit MAYHEM zu tun hatten, vor die Kamera gebracht. Und einige Sachen wollte ich auch nicht unnötig aufblasen, wie beispielsweise die Probleme von Maniac auf der Bühne.

Andererseits nehmen die Aussagen von Kjetil Manheim einen großen Part in der Dokumentation ein, obwohl er bei MAYHEM schon seit 1987 nicht mehr dabei ist…

Na gut, er ist ja eines der Gründungsmitglieder. Aber darüber hinaus ist er als Charakter so ungewöhnlich. Manheim ist seit 1987 oder 1988 nicht mehr in der Band, aber er zeigt, dass man Erfolg haben kann, auch wenn man Black Metal gespielt hat, haha! Ja, er ist eigentlich immer noch sehr involviert in der ganzen Black-Metal-Geschichte, auch wenn er nicht so aussieht. Aber er hat ganz eigene Ansichten über den Black Metal. Er ist halt ein sehr intelligenter Typ.

Warum fehlen aber Statements von Hellhammer und Blasphemer in der Dokumentation?

Nun, ich hatte sie vor der Kamera. Das war vor ungefähr zwei Jahren am Rande einer Show in Halmstad, wo sie mit SHINING gespielt haben. Aber dann lief bei dieser Show alles aus dem Ruder, das Publikum war ein wenig bizarr drauf, um es mal vorsichtig auszudrücken. Später kam dann die Polizei, und der Vorfall wurde in der Presse ziemlich aufgebauscht. Kurz: Ich habe mich damals entschieden, das Interview zu diesem Zeitpunkt nicht zu machen. Nun, sicherlich wäre es besser gewesen, auch Statements von Hellhammer und Blasphemer in der Dokumentation zu haben, aber einen Teil haben wir durch den Off-Kommentar auffangen können… Du musst wissen, dass ich die Dokumentation selbst finanziert habe. Insgesamt stand mir ein superkleines Budget zur Verfügung.

Nur, um das kurz zu klären: Du hast also die Dokumentation abgedreht und das fertige Produkt dem Index Verlag angeboten?

Genau.

Also haben die fehlenden Statements etwas mit dem Budget zu tun. Das bedeutet, dass Du mehr Leute vor die Kamera geholt hättest, wenn Dir die Geldmittel zur Verfügung gestanden hätten?

Wahrscheinlich schon, ja.

Hast Du jemals daran gedacht, Varg Vikernes in der Dokumentation zu Wort kommen zu lassen?

Nun, ich habe mit ihm gesprochen, aber ich konnte nicht jeden in der Doku zu Wort kommen lassen, der jemals bei MAYHEM gespielt hat. Wie gesagt, ich wollte den Fokus auf Necro Butcher richten.

Warum sind Necro Butcher und Attila gerade in dieser Umgebung gefilmt worden? Im Hintergrund hört man deutlich Stimmen, Poltern und Kindergeschrei. Hatte das auch mit dem geringen Budget zu tun?

In diesem Fall wollte ich genau diese Atmosphäre haben. Sicherlich hätte ich sie in einem Studio interviewen können, aber ich habe sie dort gefilmt, wo ich sie getroffen habe. In meinen Augen ist das viel authentischer.

Welche war die überraschendste Aussage, die Du noch nicht kanntest?

Jørn [Stubberud, Necro Butcher] hat einige lustige Sachen gesagt. Ich habe auch Fenriz von DARKTHRONE interviewt, und er hat auch einige interessante und lustige Dinge erzählt, aber diese Szenen habe ich nicht verwendet. Die lustigste Sache, die in der Doku zu sehen ist, sind eigentlich die ganzen Umstände, die Jørn vom Trip in die Türkei erzählt hat. Das war eigentlich ziemlich schockierend. Das hat auch nichts mit Vorurteilen zu tun, es ist eher ein spezieller Humor.

Hast Du denn etwas über MAYHEM erfahren, das Du noch nicht wusstest?

