Konzertbericht

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Samstag

Ignis Fatuu

Obwohl mit IGNIS FATUU erst die zweite Band des Tages auf der Mainstage ansteht, finden sich bei brennendem Sonnenschein erstaunlich viele Leute ein. Und zwar nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne, denn die Mittelalter-Schergen sind mit kompletter Mannschaft samt Zebra-Hose von Sänger P.G. angereist, um den Platz wie im Sturm zu erobern. Die Nürnberger meinen es ernst, bei „Spiel des Lebens“ geht’s laut Frontmann P.G. gar um Leben oder Tod. Mit Erfolg, die Leute gehen trotz (oder gerade wegen?!) manch aus der Grundschule bekanntem Flötenspiel begeistert mit und singen sich schon mal für die zahlreichen Auftritte diverser nachfolgender Mittelalter-Kapellen warm.


Sündenklang

STAHLMANN-Sänger Martin Soer ist in diesem Jahr doppelt zu Gast. Zum einen mit seiner Richtung NDH-schielenden, bereits erwähnten Hauptband, zum anderen mit seinem Soloprojekt SÜNDENKLANG, welches erst seit Herbst 2013 existiert und zu Beginn des Jahres das Debütalbum „Tränenreich“ veröffentlicht hat. Es geht deutlich ruhiger und gefühlsbetonter zu Werke, was genau den Nerv der Leute zu treffen scheint. Passend zum Stück „Kreuzzug Ins Nichts“ strömen die Leute in den Hangar. Und obwohl in der hergerichteten Flugzeughalle doch noch einige Lücken sind, greifen die Securitys am Einlass, frei nach dem Motto „Lieber zu früh, als zu spät“, mehrmals regulierend ein. Songs wie „Die Welle“, „Die Sehnsucht Tanzt“ oder „Mach Mich Glücklich“ zeigen sich aber ähnlich klischeebeladen wie schon der Bandname. In den hinteren Zuschauerreihen wird gar über einen gewissen „Helene Fischer-Faktor“ und „Dark Schlager“ sinniert, während im vorderen Teil der Halle fleißig Mitklatsch-Spielchen geübt werden.

 

Henke

Foto: Titus Eisenmenger

Zum ersten Mal das M’era Luna beschallen – laut & brachial statt intim & leise. So zu vernehmen auf der Homepage der Band HENKE, dem Projekt um den charismatischen Frontmann und GOETHES ERBEN-Begründer Oswald Henke. Nachdem die Band zu Beginn des Jahres noch akustisch begeistern konnte, heißt es nun wieder Gitarre eingestöpselt und losgemörtelt. Gut, ganz so rasant wird es dann doch nicht, wobei HENKE deutlich rockiger und weniger avantgardistisch unterwegs sind, als es die ehemalige Formation Henkes jemals war. Den Anfang macht das grandiose, mit sehnsuchtserfüllter Synthiefläche versehene „Valiumregenbogen“, bei dem sich die zu dieser Uhrzeit gewohnt etwas lichten Reihen von den eindringlichen Worten Henkes, dargeboten im für ihn so charakteristischen Sprechgesang, gefangen nehmen lassen. Passend dazu lebt Oswald Henke seine Songs auf einzigartige Weise auf der Bühne aus, immer theatralisch, nur selten pathetisch. Die recht jung wirkenden Mitmusiker halten sich dagegen überwiegend zurück, einzig Bassist Tom Bola grinst, als wenn es keinen Morgen gäbe. Immer wieder sucht Henke, dank Podest vor der Bühne, Kontakt zum Publikum. Kein Wunder, dass „Weil Ich Es Kann“, „Zeitmemory“ und „Vergessen“ euphorisch bejubelt werden (Zitat Henke: „Danke für’s klatschen ohne animieren“). Das ruhige „Nur Allein“ beschließt einen tollen Auftritt einer aus der schwarzen Szene nicht weg zu denkenden Persönlichkeit, der einzig bei Dunkelheit oder auf der Hangar-Stage aufgrund mangelnder Entfaltung von Atmosphäre besser gewirkt hätte.


