Withered (US)
Withered (US)

Interview

WITHERED hatte ich nicht auf der Liste. Dennoch ist den Amis mit "Folie Circulaire" irgendwo zwischen Black, Death und Doom das Album des Jahres gelungen. Mindestens. Eine unglaubliche Bombe, ein Monument, einfach unbeschreiblich. Gitarrist und Sänger Mike Thompson half mir bei der Ergründung der Frage, wo auf einmal, völlig ohne Vorwarnung, eine so großartige Band herkommen kann.

Withered (US)Da WITHERED in Europa nicht übermäßig gut bekannt sind, müssten wir dieses Interview mit der klassischen Frage nach der Bandgeschichte beginnen. Darauf habe ich jetzt aber gerade keine Lust. Alternativer Vorschlag: Interviews dienen der Promotion, das weiß jeder. Ebenso ist wohl jedem klar, dass es keine zweite Chance gibt, einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Warum also sollte ich dazwischen funken? Ich überlasse einfach Dir die Bühne, um nach eigenem Ermessen den besten ersten Eindruck zu hinterlassen, zu dem Du Dich imstande siehst.

Haha, weißt Du, es ist eigentlich nicht unser wichtigstes Anliegen, die Leute zu beeindrucken. Wir machen einfach nur die Musik, die wir lieben. Diese ist dunkel, heavy und sehr bedeutungsvoll. Manche Leute verstehen dies, wenn sie unsere Musik hören, andere nicht, viele werden es nie verstehen. Damit können wir leben. Leuten, die gerne alternative Sichtweisen auf das Leben und unsere Existenz erforschen, könnte unsere Musik unter Umständen eine Menge geben, sie könnten einen tieferen Zugang zu unserem Schaffen finden. Besonders zu unserem neuen Album, welches eine qualvolle Mischung aus Black und Doom Metal enthält.

Bei Metal Archives seid Ihr „Death/Sludge Metal“, Myspace sagt „Black Metal/Grindcore/Death Metal“, Euer altes Label Lifeforce lässt mich an Metalcore denken, und ich selbst bin als BM-Hörer äußerst begeistert von „Folie Circulaire“. Was also seid Ihr genau? Um etwas genauer zu sein: Wo sind Eure musikalischen Wurzeln? Und wo würdet Ihr Euch heute einordnen, wo seid Ihr „zu Hause“? Was für ein Publikum bedient Ihr, gerade bei Liveshows?

Wir versuchen eigentlich nie, uns in eine bestimmte Schublade zu stecken. Ganz grob sehen wir uns allerdings in erster Linie als Black-Metal-Band, auch wenn wir offensichtlich Einflüsse aus dem gesamten extremeren Metal-Spektrum verarbeiten. Chris (Freeman, Gitarre und Gesang. -Ed.) und ich sind ja gemeinsam in unserer alten Band Social Infestation (Grindcore -Ed.) „aufgewachsen“, und wir haben immer alles Mögliche gehört, Grindcore und Death Metal, Black Metal, Doom, Sludge, ja sogar Hair Metal. Wir hören auch Heavy Rock wie die MELVINS und 80er New Wave. Wenn wir komponieren, dann leide ich ein bisschen unter ADD. Vielleicht liegt’s ja daran, dass ich so lange Grindcore gespielt habe, aber ich mag meine Musik sehr dynamisch und strukturiert. Wir legen viel Wert darauf, wirklich vielschichtige Songs zu haben. Unsere Einflüsse können dabei von praktisch überall kommen. Das einzige Publikum, das wir bedienen wollen, sind wir selbst. Wir schreiben einfach die Musik, die in unseren Ohren die beste Kombination aller Elemente ist, völlig ohne Kompromisse.

Bevor wir zu „Folie Circulaire“ kommen, lass uns noch einen Moment beim Vorgänger verweilen. Ihr habt für „Memento Mori“ ein paar gute Kritiken bekommen, aber insgesamt war die Reaktion doch eher verhalten, zumindest im Vergleich zur Begeisterung in den Staaten. Warum eigentlich? Wenn ich mir das Album anhöre, dann bin ich schon der Meinung, dass da rein musikalisch mehr hätte gehen müssen. Oder habe ich einfach was verpasst und Ihr habt hier mit „Memento Mori“ Platin eingefahren?