Ich hatte eigentlich alles über MAYHEM und Black Metal gelesen, daher kannte ich alle Geschichten über sie. Was mir aber doch nahe gegangen ist, sind die ganzen Geschichten über Dead. Die meisten dieser Geschichten stimmen ja, und eigentlich hätte er in seiner seelischen Verfassung professionelle Hilfe benötigt. Ich war ja auch in Kråkstad, wo er bis zuletzt gewohnt hatte. Ich denke, er hätte wirklich wieder nach Schweden gehen müssen.

Im Schlussteil geht es darum, dass die Mitglieder von MAYHEM immer schon Gerüchte gestreut haben oder sie nicht kommentiert haben. Gab es irgendeine Sache, die Du unglaubwürdig fandest?

Ich habe die Mitglieder von MAYHEM ja einige Male getroffen und ich glaube nicht, dass sie mir falsche Gerüchte aufgetischt haben. Manchmal kommentieren sie Sachen einfach nicht, zum Beispiel Stian Johansen [Occultus], der sich nicht zum Inner Circle äußern wollte. Er sagte einfach nur: „No comment!“

Die Doku scheint ja bereits letztes Jahr fertiggestellt worden zu sein. Der Ausstieg von Blasphemer ist somit nicht mit drin. Gibt es im Rückblick irgendeine Passage in der Geschichte von MAYHEM, die Du nachträglich mehr hervorheben würdest?

Ich denke, dass Blasphemers Part ein wenig mehr hervorgehoben werden könnte. Vielleicht kann man aber seinen Part in einer anderen Dokumentation etwas herausarbeiten, genauso wie die Rolle von Maniac oder die des neuen Gitarristen. Ich denke aber nicht, dass ich mich einem solchen Projekt widmen werde.

Was hast Du für neue Projekte?

Im Sommer habe ich eine weitere Dokumentation fertiggestellt, die den Titel „Light In Darkness – Nemesis Divina“ trägt. Darin geht es um christlichen Black Metal. In Zukunft möchte ich mich eher an Musikvideos versuchen. Ich habe zwar vor Jahren schon einmal welche produziert, aber jetzt habe ich auch den theoretischen Background, um so etwas professionell anzugehen.

Kannst Du Dir dann vorstellen, ein Musikvideo für MAYHEM zu machen?

Ja, warum nicht. Ich habe vor einiger Zeit mit Attila gesprochen über ein längeres Video, das nicht nur einen Song umfasst, sondern ein ganzes Album. Ich bin darauf gekommen, weil ich MAYHEM auf ein paar Konzerten gefilmt habe, mit drei Kameras und professionellem Equipment. Das war aber nur für den Privatgebrauch von mir und den MAYHEM-Mitgliedern.

Die Live-Aufnahmen in der Dokumentation stammen also aus anderen Quellen?

Genau. Ich habe deswegen verschiedene andere Fotografen gefragt, die Gigs gefilmt hatten. Sonst habe ich aber alles von Jørn bekommen: Er ist ein wirklich toller Kerl, der mir erlaubt hat, alles Material zu benutzen, das er in seinem Privatarchiv hat.

Zum Schluss noch eine kurze Frage: Dem DVD-Package liegt eine CD mit Klaviermusik bei, die von Liedern MAYHEMs inspiriert wurde. Wie kam es dazu?

Als ich die Dokumentation gemacht habe, habe ich nach bestimmten Musikpassagen gesucht, die zu den Bildern passen könnten. Daraus wurde dann die Klaviermusik, die Linda Alexandersson und ich für die Dokumentation geschrieben haben. Letztlich hatten wir 30 oder 40 Songs ausgewählt und dann diskutiert, welche wir am besten in diese Ambient- oder Pianomusik transferieren könnten. Das hat aber ziemlich gut geklappt, da Black Metal Klassischer Musik sehr ähnlich ist.

14.11.2008

- Dreaming in Red -

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