Chrom

CHROM aus Düren lassen erstmals in diesem Jahr die Herzen der Elektro-Liebhaber höher schlagen. 2007 von Christian Marquis und Thomas Winters gegründet, verbindet das Duo beatlastige und melodische Elemente, woraus eine enorm tanzbare Mischung aus Synthie-/Futurepop und EBM resultiert. Plus der Band ist die klare Stimme von Sänger Christian, die einen schönen Kontrast zu den durchdringenden Bässen liefert. Der Besucheransturm scheint sich fortzusetzen, der Hangar ist mal wieder mehr als ordentlich gefüllt und schwingt das Tanzbein zu „Loneliness“ und „We’ll Be Alone“ vom neuen Album „Synthetic Movement“. Richtige Begeisterungsstürme sind zwar nicht auszumachen, die offen nach außen getragene Freude der Band über den Auftritt schmälert dies aber kaum. Zum Abschluss wird „Memories“ serviert.

 

Rabia Sorda

Ehe Erk Aicrag am Sonntag mit HOCICO den Hangar auseinanderpflückt, wird zu früher Stund‘ RABIA SORDA aus dem Sack gelassen. Ähnlich wie schon zwei Jahre zuvor, muss die Band auf der Hangar-Stage ran. 2013 ist mit „Hotel Suicide“ der dritte Langspieler veröffentlicht worden. Das darauf enthaltene „Eye M The Blacksheep“ legt zu Beginn schon ganz gut los, richtig rund geht’s aber erst ab „Out Of Control“. Zum nachfolgenden „Abuse Me“ hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen und bittet zwei Gäste auf die Bühne. Jeweils einen Haken im Rücken tragend (-> Body-Suspension) und mittels Gummiband verbunden, treiben sich die beiden Herrschaften während des gesamten Songs über die Bühne. Entgegen zahlreicher Rufe nach älteren Songs setzt es mit „Radio Paranoia“ und „Hotel Suicide“ auch zum Ende hin ausschließlich neuere Titel, was den Durst der Menge nicht ganz zu stillen vermag. Zudem ist der Sound suboptimal, was die Stimmung zusätzlich drückt und die Erkenntnis bringt, dass RABIA SORDA auf Platte deutlich mehr Spaß machen.


Lacrimas Profundere

Wenn auf etwas Verlass ist, dann darauf, dass keine drei Jahre vergehen in denen nicht die Dark-Rocker von LACRIMAS PROFUNDERE in Hildesheim zu Gast sind. So auch bei der diesjährigen Ausgabe, nachdem die Jungs um Haupt-Songwriter Oliver Schmidt zuletzt 2012 ihren eigens getauften Rock’n’Sad auf dem M’era Luna von der Kette ließen. Anscheinend mit neuem Bassisten und Schlagzeuger (die optisch betrachet Brüder sein könnten) unterwegs, geht der Fünfer routiniert aber mit sichtlich Spaß zur Sache. Zu Beginn gibt’s mit „Dead To Me“, „Remembrance Song“ und „What I’m Not“ erstmal ne Rutsche an Songs vom aktuellen Album „Antiadore“. Aber auch Evergreens der Marke „Again It’s Over“ und „My Mescaline“ werden schlussendlich noch zum Besten gegeben, so dass insgesamt eine ziemlich runde Sache herauskommt. Auch wenn es zuvor bei den Bayern sicherlich schon mal voller vor der Bühne war, haben sie sich den Applaus nach dem abschließenden „Ave End“ redlich verdient. Gewohnt gut.


Neuroticfish

„EBM Is Dead“ – ähnlich polarisierend wie diese Phrase zu Beginn der Karriere von NEUROTICFISH, war auch die Reunion des Bochumer Projektes von Sascha Klein. Dementsprechend überrascht es, dass der Hangar nicht bis zum letzten Platz gefüllt ist, als die Lichter ausgehen und Sänger Sascha sowie Keyboarder Henning Verlage (auch bekannt als Live-Mitglied und Produzent von UNHEILIG) erstmalig die Bühne des M’era Luna betreten. Was folgt ist ein Querschnitt der gesamten Schaffensphase des Duos, angefangen beim frischen „Former Me“, bis hin zu den auf diversen Tanzflächen erprobten „The Bomb“ und „Music For A Paranormal Life“, die angetrieben durch den druckvollen Sound überschwänglich vom Publikum aufgenommen werden, während Sascha die Menge unerbittlich anfeuert („Ich will mehr Leute tanzen sehen“). Das Publikum dankt mit lautem Jubel und ausgelassenem Tanz in den noch vorhandenen Lücken im Hangar. „Velocity“ setzt den Schlusspunkt unter einen gelungenen Comeback-Auftritt; bald soll ein neues Album folgen, man darf gespannt sein.


