Space und Krautrock passen zusammen wie Po auf Eimer und einen der aktuelleren Beweise hierfür liefert die BAND OF RAIN. Abgesehen davon, dass der Name eventuell den Herbstblues suggerieren mag, bewegt sich das Projekt um Bandchef Chris Gill und Neuzugang Micha Steinbacher, beide jeweils an mehreren Instrumenten zu hören, in aufgeräumter Manier weitläufig um diese beiden Bereiche herum. Und zumindest mit Gills Hintergrund, in den Siebzigern mitunter auch mit HAWKWIND gejammt zu haben, stimmt auch schon mal das Portfolio. Immerhin heißt es in der Biografie auf der Homepage der Band: „I played at The Bath Arts Workshop in 1973, where I met up with Hawkwind. We jammed for hours in an abandoned hotel„.
In diesem Album findet man prinzipiell ein eher der Atmosphäre zugetragenes Werk, das sich viel lieber subtil in das Unterbewusstsein seiner Hörer schleicht, anstatt mit Pauken, Trompeten und dergleichen auf direkte Tuchfühlung zu gehen. Hierin steckt natürlich immer die Gefahr, Kompositionen zu entwerfen, die mit all ihrer wirkungsorientierten Stimmung ins Leere laufen. Das ist besonders angesichts der langen Spielzeit von über einer Stunde eine reelle Bedrohung für das Hörvergnügen. Es stellt sich also die Frage, ob die BAND OF RAIN dieses Problem zu umschiffen weiß. Die Zeichen hierfür stehen zumindest gar nicht mal schlecht dank enormer Abwechslung, mit der die Grundzutaten des Gebräus angereichert werden. Hoch im Kurs stehen vor allem Ambient, Electronica, Weltmusik, natürlich der klassische Prog und Psychedelic Rock.
Stimmungsvoller Rock – aber da ist noch mehr
Tatsächlich gelingt der Band diese Gratwanderung. Man ist zumeist instrumental unterwegs mit nur sporadisch einsetzendem Gesang oder Gesangssamples. Doch für die Songs „Toys“ und den Titeltrack erhebt Gastsängerin Ria Parfitt ihre Stimme. Und hier darf auch mal hart und geradlinig gerockt werden. Diese beiden Tracks sind entsprechend auch am ehesten als songorientiert einzuschätzen und heben sich als solche prägnant von der Trackliste ab. Hier regiert der Rock mit all seinen Ecken und Kanten. Groovende Riffs, deren Fokus eindeutig auf rhythmischem Spiel liegt, untermauern das gemächliche Drumming. Parfitt sorgt indes mit ihrer an Kate Bush gemahnenden Darbietung für ein paar wohlige Schauer und thront dank der differenzierten Produktion souverän über dem Geschehen. Interessant sind hier aber auch die ganzen ornamentalen Clean-Gitarren und Synths, die gerne mal einen Hauch Orient durch die Songs wehen lassen. So erlebt man hier im wesentlichen Songs, die ein bisschen an AMPLIFIER denken lassen, wenn diese mit einem Hauch THE TEA PARTY gewürzt werden.
Doch ihre eigentlichen Muskeln zeigt die BAND OF RAIN in den übrigen Stücken. Wenn sich Gill und Steinbacher nicht das songorientierte Korsett anlegen lassen, haben natürlich die Instrumente das Sagen. Und die haben tatsächlich viel zu erzählen. Das ganze ist wie eingangs erwähnt in spacig-krautige Klänge eingebettet, deren Intensität natürlich variiert. So erlebt man in „Ancient Electric“ die putzmunter drauf los frickelnde Gitarre von Gastmusiker Gordo Benett, die scheinbar vor lauter Effekten ihrer Bodenhaftung verlustig geht. Bei eröffnenden „Gurdjeff“ dagegen schleichen sich Gills deutlich zurückhaltendere Riffs von weitem an. Was aus einiger Distanz noch wie ein breitbandiges Black-Metal-Riff anmutet, nimmt aus nächster Nähe die Form eines klassischen, einfach nur schweinisch rockenden Heavy-Riffs mit dezentem JUDAS PRIEST-Flair an.
Mit BAND OF RAIN auf Entdeckungsreise
Da zieht „Across A Starlit Night“ aber schon andere Saiten auf und bietet stimmungsvolle Klänge nach PINK FLOYD’scher Art, die etwa an „Time“ oder „Shine On You Crazy Diamond“ denken lassen. Auch das schlicht betitelte „Bob“ hat sich ein Scheibchen jener PINK FLOYD-Ära abgeschnitten und lässt dank der gesampelten Opernstimme im Hintergrund ein bisschen an „The Great Gig In The Sky“ denken. „Indian Summer“ fügt dem Namen gemäß indische Einflüsse hinzu und hätte sicher auch problemlos auf eine der neueren Steve Hackett-Platten Platz gefunden. Unterdessen schleudert „Dark Sun“ den Hörer mit gesampletem Kehlkopfgesang und einem dichten, pulsierenden Synth-Geflecht voll ins Kraut – Nebenwirkungen garantiert. TANGERINE DREAM lassen hier ebenfalls herzlich grüßen. Man kann dazu förmlich mit BAND OF RAIN auf Prog-Safari gehen, denn es gibt unter der Oberfläche viel zu entdecken. Am offensichtlichsten tritt das noch beim Rausschmeißer „Lydian Flight“ zu Tage, wenn die Synths mit der Gitarre geradezu ausgelassen um das Geschehen herum tänzeln. Wer dazu aufmerksam hinhört, der darf sich über eine waschechte Fripp-Gitarre freuen. Und wo wir gerade bei KING CRIMSON sind, hat der Song gar etwas von „Islands“, speziell im letzten Drittel. Auch ganz zarte YES-Anklänge lassen sich hier heraus hören.
Mehr Variation im Tempo wäre zwar wünschenswert gewesen, die Stücke marschieren fast ausnahmslos im gemächlichen Midtempo und stehen manchmal gar an der Schwelle zum Doom, speziell wenn die Gitarren mal etwas rauer aufspielen. Doch abgesehen davon macht „The Dust Of Stars“ ordentlich was her. Die songorientierten Stücke eignen sich wunderbar, um mit dem Sound der Platte warm zu werden und danach fließt sie praktisch einfach nur so dahin, elegant und grazil. Das Album eignet sich im Grunde perfekt für die kalten Tage, die uns bevorstehen: Kopfhörer auf, Musik an, Welt aus und abheben.
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