Baltic Open Air 2023
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: In Extremo, U.D.O., Blind Guardian, Sepultura, Corvus Corax, Brothers Of Metal, Die Happy, Die Apokalyptischen Reiter, Storm Seeker, Stinger, BRDigung, Fighter V, League Of Distortion, Manntra, Stahlmann, Hardline, April Art, Mandowar, Now, Hagen Stoll, Ravenstine, Die Andersons, Hörnx, Motiff und Taurus Ferus
Konzert vom 23.08.2023 - 26.08.2023 | Wikingerland - Haddeby, Niederselk

26.08.2023

Der Regen geht im Laufe der Nacht in Schauer über, welche aber durchaus kräftig ausfallen. Ab circa 12 Uhr kommt zwar die Sonne zum Vorschein, aber mit Schwierigkeiten bei An- und Abreise zum Baltic Open Air 2023 ist natürlich zu rechnen. Gegen 14 Uhr sind sowohl der Tagesparkplatz als auch der Campground gesperrt. Geparkt werden soll an einem Autohof, wovon der Betreiber des Autohofs jedoch nichts weiß. So bevölkern die Musikfans die Seitenstreifen, Seitenstraßen und Parkplätze in einem Gewerbegebiet. Dann geht es zu Fuß zum Gelände, was je nach Parkposition eine Zeit dauern kann. Einen Shuttle gibt es ebenfalls vom ZOB Schleswig, welcher primär für Menschen aus Schleswig gedacht ist und vielen Tagesgästen, welche primär wegen BLIND GUARDIAN anreisen, überhaupt nicht hilft.

Der Fußweg auf das Gelände ist unproblematisch. Es ist nach wie vor matschig, aber im Großen und Ganzen hat das Gelände die Wassermassen gut verkraftet. Das musikalische Programm auf der Hauptbühne startet heute um 15 Uhr. Vorab gibt es auf der kleinen Bühne einen Gottesdienst und Kleinkunst von Bands Namens NOW und TIMETRAVELLER.

FIGHTER V und Stadionrock eröffnen den finalen Festivaltag beim Baltic Open Air 2023

Aus der Schweiz kommen FIGHTER V, welche sich bereits 2009 als HAÏRDRŸER gegründet haben und 2019 den Namen in FIGHTER V änderten. Zu hören gibt es melodischen Rock, der mit Coverversionen von zum Beispiel JOURNEY oder WHITESNAKE ergänzt wird. „Here We Go Again“ sorgt für Interaktionen zwischen Publikum und Band, wo der Refrain aus vielen Kehlen mitgegrölt wird. Der Hauptbestandteil des Sets kommt von der aktuellen Scheibe „Fighter“, die 2019 veröffentlicht wurde. Sänger Dave Niederberger und seine Mitstreiter liefern eine runde und melodische Show, wo neben dem Sound auch das mittlerweile sonnige Wetter für ein positives Gefühl sorgt.

Konzertfoto von Fighter V - Baltic Open Air 2023

Fighter V – Baltic Open Air 2023

HAGEN STOLL – Rap, HAUDEGEN oder Solo?

Der Name HAGEN STOLL dürfte Metalfans nur bedingt ein Begriff sein. Sein zweiter Künstlername ist JOE RILLA, wo sich Stoll im Genre Hip-Hop und Rap austobt. Laut eigenen Angaben möchte Stoll sich in Zukunft erdigen Rock widmen und auf Ausflüge zum Rap verzichten. Seine Rockband HAUDEGEN löste sich auf, sodass Stoll als Solokünstler HAGEN STOLL auf der Bühne steht.

HAUDEGEN lieferten Deutsch Rock, genauso auch HAGEN STOLL als Solokünstler, wo die bekannten Klischees bedient werden. Mit einem Handtuch um den Hals tigert der ehemalige Rapper über die Bühne und holt die Deutsch-Rock-Fans entsprechend ab, auch wenn der ständige Hinweis auf die Veröffentlichung eines neuen Albums sich irgendwann selbst überholt.

Konzertfoto von Hagen Stoll - Baltic Open Air 2023

Hagen Stoll – Baltic Open Air 2023

BOTHERS OF METAL holen den Power Metal auf das Baltic Open Air 2023

Allein vom Outfit passen BROTHERS OF METAL perfekt zu einem Wikinger-Festival. Alle sieben Bandmitglieder:in tragen entsprechende Utensilien, als die Truppe die Bühne entert. Im ersten Moment erinnern BROTHERS OF METAL mit ihrem Outfit eher an einen Spielmannshaufen als an eine Power-Metal-Band. Zwei Alben („Prophecy Of Ragnarök“ und „Emblas Saga“) hat die Truppe bisher auf den Markt gebracht, sodass ein 75-minütiger Slot reichlich Platz für ihre bisherigen Veröffentlichungen bietet.