Das Ich

Willkommen zurück! Wie haben die Leute doch auf diesen Moment gewartet. Im Schlepptau von Bruno Kramm und Live-Musikern betritt Sänger Stefan Ackermann erstmals wieder nach sieben Hirnschlägen und wochenlangem Koma die Bühne des M’era Luna. Fand das Stage-Acting bei dem ersten Auftritt nach diesen Vorfällen noch deutlich unter ehemals extravaganten Auswüchsen statt, ist der Extrem-Lyriker heute nicht nur stimmlich auf gewohnt hohem und eindringlichem Niveau, sondern bewegt sich auch gelöster auf der Bühne und kann die Inhalt seiner Texte wieder nahezu voll inszenieren. Klar, ganz der Alte ist er (noch) nicht, auch ein Notenständer mit Songtexten dient als Hilfe in der Not, insgesamt grenzt es aber an ein Wunder, dass DAS ICH noch existieren, wie auch das jubelnde Publikum im Hangar weiß. „Kain und Abel“ sorgt zu Beginn direkt für Ekstase, „Kannibale“ im Anschluss kann da nicht ganz mithalten. Zu „Nahe“ wird Stefan von SCHNEEWITTCHEN unterstützt, auch das ehemalige Mitglied Marty wird an der Trommel rekrutiert, bis sich ganz zum Schluss bei „Destillat“ sogar die gesamte Meute auf der Bühne wiederfindet und der Auftritt nicht nur für die Bandmitglieder als (ein) Highlight des Festivals verbucht werden darf.


Paradise Lost

Foto: Titus Eisenmenger

Wer, wenn nicht PARADISE LOST, sollte dafür verantwortlich sein, den neumodischen Auswüchsen der Gothic-Szene zu zeigen, wo der Hammer hängt bzw. ursprünglich mal hing. Und eines schon mal vorweg: Die Herren aus Halifax treten auch 26 Jahre nach Bandgründung noch derbe Arsch, was nicht zuletzt schon mit dem aktuellen Album „Tragic Idol“ eindrucksvoll bewiesen wurde! Gitarrist Aaron verausgabt sich am rechten Bühnenrand bis auf den letzten Tropfen Schweiß, Greg Mackintosh schüttelt ein von Sehnsucht erfülltes Lead nach dem anderen aus dem Ärmel, während sich Steve Edmindson gewohnt in Zurückhaltung übt. Und selbst Nick Holmes, bekannt für seine nicht immer überzeugenden Leistungen am Gesang, scheint am frühen Morgen mit dem richtigen Bein (oder zumindest beiden gleichzeitig) aufgestanden zu sein, so dass gar „So Much Is Lost“ von der oftmals geschundenen „Host“-Veröffentlichung neben dem unerlässlichen „One Second“ und der Großtat aus alten Tagen „Gothic“ seine wahre Größe im Livegewand zeigt. Soundtechnisch ist das Schlagzeug leider etwas zu überpräsent, was die Stimmung vor der Bühne bei niederbrennender Hitze (Nick: „Fucking Sun“) aber kaum schmälert. Apropos Schlagzeug, die Person an den Kesseln ist für langjährige Fans ein Altbekannter, nämlich Jeff Singer, der bereits von 2004 bis 2008 für die Band spielte und derzeit Adrian Erlandsson vertritt, der anderen Verpflichtungen nachgehen muss. Da der Soundcheck einige Minuten länger dauerte als geplant, muss die Setlist leider um einen Song gekürzt werden. „Say Just Words“ passt aber noch rein und lässt viele zufriedene Gesichter zurück. Eine mehr als erfrischende Abwechslung am heutigen Tage. Chapeau!