Ja, das stimmt schon, das Album war in Europa kein Riesenerfolg, aber das ist für uns auch schwierig zu beeinflussen, hier von den Staaten aus. Wir haben einfach wenig Möglichkeiten, die Sachen in Europa zu kontrollieren. Immerhin gab es vereinzelt sehr intensive Unterstützung. In Großbritannien läuft es ziemlich gut für uns, auch in Frankreich haben wir eine Menge Fans. Ich denke, „MM“ ist in einer Grauzone gelandet. Und zwar vor allem, weil das Album von Lifeforce rausgebracht wurde. Wir (Lifeforce und WITHERED) dachten alle, dass die Leute die Scheibe nicht anhand des Labels beurteilen würden, mussten uns aber eines Besseren belehren lassen. Viele Leute, die das Album gehört haben, haben vorher was in Richtung Metalcore erwartet und waren dann natürlich wenig angetan von dem, was ihnen tatsächlich geboten wurde. Und andererseits haben viele Leute, die auf extremeren Metal stehen, dem Album erst gar keine Chance gegeben, und zwar nur aufgrund unserer Plattenfirma. Das war schon ziemlich unfair, aber so ist das eben gelaufen.

Wollt Ihr Europa dann jetzt mit „Folie Circulaire“ erobern? Was sind überhaupt Eure Hoffnungen für Album Nummer zwei? Und ganz unabhängig von einzelnen Alben: Wo wollt Ihr mit der Band hin, was wollt Ihr erreichen?

Mit Europa muss man abwarten, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Was „FC“ betrifft, so sind wir sehr stolz auf das Album. Es gibt wirklich nichts, was wir im Nachhinein anders machen würden. Die Aufnahme, die Aufmachung, die Musik – alles ist genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Wir würden gerne einige Leute aufwecken und an ihren festgefahrenen Hörgewohnheiten rütteln. Es gibt momentan eine Unmenge an beschissenem Metal, und viele Leute haben in diesem Ozean aus Scheiße die Orientierung verloren. Wenn nur ein paar von denen aufwachen und merken, dass es auch ehrlichere und reinere Musik gibt, dann haben wir schon viel erreicht.
Mit der Band will ich auch in Zukunft das machen, was wir alle lieben. Und mit ein bisschen Glück brauchen wir dazu irgendwann nicht mehr ganz so große Opfer zu bringen. Anders ausgedrückt: Ich hoffe, dass sich das Album halbwegs ordentlich verkauft, so dass sich unsere finanzielle Lage zumindest ein bisschen entspannt. Klar, wir würden das alles auch ohne Geld machen, lief ja die letzten fünf Jahre auch nicht anders. Aber es wäre halt schön, wenn wir uns mehr auf WITHERED konzentrieren könnten, ohne ständig finanziellen Stress zu haben.

Um Eure Musik unters Volk zu bringen, bedarf es einer Plattenfirma, die Euch nach Kräften unterstützt. Ist das der Grund, warum Ihr zu Prosthetic Records gegangen seid? Wie machen die eigentlich ihre Arbeit bisher (abgesehen davon, dass sie einen schnellen, zuverlässigen und dank Dollartief sehr günstigen Mailorder haben)? Werden sie Euch eine Tour in Europa finanzieren? Ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht, dass die Promobemühungen auf dieser Seite des Atlantiks recht überschaubar sind, da scheint praktisch gar nichts zu passieren. Mir persönlich mag Promomaterial egal sein, aber allgemein dürfte es schon schwierig sein, den eigenen Namen ganz ohne Aufwand in die Magazine zu bekommen. Was ist da los?

Nun, man kann Lifeforce auf keinen Fall vorwerfen, sich nicht für uns ins Zeug gelegt zu haben. Das sind großartige Leute, und wir haben gern mit ihnen zusammen gearbeitet. Wir hatten halt lediglich den Eindruck, dass Lifeforce in den Staaten nicht besonders gut aufgestellt ist. In dieser Hinsicht ist Prosthetic viel besser. OK, in Europa sieht’s vielleicht nicht so glänzend aus, aber wir wollen uns wirklich erst auf die Staaten konzentrieren. In Großbritannien waren wir ja schon auf Tour, und früher oder später werden wir nach Europa zurückkehren. Obwohl Prosthetic in Europa eher klein sind, haben sie bisher ziemlich gute Pressearbeit gemacht. WITHERED ist in den wichtigsten Magazinen vertreten, vieles davon ist aber womöglich noch nicht veröffentlicht worden. Wir werden sehen, wie’s da drüben für uns läuft. Spielen würden wir in Europa auf jeden Fall gerne.