Neben der Musik steht auch die Show im Mittelpunkt. Sängerin Ylva Eriksson bildet mit den beiden Sängern Joakim Lindbäck Eriksson und Mats Nilsson den Blickfang. Durch die verschiedenen Stimmfarben der drei Vocals, können Brothers Of Metal mit einem mehrstimmigen sowie abwechselnden Gesang live punkten.

Zwei Scheiben mit insgesamt 28 Songs haben BROTHERS OF METAL zur Verfügung, woraus es gilt das perfekte Set zu mischen. Neben starken Ohrwürmern wie „Yggdrasil“, „Fire Blood And Steel“, „Njord“, „One“ oder „The Other Son Of Odin“, gesellen sich Nummern, welche mehr als deutlich im Schatten der Hits stehen. Insgesamt bleibt ein starker Auftritt der Band, allen voran wegen diverser Showelemente.

Die Interaktion mit dem Publikum beim Schlussakkord „Fire Blood And Steel“ oder das aus dem Publikum geliehene überdimensionale Trinkhorn: BROTHERS OF METAL sind auf dem Sprung und dürften in Clubs eine echte Sause anzetteln. Das Potential für eine Headliner- oder Co-Headliner-Show auf einem großen Festival haben BROTHERS OF METAL noch nicht. Die dritte Scheibe der schwedischen Band könnte diesen Sachverhalt ändern.

Konzertfoto von Brothers Of Metal - Baltic Open Air 2023

Brothers Of Metal – Baltic Open Air 2023

BRDIGUNG und die Frage, wie viele Schimpfwörter in einen Satz passen

Aus Kempen in Nordrhein-Westfalen kommen BRDIGUNG und spielen eine Mischung aus Punk und Deutsch-Rock. Wie BROTHERS OF METAL haben auch BRDIGUNG 75 Minuten für ihr Set. Klar, Punk möchte gerne provozieren. Bei jeder Ansage möglichst viele Beleidigungen und Schimpftiraden aufzutischen, wirkt eher stumpf als provokant. Das Punk-Bands nicht die filigranen Musiker an den Instrumenten sind, ist so neu wie die Tageszeitung von vergangener Woche.

Beim Track „Hipster Hipster“ stellt sich die Frage, ob mit dem Rap-Punk die Band nicht selbst genau dort angekommen ist, wo das Quartett angeblich nicht sein will. Erdiger Punk ist das Ziel gemäß den Ansagen von Frontmann Julian Cistecky. Wenn erdiger Punk aus Schimpftiraden und schlecht gespielten Instrumenten besteht, dann mag der Ansatz passen. Bands wie SONDASCHULE, MONTREAL oder DRITTE WAHL sind dem selbsternannten Old-School-Punkern bezüglich Songwriting und spielerischen Ansatz um einiges voraus. Es gibt aber auch gute Nachrichten: BRDIGUNG begeben sich in eine Live-Pause, was für Menschen mit einer Vorliebe für gepflegtes Gitarrenspiel eine Wohltat sein dürfte.

Konzertfoto von BRDigung - Baltic Open Air 2023

BRDigung – Baltic Open Air 2023

BLIND GUARDIAN sind die ungekrönten Gitarrenkönige des Festivals

Nach dem Schrabbel-Punk des Vorgängers haben es die progressiven Power-Metaller aus Krefeld leicht, eine musikalische Duftmarke zu setzen. Was die Herren Olbrich und Siepen an den Saiten abliefern, ist für jeden Genre-Fan eine Wohltat. Technisch spielen BLIND GUARDIAN in ihrer eigenen Liga und krönen sich zu den Gitarrenkönigen des Baltic Open Air 2023.

Insgesamt stehen sechs Musiker auf der Bühne. Neben dem bekannten Quartett sind Michael Schüren am Keyboard und Johan van Stratum am Bass zu erleben. Hansi Kürsch agiert auf der Bühne, wie es seine Fans seit mehr als 30 Jahren gewohnt sind. Der Auftakt ist „Imaginations From The Other Side“, der Titeltrack des 94er Albums. Kürsch begrüßt die Fans mit einem welcome to the show und „Welcome To Dying“. BLIND GUARDIAN haben von der ersten Sekunde das Publikum fest im Griff und Reihen Hit an Hit. „Nightfall”, “Script For My Requiem”, “Lord Of The Rings” oder “Time Stand Still (At The Iron Hill)”: BLIND GUARDIAN können aus einem fast unerschöpflichen Reservoir an Klassikern auswählen.