Marilyn Manson

MARILYN MANSON zu Gast in Hildesheim! Klar, dass viele Leute vor der Bühne sein würden. Geschürt wird die Neugierde zusätzlich durch einen Vorhang, der den gesamten Bühnenbereich anfangs abdeckt und nur silhouettenhaft erahnen lässt, was der Bühnenaufbau hergibt. Die Auflösung ist relativ unspektakulär, ähnlich wie der gesamte Auftritt. Richtig wach erlebt man das Publikum erstmalig zum DEPECHE MODE-Cover „Personal Jesus“. Ohne richtige Schockelemente wird die Show relativ minimalistisch heruntergezockt; mal miemt Herr MANSON den Kameramann, gibt sich mit einem als Messer getarnten Mikro gefährlich oder tänzelt auf Riesenkrücken bei „Sweet Dreams“ über die Bühne. Bei den aus TV oder Radio bekannten „The Dope Show“, „Mobscene“ und „This Is The New Shit“ brandet der Applaus zuerst natürlich, richtig vom Hocker reißen kann’s aber nur die wenigsten, was zum Teil am echt miesen Sound liegen mag. Der sagenumworbene Frontmann aus den USA steht dabei selbstredend im Fokus, das Spotlight ist quasi durchgehend auf ihn gerichtet, während er macht was er will, sei es Becher über die Bühne werfen oder mehrmals den Mikroständer umlaufen, damit dieser ein ums andere Mal von der Stagecrew aufgestellt wird. Passender Kommentar zum Auftritt aus dem Publikum: „Ich würd‘ ihm die Goldene Ananas oder meinetwegen auch Himbeere verleihen!“. Die Zugaben „Antichrist Superstar“ und „The Beautiful People“ werden von einem bereits aus vorherigen Auftritten bekannten Rednerpult verlesen. Dann ist aber auch Schluss und viele ernüchterte Besucher bleiben zurück.


Within Temptation

Foto: Christoph Eisenmenger

Wesentlich häufiger und seit 2002 immer wieder zu Gast auf dem M’era Luna sind WITHIN TEMPTATION. Einige werden sich gefragt haben, wie es der niederländische Symphonic-Export geschafft hat, die Headliner-Position gegenüber Herrn MANSON zu behaupten. Der Bühnenaufbau allein beantwortet schon viele Fragen, denn die Truppe um Frontfrau Sharon den Adel ist in den letzten Jahren und insbesondere mit der Veröffentlichung des neuen Albums nochmals gewachsen. Riesige Drachenköpfe umrahmen eine große Leinwand, davor erstreckt sich eine enorme Treppe, die verschiedene Positionen im Scheinwerferlicht für die Protagonisten bietet. Und damit nicht genug: Während des Openers „Let Us Burn“ speien die Drachenköpfe gar Feuersäulen, schade nur, dass dies lediglich auf der Leinwand geschieht und keine realen Pyros verwendet werden, die natürlich auch im Verlauf integriert werden, dann jedoch im vorderen Bereich der Bühne. Wie bereits von der Tour zum neuen Album „Hydra“ bekannt, wird sich auch nicht davor gescheut, die zahlreich vertretenen Songs mit Gastbeiträgen live aufzuführen. Leider ist am heutigen Abend keiner jener Gäste persönlich vor Ort, sodass der jeweilige Beitrag vom Band eingespielt und (wenn vorhanden) das dazugehörige Video auf der Leinwand präsentiert wird. Trotz dieses kleinen nachvollziehbaren Mankos machen „Paradise (What About Us?)“ und „And We Run“ auch live definitiv gehörig Spaß, wäre der Sound nur von Anfang an besser gewesen. Wie auch schon beim Auftritt von MARILYN MANSON kommen die Songs insbesondere anfangs relativ leise und zahm aus den Lautsprechern gekrochen, ohne für amtlich Druck zu sorgen. Sharon den Adel zeigt sich dagegen mal wieder in atemberaubender Verfassung, führt das Publikum gekonnt durch das Programm, tanzt ausgelassen zum LANA DEL REY-Cover „Summertime Sadness“ und wechselt zudem zwischendrin häufiger ihr Outfit. Dabei bestimmen nicht mehr üppige Kleider das Geschehen auf der Bühne, sondern, passend zum modernisierten Image der Band, das (verhältnismäßig) kurze Schwarze. Gastbeiträge liefert der niederländische Cellist JONAS PAP bei diversen Songs, wie auch dem zum Ende hin gelegenen „Mother Earth“. Die Stimmung und auch der Mitsingfaktor steigen nochmals an und ohne das abschließende „Ice Queen“ möchte an diesem Abend keiner ins Zelt kriechen. Definitiv ein würdiger Headliner!

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22.08.2014

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