Hideous Divinity - Unextinct

Review

Soundcheck März 2024# 13

Die Thematisierung unbegreifbarer Schrecken auf Hoher See mag nicht unüblich sein, aber wenn eine Band dies hinreichend eindrucksvoll und mächtig in Szene setzt, dann kann man sich davon schon einmal mitreißen lassen. HIDEOUS DIVINITY sind eine Band, die das hinbekommt, einfach weil die Italiener so sagenhaft monströs klingen, einerseits durch eine massiv klingende Produktion, aber eben auch aufgrund eines brutalen Death Metals von ausgesprochen volatiler Natur, der manchmal selbst am Rande der Begreifbarkeit zu ballern scheint. Das kann bei Erstkontakt zugegeben überfordern, wie man anhand meiner Erfahrung mit dem Vollzeit-Vorgänger „Simulacrum“ sehen konnte.

Brutalität mit Abwechslung und Atmosphäre

Der Sound der römischen Schlagetote ist also schon etwas für Fortgeschrittene. Heuer hilft hier ein gutes Maß an Atmosphäre, mit dem auf der vorangegangenen EP „LV-426“ experimentiert worden ist. Jene EP hatte den James Cameron-Klassiker Aliens zum Gegenstand und zeigte die Herren um Enrico Schettino, wie sie ihren dicht gemauerten Todesblei gelungen mit Atmosphäre befüllten, unter anderem durch das Einweben von kleineren Motiven des Aliens-Soundtracks wie in „Chestburst“. Drei Jahre sind seitdem ins Land gezogen und nun werden wir mit dem neuen Vollzeit-Biest der Italiener konfrontiert. „Unextinct“ heißt das gute Stück und knüpft stilistisch im weiteren Sinne dort an, wo „LV-426“ aufhörte.

Sprich: Es gibt monströs klingenden Brutal Death auf die Ohren, der mit Enrico di Lorenzo ein ebenso biestiges Sprachrohr hat. Und wie auf der EP werden atmosphärische Passagen nicht wie Oasen eingestreut, sondern ins Geballer integriert und dieses bisweilen leicht anschwärzt. Was den zum Teil gestört wirkenden Charakter der Musik angeht, so merkt man der Band personelle Überschneidungen beispielsweise mit ABORTED (Stefano Franceschini) oder HOUR OF PENANCE (Schettino) in gewisser Weise schon an, aber die hier gegenständlichen Italiener klingen dann doch ganz wie sie selbst. Es steckt eine wuchtige Gravitas hinter „Unextinct“, welche die Hörerschaft im ersten Moment regelrecht plättet.

HIDEOUS DIVINITY klingen wahrhaft monströs

Diese Überforderung muss man auf Empfängerseite zugegeben erst einmal überwinden. Denn der Sound, den HIDEOUS DIVINITY auf „Unextinct“ heraufbeschwören, ist extrem dicht gepackt und exzessiv laut produziert, mehr als zuletzt bei ABORTED beispielsweise. Die Kompression ist hier teilweise schon grenzwertig und droht bisweilen, sämtliche Dynamiken zu ersticken. Da empfiehlt es sich, mit dem Equalizer zu spielen und beispielsweise die Tiefen etwas herunter zu drehen, ehe man sich dieses Biest zu Gemüte füh- ach was: ehe man sich von diesem Biest überfallen lässt. Damit machen sich die Italiener weiterhin keine Freunde unter Klangästheten und begehen damit eine Wiederholungstat.

Das bleibt auf weiter Flur aber der einzige Makel hier. Denn wenn man diese dichte Wall of Sound erst einmal durchdrungen hat, beginnt „Unextinct“ langsam aber sicher, seine blutigen Fühler gen Hörer auszustrecken. Widerhaken werden entweder in Form von Melodien oder von markigen Grooves platziert, was auch bitter nötig ist. Denn das Songwriting von „Unextinct“ ist ziemlich komplex, obwohl der Sound beileibe nicht auf eine zerebrale Ebene ausgelegt ist wie etwa bei NIGHTMARER. Das macht die Verteilung von Ankerpunkten im Sound umso essentieller und die Erfahrung von „Unextinct“ angesichts des Gelingens dieses Unterfangens umso befriedigender.

