Palm Reader - Sleepless

Review

Soundcheck Mai 2021# 13

Die 2011 gegründete britische Band PALM READER aus Nottingham veröffentlichen mit ‟Sleepless” bereits ihr viertes Studioalbum.

Sie haben im Laufe der Jahre stets ihren Sound verfeinert und legen jetzt mit ‟Sleepless” ein außergewöhnliches Album vor. Eines, bei dem man meint, es nach den ersten zwei Stücken bereits direkt durchschaut zu haben um es in die oftmals gleichtönende Hardcore-Ecke einzuordnen. Dies ist aber mitnichten der Fall.

Eine kurze Auseinandersetzung mit ihren früheren Arbeiten zeigt eine Band, die eine Menge Post-Hardcore mit einigen härteren Metal-Ansätzen verbindet und versucht daraus etwas Größeres zu erschaffen. Und ‟Sleepless” stellt sicher den derzeitigen Höhepunkt dieser Bemühungen dar.

Alles außer Stagnation

Im Promotext heißt es, PALM READER seien fast nicht wiederzuerkennen. Früher wurden sie regelmäßig als britische Antwort auf  THE DILLINGER ESCAPE PLAN beschrieben. Auf dem neuen Album verwenden sie ihre brutalen Hardcore-Wurzeln nämlich nur noch als Ausgangspunkt.

PALM READER wollten nicht nur eine weitere Post-Hardcore-Band sein, denn Stagnation war nie Teil des Plans der Gruppe. In einem Interview erklärt Sänger Josh McKeown sogar die Absicht der Band, niemals dasselbe Album oder sogar denselben Song zweimal zu schreiben, wenn sie es verhindern können. Und so liefern sie auf ‟Sleepless” einen bunten Blumenstrauß an unterschiedlichen Stilen ab. Kein Song ähnelt hier dem anderen.

Auf ‟Sleepless” ist ein bunter Stilmix zu finden

‟Hold/Release” ist der erste Song der Platte und passend zum Titel bietet das Stück einen Mix aus angespannten Strophen und einem befreienden Refrain. Die teilweise gescreamten, gesprochenen Worte mit den wirbelnden Drums machen einen flotten Auftakt und ‟Hold/Release” dröhnt ziemlich kompromisslos aus den Boxen. Die hymnischen Sounds kommen nur schwer gegen die beinharten Riffs, die dominanten Basslines und den harschen Gesang an.

Dabei drücken die melodischen Klänge eine schnörkellose Emotionalität aus, welcher durch das Gitarrensolo im dritten Teil des Songs mehr Farbe verliehen wird. Im Text geht es darum, sich zu öffnen und seinen wahren Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Mit dem zweiten Song, ‟Stay Down” geht die Band dann in eine etwas andere Richtung. Der Beginn des Songs ist deutlich schwerer und stampfender. In ihm steckt eine immense Kraft, die die bereits erwähnten Hardcore-Wurzeln zu Tage fördern. Hier wird ausnahmslos geschrien und gebrettert. Der Song gleicht einer massiven Wand und gibt trotzdem so gar keinen Halt. Dadurch erzeugt die Band eine Spannung, von der sich Genrekollegen wie ARCHITECTS heutzutage eine Scheibe abschneiden könnten.

PALM READER lassen ihrer Kreativität freien Lauf

Darf es noch eine andere Richtung sein? ‟Ending Cycle” liefert zu Beginn einen eher rockigen Vibe auf die Ohren. Dies wird besonders durch den cleanen Gesang hervorgerufen.

Selbiger steigert sich im Verlauf des Stücks ein wenig, aber die finale Explosion, auf die hin gefiebert wird, bleibt aus. Es werden hingegen ganz andere Töne angeschlagen, es wird stiller und großflächiger. Aber eben mithilfe von Harmonien und offenen Akkorden und weniger mit der anfänglichen Brachialität.

