Inge & Heinz - Ick hab grad nicht zujehört - Ick hab Zitronen jeschnitten

Review

Hier haben wir wieder einen Fall, bei dem es zur altbekannten Haarspalterei kommen wird, ob die „nicht so ernst gemeinte“ Musik aufgrund dessen automatisch jedes Recht hat, sagen wir mal: qualitativ außer Konkurrenz zu fliegen. INGE & HEINZ konnten mit dem Album „Musik zum Möbel uffbauen“ unserem einstigen, zum Zeitpunkt des Verfassens ausgeschiedenen Deutschrock-/Mittelalterspezi Matthias Weise einige lobende Worte entlocken. Dem Verfasser dieser Zeilen ist nicht ganz klar, was mit der Band in den neun Jahren zwischen dieser Platte und dem vorliegenden, neuen Werk „Ick hab grad nicht zujehört – Ick hab Zitronen jeschnitten“ passiert ist, aber … wo soll ich nur anfangen?

„Watt soll’n Ditte?“

Am besten fangen wir mit den positiven Aspekten der Veröffentlichung an. Das Album ist – man muss es angesichts des Inhalts leider betonen – schockierend gut produziert mit ordentlich Druck auf dem Kessel, fast ein bisschen zu modern und übersteuert, aber doch sauber und professionell klingend. Und gelegentlich zeigt die Band, dass sie doch weiß, wie ein wenigstens akzeptabler Track zu klingen hat, zum Beispiel auf dem Doppelschlag „Tetrapackungwein“ und „Schnellkomposter“. Das sind beides recht flotte Nummern, bei denen man sich beim uncharakteristisch ansprechend intonierten Gesang nicht sofort die eigenen Finger von den Händen abessen möchte wie beim Großteil der übrigen Tracks, die unsereins gern mal fassungslos zurücklassen.

Und das kommt wohlgemerkt von jemandem, der gewillt ist, einem J.B.O.-Album mehr als nur eine Chance zu geben. Und und auch wenn deren Jokes oftmals infantil sind und aufgrund ihrer kulturellen Bezüge selten wirklich gut altern, so sind sie meist doch als Witz oder Versuch eines solchen erkennbar. Was hinter „Ick hab grad nicht zujehört – Ick hab Zitronen jeschnitten“ steckt ist … irgendwas, aber definitiv kein Humor. Das ist der Kram, der bei der ländlichen Fassenacht als Verlegenheits-Büttenrede zum Einsatz kommt zwischen den eingekauften, professionelleren Acts, um das Abendprogramm vollzukriegen. Entweder das, oder es ist die Art von Mario Barth-„Humor“, bei der sich Berliner mit ihrer Schnauze allein einfach nur unwiderstehlich lustig finden.

Das schlimmste, nein: ärgerlichste an dem Album ist, dass es immer wieder Hinweise auf eine talentierte Band im Hintergrund gibt, die akzeptablen Uptempo-Nummern „Tetrapackungwein“ und „Schnellkomposter“ zeigen INGE & HEINZ in Hochform, „Ditte“ nervt um die Hook herum zwar ein bisschen, aber der Refrain ist ganz nett und „Eierlikör“ könnte der Gassenhauer einer Fastnachts-Drag Queen sein (was sicher ein Stück weit zum Bandkonzept passt). Aber der Rest besteht meist aus RAMMSTEIN-C-Ware mit schlimmen, schlimmen „Reim dich oder ich fress dich“-Texten, bei denen man sich am liebsten die Kugel geben möchte.

Fremdshämfaktor 100: INGE & HEINZ fordern auf ihre Weise heraus

Und wenn man denkt, dass der Boden des Fasses endlich erreicht ist, schmeißt das Sextett noch die umgedichteten Cover von RAMMSTEINs „Benzin“ („Templin“) und RAGE AGAINST THE MACHINEs „Killing In The Name Of“ („Turnschuh“) obendrauf als Gnadenstoß für die Hörerschaft, wo sich die Band den Vergleich mit J.B.O. wieder gefallen lassen muss (dem sie nicht standhält). Hier kommen wir zu der eingangs erwähnten Haarspalterei: Muss ein Album, das „nicht ernst gemeint“ ist, denn trotzdem gut sein? Sagen wir mal so: Die Band hat uns diese Platte zur Rezension eingereicht und wir müssen natürlich darauf achten, eine Empfehlung basierend auf unseren Erfahrungen und unseren Geschmack auszusprechen.

Ging es bei uns um eine rein qualitative Analyse, so wäre „Ick hab grad nicht zujehört“ nur mittelmäßiger, von RAMMSTEIN beeinflusster Metal mit humorvoll gemeinten Texten teilweise im breiten, märkischen Dialekt und einem fragwürdigen Verständnis von Textmetrik und Wortwitz. Wir müssen dem aber eine Wertung anhängen. Bei INGE & HEINZ muss das Urteil daher negativ ausfallen, denn die Musik reißt nur selten wirklich mit, entlockt kaum einen Lacher mit ihrem bestenfalls oberflächlichen „Humor“ (ganz schlimm ist „Raucherdackel“) und diese Reime tun teilweise einfach nur weh. Das mag live ganz anders aussehen und sei an dieser Stelle keine Kritik an der Live-Präsenz der Band, aber als Studio-Truppe machen die Luckenwalder auf „Ick hab grad nicht zujehört“ keine gute Figur.

Die paar erwähnten Lichtblicke sollte man über die üblichen Streaming-Plattformen samplen …

09.03.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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