„Folie Circulaire“ ist ein Wahnsinnsalbum, um es mal vorsichtig auszudrücken. Für mich ist die Scheibe interessanter als schwedischer Death Metal seit einer halben Ewigkeit. Gleichzeitig ist das Album dunkler und bedrohlicher als die meisten BM-Sachen. Das hört sich selbst in meinen Ohren nach einer unwahrscheinlichen Kombination an, ist aber letztendlich genau das, was Ihr macht. Während NECROPHOBIC Death und Black zusammengebracht haben, macht Ihr den Death Metal tödlicher und den Black Metal noch dunkler, seid auf beiden Gebieten puristischer. Dennoch zerfällt das Album nie in seine Einzelteile. Ganz im Gegenteil: Nach wochenlangem Hören kann ich mir kaum vorstellen, wie „FC“ eine noch kohärentere Einheit sein könnte. Wie stellt Ihr das an, was ist Euer Geheimnis? Der Sound? Dieser Anflug von Melodie? Inwieweit achtet Ihr auf derlei beim Komponieren? Oder habt Ihr schlicht eine so klare Vision von WITHERED, dass es ganz egal ist, ob Ihr jetzt gerade ein Doom-, Death- oder Black-Riff einbaut – am Ende wird es unverkennbar WITHERED sein?

Nun, wir stecken natürlich eine Menge Arbeit ins Songwriting, um wirklich die besten Stücke zu schreiben, zu denen wir fähig sind. Komponieren kann bei uns sehr lange dauern, weil wir nie versuchen es zu erzwingen. Wir schreiben nur neues Material, wenn uns wirklich danach ist. Anders geht das ja auch gar nicht. Wenn man sich dazu zwingen muss und nicht mit dem Herzen dabei ist, dann ist die Musik von Anfang an mit einem Makel behaftet.
Wir nehmen einfach die besten Elemente der Musik, mit der wir aufgewachsen sind, und verfeinern diese zu WITHERED-Kompositionen. Grindcore und Punk zu spielen, hat dafür gesorgt, dass ich musikalisch ziemlich aufgeschlossen bin. Für WITHERED bedeutet das, dass wir ganz unabhängig vom Stil alles Mögliche ausprobieren können und dann am Ende wirklich nur das Resultat beurteilen, nicht den Ursprung.
Ach ja, danke übrigens für Deine netten Worte. Auch wegen solcher Reaktionen ist dies alles letztendlich die Mühe wert.

Der Sound! Der ist einfach unglaublich. So roh, so kraftvoll, so unbeschreiblich dunkel. Ich kann mir WITHERED kaum mit einer anderen Produktion vorstellen. Kannst Du? Wie wichtig ist der Sound im WITHERED-Gesamtkunstwerk? Wieviel Mühe habt Ihr investiert, um genau diesen Klang zu bekommen? Stell Dir vor, Du hättest fürs nächste Album ein unbegrenztes Aufnahmebudget, wie würde sich dieses Album klanglich von „FC“ unterscheiden?

Nein, ich kann mir WITHERED nicht anders vorstellen. Wenn wir anders klingen, andere Musik machen wollten, würden wir einfach eine neue Band starten. Das hier ist genau das, was WITHERED ist und immer sein wird. Die Produktion ist genau die, die wir wollten. Wir haben für „FC“ nicht mal unser komplettes Studiobudget erschöpft. Es geht doch darum, die Dunkelheit der Musik und der Texte einzufangen. Da können wir einen superfetten, warmen, perfekten Klang einfach nicht gebrauchen. Das Leben ist nicht perfekt und wird nie perfekt sein, also macht es doch auch keinen Sinn, die Leute mit unserer Musik zu belügen. Viele Alben lügen doch in Hinsicht auf die Fähigkeiten der Band. Wir werden auf Platte nichts machen, was wir live nicht reproduzieren könnten. Ich vermisse wirklich die Zeiten, als Schlagzeuger ihr Zeug tatsächlich richtig spielen mussten. Niemand hat vor zehn oder fünfzehn Jahren nachträglich die Drums korrigiert (Nun ja, dafür haben dann eben Bands wie Dark Funeral die Doublebass per Hand eingespielt… -Ed.). Natürlich haben auch wir modernes Equipment benutzt, aber wir haben keine Spielfehler am Computer ausgebessert. Was man auf der CD hört, ist genau das, was wir auch gespielt haben.

