Waltari
"Go back to crazy!" Interview mit Kärtsy Hatakka zum neuen Album "You Are Waltari"

Interview

Waltari

Album Nummer 13 präsentiert die Crossover-Pioniere WALTARI wieder bunter, abgefahrener, verrückter. Woran liegt’s? Etwa daran, dass die Finnen mittlerweile zum Septett mit vier Gitarristen mutiert sind? Oder an etwas ganz anderem? Frontmann Kärtsy Hatakka (Vocals, Bass, Programming, Keyboards, Percussion) klärt auf:

Unsere Band ist mittlerweile zu einem Rock-Kollektiv geworden. Die Band ist älter geworden, und die Mitglieder haben mit der Zeit immer mehr private Interessen außerhalb der Band entwickelt, und gleichzeitig sind mehr und mehr unterschiedliche Ansichten darüber aufgetaucht, was die Band darstellen soll und was wir mit der Band vorhaben. Das hat am Ende immer häufiger zu unnötigen Streitereien geführt, die auf der guten alten Formel „ich habe recht und du unrecht“ fußten.

Wir fünf Mitglieder fanden uns also zu unserer Überraschung nach dem 25jährigen Jubiläum in der Situation wieder, wo wir alle mit der Band weitermachen wollten, aber jeder hatte eine andere Idee von der generellen Ausrichtung. Einige von uns wollten mehr machen, andere weniger, aber jeder wollte irgendetwas machen. In der Zwischenzeit hatten wir einige Ersatzgitarristen für Sami (Yli-Sirniö) und Jariot (Lehtinen) angeheuert, welche beide in ihrem eigenen privaten Feld ziemlich beschäftigt sind: Sami tourt mit KREATOR, und Jariot schauspielert.

Ich habe also den anderen gesagt: Ich möchte nicht die schöne Innovation einen Heldentod sterben sehen – wegen etwas, das man als Koordination zusammenfassen kann, was nichts mit Musik und der ganzen innovativen Kraft zu tun hat, die in uns Mitgliedern steckt.

Um ehrlich zu sein, hatte ich die Idee zu einer Band, wo jeder, den wir akzeptieren, Mitglied sein kann, schon lange vor der eigentlichen Gründung von WALTARI. Also kein festes Line-Up, sondern eher eine lose Gruppe von Mitgliedern. Ich erinnerte mich nach all den Jahren wieder an diese Idee und gab sie an die anderen Mitglieder weiter – und alle waren einverstanden! Lasst uns das so ausprobieren! Das passt perfekt zu einer Band, die sich Offenheit auf die Fahnen geschrieben hat, und jeder fühlt sich in seiner Rolle wohl. Niemand kontrolliert, wer wann und wo kommt, solange die fünf nötigen Leute auf der Bühne stehen. Also haben wir erst einmal die beiden Ersatzgitarristen Kimmo Korhonen und Nino Silvennoinen aus der KÄRTSY-Band zu Vollzeit-Mitgliedern gemacht. Unser alter Keyboarder Janne (Immonen) war der einzige, der zu diesem Zeitpunkt das Schiff verlassen hat. Wir haben jetzt also mit Jani Hölli einen neuen Keyboarder.

Es gibt also kein Gedrängel im Proberaum?

Nein, nein, es sind meistens die üblichen fünf Leute im Proberaum, genauso wie im Studio und auch auf der Bühne. Manchmal, wenn jemand früher von den Proben nach Hause gehen muss, springt vielleicht jemand von den anderen für eine Weile ein. Natürlich erfordert das eine Menge organisatorisches Geschick, so dass ich als das präsenteste und aktivste Mitglied so etwas wie der Hausmeister bin. Ich weiß also am ehesten, wer wann wo ist. Aber ich möchte unterstreichen, dass WALTARI trotz dieser Rolle innerhalb dieser Band nicht meine Band ist. Ich bin also keine Art Diktator, und jeder kann absolut gleichberechtigt seine Ideen einbringen. Aber ich liebe diese Band und lebe zu einhundert Prozent für meine Musikerkarriere. Und gleichzeitig fühle ich eine riesige Verantwortung für unser heutzutage anscheinend wertvolles musikalisches Erbe. Überraschenderweise gibt es immer noch keine Band wie uns, die für die Attitüde „keine Limits“ lebt, die damals übrigens die Einstellung der Classic Rock Bands war. Und jeder, selbst die jüngeren Musiker, lieben doch hauptsächlich diese Bands, was seltsam genug ist!

Es spielen ja nicht alle vier Gitarristen gleichzeitig in den Songs, wie man im Video zu „Diggin‘ The Alien“ sehen kann. Wer entscheidet, wer bei welchem Song spielt?

Das ergibt sich meistens ziemlich natürlich, und die Zeitpläne der einzelnen Gitarristen geben das auch ziemlich klar vor. Bei den Videos kann es aber trotzdem problematisch werden: Beispielsweise wurde „Diggin‘ The Alien“ von Sami eingespielt, er befand sich aber während des Videodrehs auf einer zehnwöchigen Tour mit KREATOR. Da der Dreh nicht verschoben werden konnte, ist dann Kimmo für das Video eingesprungen.

Vier verschiedene Gitarristen, vier verschiedene Typen – wie würdest Du Jariot, Sami, Nino und Kimmo als Gitarristen charakterisieren?