Dabei bügelt „Unextinct“ seine Produktionsfalte danke seiner großen Songwriting-Stärke locker glatt

Die Intensität ist dabei konstant hoch, sodass die Italiener ihre noch so zweifelhafte Produktionsentscheidung musikalisch mehr als nachdrücklich komplementieren. Platz für Nuancen ist dennoch mehr als genug. Songs wie „The Numinous One“ belohnen aufmerksame Hörer durch die gute Entwicklung der einzelnen Motive, die immer wieder aufgegriffen werden, etwas worin auch der stimmungsvolle Rausschmeißer „Leben ohne Feuer“ extrem gut ist. Der sperrige Riffklumpen „Quasi-Sentient“ dagegen nimmt geradezu Sludge-artige Züge an hin zum Punkt, dass zwischenzeitlich mal eine faule Brise WAKE vorbeiweht. Tatsächlich kommt diese Assoziation immer wieder auf, auch später auf „More Than Many, Never One“.

Die größte Hürde für Neulinge im Klangkosmos der Band ist wirklich vor allem der Sound. HIDEOUS DIVINITY müssen halt aber auch einfach monströs klingen, sodass dieses Risiko wohl billigend in Kauf genommen worden ist. Auf „Unextinct“ gelingt dieses Wagnis einmal mehr; hier entfesseln die Italiener einen heftigen Sturm, der eine gewaltige Furche durch den Acker zieht als gäbe es kein Morgen mehr. Die Schwächen beschränken sich auf den Sound sowie einiger Drumfills, die so klingen als seien sie möglicherweise im Nachhinein digital hinzugefügt worden. Das Herz und die Seele sind auf „Unextinct“ aber intakt, sodass das Album Freunde wüsten Todesbleis wieder einmal längerfristig binden können sollte.

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15.03.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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5 Kommentare zu Hideous Divinity - Unextinct

  1. destrukt. sagt:

    Hervorragender europäischer Brutal Death, der wiedermal perfekt mein Gusto trifft. Leicht angeschwärzt, endfett produziert, intelligent geschrieben, gleichermaßen brutal wie atmosphärisch, ein weiteres Top-Release der Italiener. Bleibt nur die Frage: Können Hour of Penance das toppen?

    9/10
  2. ClutchNixon sagt:

    Müssen sie das denn? 😉
    Ich finde, die klingen mittlerweile doch recht verschieden, auch wenn HD im eng gestrickten Genrerahmen die innovativere Band sind.

    7/10
  3. Werner sagt:

    Nabend Michael, destrukt und Nixon:)

    uff was isn das für ne Abrißbirne?

    Habs heute einmal gehört und da sind Passagen drin, die plätten mich komplett weg – aber auch etliche Sperrstellen, wo ich nicht weiterkomme – ich versuche gerade die Noten zu notieren – und das mal zu ordnen –

    ich finde es ja sehr bedauerlich – daß es so viele geniale Musiker und Könner gibt – die an ihren Instrumenten mehr rumfetzen können, wie ich damals, obwohl ich länger dran schrabbelte als einige von denen auf der Welt sind –
    und die dennoch- kommerziell gesehen nur überschaubare Erfolge feiern.

    Wie kann man nur so gewaltig abschreddern – so flinke Finger und Füße haben – so voll raushauen – und dennoch – in den Charts tauchts nicht ganz oben auf –

    während ein paar Akkorde und elektronische Klänge Sachen immer wieder ganz oben stehen und verkaufen…….
    das Thema beschäftigt mich innerlich seit dem Jahre 1982 und der NDW und Dadada – ich lieb dich, ich lieb dich nicht.

    Von Minimalismus ist das Album hier Welten entfernt.