Eines der Highlights von ‟Sleepless” ist der Song ‟Willow”. Es ist fast so, als würde sich die Vielseitigkeit, die im gesamten Album zu finden ist, hier in einem einzigen Song manifestieren. Der ruhige Beginn wird aus einem minimal besetzten Schlagzeug und einer cleanen Gitarre gebildet. Das Stück ist viel zarter, aber hauptsächlich in Ton und Thema. Im Text geht es um den Verlust eines Kindes und die Ausdauer einer Mutter über diese intensive Art von Trauma hinwegzukommen. Angereichert mit starken Melodien im Refrain.. Die Gitarren scheinen zusammen mit McKeowns unglaublich ausgeprägter, englisch akzentuierter Stimme zu singen, um eine herausragende Harmonie zu schaffen. Der dynamische Verlauf des Tracks wird besonders durch das Schlagzeug angetrieben und durch die optimal passenden Screams vollendet. Die Akkordfolge der Saiteninstrumente wirkt dabei leicht dissonant und macht den besonderen Reiz des Stücks aus.

‟Sleepless” wird mit der Zeit ruhiger

Die zweite Hälfte des Albums ist zu Beginn deutlich ruhiger ausgefallen. ‟A Bird And Its Feathers” besitzt zwar eine spürbare Schwere, spielt allerdings eher mit atmosphärischen Elementen und lässt die Ruhe wirken. Der vermeintliche Liebessong und Herzstück des Albums spielt mit den Gegensätzen, wirkt klaustrophobisch und trotzdem zurückhaltend. Die Glücksgefühle wandeln sich im Falle von Liebe manchmal in Abhängigkeiten und nicht selten wird man zu einem egoistischen Menschen, dem es nur noch darum geht seine Liebe festzuhalten und so eng wie möglich an sich zu binden. Das zu vertonen, ist PALM READER perfekt gelungen.

‟Sleepless” muss man sich erarbeiten

Eine noch weichere und spärlichere Instrumentierung erwartet einen in ‟False Thirst”. Der Track bewegt sich geschickt innerhalb seiner Grenzen und erforscht nuanciertere Melodien, mit tollen Gesangslinien. Im zweiten Teil geht es durchaus kraftvoller mit Screaming Vocals zur Sache, bevor eine sanfte Pianomelodie den Song beendet. Auch einer der herausragenden Songs auf diesem Album.

Die Stücke ‟Brink”, ‟A Love That Tethers” und ‟Both Ends Of The Rope” bilden den Abschluß und runden das PALM READER-Album gut ab. Während ‟Brink” dem Hörer den Post-Hardcore zurückbringt, bietet er durch sein Spiel mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten einen interessanten Drive, der einen in Bewegung versetzt.

Die letzten beiden Songs gehen eher wieder in die ruhigere und emotionalere Richtung und fahren mit teilweise gesprochenen Worten auf, die eine Emotionalität und Intensität aufweisen, die den Hörer noch lange packen.

Ein Album wie aus aus unterschiedlichen Schreibsessions, mit unterschiedlichen Stimmungen oder Schwerpunkten

Mit ‟Sleepless” zeigen PALM READER ihre Vielfältigkeit. Die unterschiedlichen Richtungen, in die die Songs gehen, bilden einen bunten Stilmix für den Hörer. Zwar gibt es den ein oder anderen Song, bei dem man sich einen spürbaren Höhepunkt wünschen würde, dieser Eindruck ist bei der Intensität und Emotionalität der restlichen Werke aber schnell vergessen.

Der Gesang ist der einzige rote Faden und man muss sich durchbeißen, um die vielen Instrumente und Ideen, die im Verlauf des Albums dargeboten werden, zu verstehen. PALM READER haben es sich mit diesem Album nicht leicht gemacht und verlangen den Hörern einiges an Geduld ab, um in die musikalischen Tiefen abzutauchen und die Songs zu ergründen. Sicher, es gibt bindende Elemente wie eine durchdringende Atmosphäre der Verletzlichkeit, abwechselnd sauber gesungene und harsch geschriene Vocals, die einen emotional fesseln. Es dauert jedoch lange, bis man das Album als ganze Einheit genießen kann und die vielen Momenten der Bitterkeit in den Inhalten richtig deutet.

Läßt man sich jedoch drauf ein, erwartet einen ein höchst abwechslungsreiches Album mit tollen, eingängigen Songs.

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18.06.2021

Der metal.de Serviervorschlag

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