Jariot steht für die freakigen Klänge und die Verrücktheit, Sami ist der Old-School-Metal-Gitarrist, Kimmo steht für die neuere Metal-Schule und ist ein Virtuose, und Nino ist sehr stark von den aktuellen Entwicklungen in der Gitarrenmusik beeinflusst, wie zum Beispiel Postrock, Emo und Metalcore, ganz abgesehen davon, dass er ein tighter Rhythmusgitarrist ist. Keiner ist besser oder schlechter, jeder hat seinen Platz in der Band. Jariot ist für mich aber persönlich sehr wichtig, da er schon seit Anbeginn bei WALTARI ist.

Euer neues Album heißt „You Are Waltari“. Für mich klingt es sehr viel selbstbewusster als Euer letztes Studioalbum „Below Zero“…

Na ja, das würde ich anders ausdrücken. Mit dem neuen Album wollten wir auf jeden Fall wieder den Mittelfinger ausstrecken und zur Verrücktheit vergangener Tage zurückkehren. Die Grundidee war, nicht wie eine abgeklärte Band in der Midlifecrisis zu klingen, sondern vollkommen unerwachsen. Vielleicht hat uns das ein selbstbewusstes Feeling gegeben. Aber ich muss sagen, dass ich dieses Gefühl auch eine Zeitlang bei „Below Zero“ hatte. Ich habe erst vor ein paar Wochen das erste Mal seit den Aufnahmen in das Album reingehört… und ich war positiv überrascht. Es ist kein typisches WALTARI-Album, das stilistisch wild gemischt ist. Aber ich halte es für eine starke Zusammenstellung guter Songs, und mir ist es egal, ob jetzt stilistisch breit gefächert ist oder nicht. Aber Du kannst natürlich recht haben – eine Band, die aus ihrer ‚Komfortzone‘ ausbricht, hat immer etwas ‚beunruhigendes‘, aber das sehe ich als nichts Negatives. Was immer wir mit WALTARI tun, wir wissen immer, was wir tun, selbst wenn es ein wenig riskant klingen mag. Wir mögen das Risiko, das gehört definitiv zur Bandattitüde. Die Bandgeschichte muss ein musikalisches Abenteuer sein, mit all seinen offensichtlich erschreckenden Teilen.

„Not Much To Touch You“ erinnert mich ein wenig an „Autumn“ und Eure Musik aus der Mitte der Neunziger.

Hey, Du hast es! Tatsächlich handelt es sich dabei um einen übrig gebliebenen Song aus der „torcha!“-Ära, also ’91 bis ’92.

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Ich mag wirklich diesen verrückten Crossover in „Only The Truth“ mit diesen afrikanischen Einflüssen…

Okay, das Geheimnis ist: Hör dir mal SHAKIRAs „This Time For Africa (Waka Waka)“ an. „Only The Truth“ ist WALTARIs Version desselben Themas: Was würde passieren, wenn wir die Chance hätten, einen Song für die Fußballweltmeisterschaft zu komponieren – es würde genauso klingen! Ich mag ja auch Ethno-Musik, vor allem, wenn sie mit elektronischen Sounds verbunden ist. Ich habe an einen Song gedacht, der überall auf der Welt funktionieren kann.

Eine Sache, die auf den letzten Alben vielleicht ein wenig gefehlt hat, sind die finnischen Texte. Auf dem neuen Album gibt es „Maailma“ beziehungsweise „Right Wing Theme“ (so der Titel laut CD-Hülle). Haben Dir die finnischen Texte auch gefehlt?

Nicht so richtig, nein. Ich höre ja jeden Tag Finnisch, und von diesem Song gibt es auch eine englische Version, die hoffentlich auf der zweiten Auflage des Albums enthalten sein wird. Das Problem ist halt, dass die Leute in der finnischen Version den extrem lustigen Text nicht verstehen. Aber es stimmt schon, wir haben seit „Helsinki“ im Jahr 2005 keinen finnischen Text mehr gehabt. Wir wollen halt nicht jeden Trick auf jedem Album verwenden.

Wo wir gerade dabei sind: In welcher Sprache ist eigentlich der Text von „Televizor“ verfasst?

Der Text von „Televizor“ ist auf Tschechisch. Jariots Frau kommt ja aus Tschechien. Eigentlich wollten wir den Song „Televizor (Colour TV part 2)“ nennen, aber wir haben vergessen, das so auf dem Cover abzudrucken.

Wie siehst Du nach 25 Jahren im Musikbusiness die Situation heute, wo immer weniger Musik verkauft wird und mehr und mehr online gehört wird?

Rockmusik und das Rockbusiness können nur gerettet werden, wenn es Künstler gibt, die unvorhersehbar und abenteuerlustig sind. Warum sich CDs nicht mehr verkaufen, ist meiner Meinung nach einfach: Der Inhalt ist einfach nicht besonders attraktiv und spannend… wie es ein gutes Märchen ist. Lasst uns wieder zum Abenteuer zurückkehren, und die Massen werden wieder in die CD-Shops strömen. Abenteuer, also die ganze Geschichte rund um die Musik gibt esd nicht bei Spotify… die allgemeine Erfahrung, zuerst ein physisches Produkt und die ganze Geschichte um ein Produkt zu bekommen. Das ist eine verrückte Geschichte, eine gefährliche Geschichte. Willkommen bei WALTARI!

Danke für das Interview!

23.02.2015

- Dreaming in Red -

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