    Meinen persönlichen Dauerhörwollengeschmack trifft es nicht ganz –
    kann da nicht aus mir raus – komme halt aus ner anderen Zeit und präferiere nach wie vor andere Gesangstile-
    aber was da instrumental abgeht an Bombast – woaaaahhhhhhhhhh!
    Die Jungens haben bestimmt nach jedem Song im Studio die Hände und der Drummer auch die Füße in Eiswickel packen können/müssen 🙂

    Hier auf Metal.de wieder mal so ne Mucke, wo ich nicht fair werten kann, da zu sehr geprägt aus der Vergangenheit –
    musikalisch ist das genial, die Texte verstehe ich eh nicht in dem Style während die vom Rezensenten geschilderte Thematik mich anmacht.(ohne ihn wüßte ich nicht, worums hier geht).

    Ja, der DR ist niedrig, das kenne ich aber von vielen Century Produktionen so – die quetschen gerne beim Mastering, und die Sachen sollen eher auf Otto Normalo Anlagen Spaß bereiten und der breiten Kopfhörerfront im Fitneßstudio oder beim Sporteln auswärts oder wo auch immer –

    im Digicheck sah ich einen DR von 4-5 – was der Rezensent Michael da bermerkte – ist schon auch so wahrnehmbar.
    Dem entgegen steht halt die fette musikalische Bank und Wand, die da auf einen zurollt wie eine Flutwelle –

    und ganz ehrlich – ich wüßte nicht, wie man so eine abartig energetische Mucke viel anders mastern sollte –
    um das alles noch halbwegs real in ein normales Wohnzimmer zu bringen, ohne die Fensterscheiben rauszuhauen und die Nachbarn zum Protestmarsch zu bewegen.

    Das ist schon heftiger Stoff – und für jemanden wie mich – nicht so leicht verdaubar – meine Favours kommen aus anderen Bereichen der Rockmusik – aber fasziniert und begeistert mich trotzdem.

    Immer anhören kann ich mir so was leider nicht, ich muß da echt Bock auf die Volldröhnung haben , dann zündet das wie Sau endlich ausm Käfig raus aufs Laufband.

    Ich sehe daher die hiesigen Wertungen im 8er und 9er Bereich durchaus als begründbar und haltbar an!
    Was mir diese Musik wert ist, kann ich erst auf längere Zeit sagen .

    Das wird sich irgendwann wahrscheins um 6-8 einpendeln:)
    Hat aber nichts mit Konzept, Ideen und Mucke an sich zu tun- rein aus musikalischer Sicht kann man da wohl nicht meckern – das ist ne Bank .

  4. destrukt. sagt:

    @Clutch
    Hast du sicherlich recht, was den Vergleich angeht. HD lassen heuer auch das „Brutal“ nur noch geflissentlich durchblicken. Wenn aber die beiden italienischen Vorzeigekloppkapellen kurz hintereinander ihre beiden Langeisen vom Stapel lassen, tut sich mir der direkte Vergleich ganz unweigerlich auf, ganz unabhängig, wie ähnlich sich beide noch aind 😉

  5. Vlad_the_Impala sagt:

    Komischerweise stört mich die aufgepumpte Produktion hier überhaupt nicht (im Gegensatz zu Aborted). Liegt vermutlich daran, dass es nicht so clicky und LowEnd-kastriert klingt.
    Musikalisch liefern HD hier mal wieder sehr interessantes Material ab. Brutalität sehr maß- und stilvoll eingesetzt. Und dieser Layer an cinematischer Epicness/Atmosphäre ist im Vergleich zu Bands wie Aborted oder Cattle Decapitation einfach eine Idee besser in die Musik eingewoben. Delikater, nicht so gimmicky und (mitunter) aufgestülpt/drangetackert. Meiner Meinung nach..
    Und ich würde hier meinem destrukt.iven Vorposter zustimmen: intelligent geschrieben.
    So einen Hauch kompakter würde ich mir die Songs am Ende des Tages dennoch wünschen, aber das ist Nitpicking… letztendlich bin ich sehr froh, dass die Band ihren nicht-amerikanischen Take auf Brutal-DM so unbeirrt durchzieht und Stück für Stück ihren Sound perfektioniert.

    8/10