Im September steht bereits die „The God Machine“-Tour an. Logisch, dass sich das Sextett etwas einspielen muss. „Deliver Us from Evil“ und „Violent Shadows“ gibt es als Vorgeschmack. Beide Nummern funktionieren live, stehen aber im Schatten der Klassiker. Was wäre ein BLIND-GUARDIAN-Konzert ohne „The Bard’s Song – In The Forest“? Das ein gesetztes Publikum auch seine Vorteile hat, macht sich bei dem Track aus dem Jahr 1992 bemerkbar. Eine erstaunliche Textsicherheit ist auszumachen, gefühlt singt jede zweite Person auf dem Infield große Teile der Nummer mit. Zum Ende gibt es „Mirror Mirror“ und als Abschluss sehr passend für die Stage und das Festival „Valhalla“. Nach 90 Minuten verabschieden sich die Herren und hinterlassen ein singendes Infield, welches den Refrain von „Valhalla“ immer wieder anstimmt. BLIND GUARDIAN zeigen einmal mehr, dass die Band eine sichere Bank ist, egal ob live oder auf Platte.

Konzertfoto von Blind Guardian - Baltic Open Air 2023

Blind Guardian – Baltic Open Air 2023

STROM SEEKER sind mit Ersatz am Start

Den finalen Slot eines Festivals zu spielen, wo der Headliner gerade abgeräumt und das regnerische Wetter seine Spuren hinterlassen hat, sind wenig gute Voraussetzungen. Erschwerend kommt hinzu, dass Timo „Timothy“ Bornfleth heute passen muss. Seine Frau erwartet laut Drehleier-Spielerin Fabienne „Fabi“ Kirschke in den nächsten Stunden Nachwuchs. Als Ersatz agiert Nico, welcher sich kurzfristig die Texte aneignen musste. Wenig verwunderlich ist es, dass der Ersatzmann die meisten Songtexte auf der Bühne liegen hat, welche er jeweils vor seinem Einsatz abliest.

Wer STORM SEEKER kennt, der weiß um die Mischung aus Piraten Metal und Folk Rock. Songs wie „Row, Row, Row“, „Miles And Miles“ oder „Pirate Squad“ sind unterhaltsam. Nach einem Gig von BLIND GUARDIAN haben es die Folk-Metaller erwartungsgemäß schwer, die Menschen im Infield bei Laune zu halten. So dünnt sich das Publikum mehr und mehr aus und gegen 1 Uhr am Sonntagmorgen endet der musikalische Teil des Baltic Open Air 2023.

Konzertfoto von Storm Seeker - Baltic Open Air 2023

Storm Seeker – Baltic Open Air 2023

Baltic Open Air 2023 – ein Festival im Regen?

Wie viele andere Sommerfestivals der Saison 2023 leidet auch das Baltic Open Air 2023 unter den Wetterbedingungen. Die Diskussion, ob eine bessere Vorbereitung auf extreme Wettersituation möglich wäre, ist müßig und wenig zielführend. Am Ende haben alle Beteiligten das Beste aus der Situation gemacht, auch wenn es an vielen Stellen sehr unrund gewirkt hat.

Viel einfacher wäre ein barrierefreier Zugang herzurichten gewesen. Ein separater Bereich für Menschen mit Behinderungen ist eingerichtet. Wenn keine Menschen vor diesem Bereich links von der Bühne stehen, ist es auch perfekt, da die Bühne tiefer steht. Blöd nur, dass bei den Konzerten in der Regel Menschen im Infield stehen und Menschen im Rollstuhl eben in diesem sitzen. Eine erhöhte Bühne mit Auffahrrampe, wie es zum Beispiel das Rockharz seit einigen Jahren umsetzt, würde das Problem lösen.

Es gibt eigentlich zwei Bühnen auf dem Gelände. Die kleine Bühne wird jedoch nur bespielt, solange nicht auf der großen Hauptbühne die erste Band steht. Warum die Pausen zwischen den Bands nicht etwas gestreckt werden und lokale Bands, wie zum Beispiel DIE ANDERSONS, zwei Slots mit jeweils 30-Minuten Gigs auf der kleinen Bühne abreißen, ist wenig nachvollziehbar. In dem hinteren Bereich mit der kleinen Bühne befindet sich auch der Merch. Das Bands wie BROTHERS OF METAL, STROM SEEKER oder auch U.D.O. auf die Nutzung des circa 300  Meter von der Hauptbühne entfernten Merch-Stand verzichten, sagt einiges aus.

Durch die verbilligten Tickets für Menschen aus der Region, sind unter anderem Familien mit kleinen Kindern auf dem Gelände unterwegs. So weit, so gut – schwierig wird es, wenn die Kinder ohne Gehörschutz vor der großen Bühne rumturnen, wo gerade eine Band am Lärmen ist. Die meisten Eltern achten darauf, aber eben nicht alle Eltern.

Musikalisch ist das Billing sehr breit gefächert, sodass sich das Publikum mehrfach am Tag vor der Bühne austauscht. Erstmalig überhaupt waren alle Headliner eindeutig dem Metal-Zirkus zuzurechnen. Ob das Baltic Open Air sich weiter in Richtung Metal-Festival entwickelt, wird das kommende Jahr zeigen.

Weitere Bilder 26.08.2023:

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04.09.2023

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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