Seid Ihr eigentlich glückliche, ausgeglichene Menschen? Was ich sagen will: Wenn man derart dunkle Musik macht, dann können doch fürs „normale“ Leben kaum noch negative Gefühle übrig sein, um ständig deprimiert zu sein. Funktioniert die Band so für Euch, ist sie Therapie? Natürlich gibt es haufenweise dunkler Musik, aber ich habe wirklich selten das Gefühl, dass diese für den Künstler kathartische Wirkung haben könnte. OK, alle möglichen Thrash-Bands sind sicherlich hervorragende Aggressionsventile, aber ich meine etwas Tiefergehendes. Ist WITHERED für Euch dieses „Tiefergehende“?

Ja, absolut, das ist der einzige Grund, warum wir das alles machen. Wenn eine Show gut läuft und wir uns auf der Bühne wohl fühlen, dann ist alles andere egal. Chris und ich glauben jedes einzelne Wort unserer Texte, die Musik ergreift also völlig von uns Besitz, wenn wir spielen. Sogar bei den Proben ist das so, wir gehen völlig in der Musik auf. Proben sind in dieser Hinsicht fast wie Liveshows. Wir sind einfach nicht gut darin, Emotionen nur vorzutäuschen. Natürlich ist das therapeutisch für mich. Im Alltag sind wir entspannte Leute, die gerne Spaß haben, zusammen Bier trinken, Zeit miteinander verbringen. Ich kann mir vorstellen, dass wir sehr glücklich wirken. Und im Großen und Ganzen sind wir’s ja auch. Wir wollen das Leben genießen und unseren Weg gehen, auch wenn die Welt völlig im Arsch ist.

Ihr habt die BM-Elemente in Eurer Musik vor „FC“ nicht so sehr betont. Was hat diese neue Richtung inspiriert?

Eigentlich wollten wir schon seit der Gründung von WITHERED einen markanten BM-Einfluss in der Musik haben. Allerdings haben wir nie vorher BM gespielt, deshalb muss man unser Debüt „Memento Mori“ wohl als Versuchsphase bezeichnen. Bei „Folie Circulaire“ hatten wir ziemlich klare Vorstellungen von dem, was wir wollten, und wir waren auch zuversichtlich, diese Vorstellungen umsetzen zu können. „FC“ ist das Album, das wir von Anfang an machen wollten. Diese Scheibe verkörpert das, was WITHERED immer sein sollte.

Da wir gerade von BM sprechen, verrate mir doch mal, welche die viertbeste BM-Band aus den Staaten ist. Viertbeste deshalb, weil die ersten Plätze für WEAKLING, NIGHTBRINGER und WITTR reserviert sind.

Haha, das muss dann wohl WITHERED sein 😉 (Nun, wenn wir WITHERED tatsächlich als BM-Band betrachten wollen, dann muss sich auch das vermeintlich gesetzte Spitzentrio warm anziehen. -Ed.). Das ist schwierig. Auf jeden Fall ist WEAKLING immer auf Platz 1. Es ist schwierig, solche Listen zu machen. Alle Bands, die ich mag, haben sehr verschiedene Vorzüge, deshalb kann man die meiner Meinung nach nur schwer miteinander vergleichen. Ich mag NACHTMYSTIUM auf Vinyl, das ist wirklich großartig. LUDICRA mag ich auch sehr. Die sind ein bisschen Avantgarde, aber trotzdem sehr gut. Oh, das neue LEVIATHAN-Album ist auch ganz fantastisch.

Langsam gehen mir die Fragen aus. Normalerweise sollte ich Dir die letzten Worte überlassen. Allerdings hoffe ich sehr, dass Du Deine besten Einfälle schon ganz oben angebracht hast. Deshalb will ich zum Schluss noch fragen – wenn auch nur aus persönlichem Interesse -, ob es auch von „FC“ wieder eine Vinylversion geben wird. Ansonsten vielen Dank für Deine Zeit und ganz besonders für „Folie Circulaire“.

Jep, wir bemühen uns um eine Vinylauflage für „FC“. Aus der „Memento Mori“-LP ist übrigens bisher auch nichts geworden, da sind wir auch gerade dran. Bis zum Ende des Jahres gibt es hoffentlich beide Scheiben auf Vinyl.
Vielen Dank für die großartigen Fragen (Yeah, right. -Ed.) und für Deine Mühe. Vielleicht sieht man sich ja irgendwann mal in Europa.

10.07.2008

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