Phil Varone - Waking Up Dead

Review

Phil Varone hat die Höhen und Tiefen des Rockstar-Daseins erlebt. Und vor allem an letzteren möchte der Drummer die Zuschauer von Fabio Jafets Film „Waking Up Dead“ teilhaben lassen, einer Dokumentation über sein Leben und den tiefen Absturz in die Drogensucht. Von den Anfängen als musikverrückter Jugendlicher im stickigen Probenraum über die ersten Erfolge mit SAIGON KICK bis hin zu den gigantischen Stadion-Tourneen mit SKID ROW zeichnet die Kamera den Werdegang des sympathischen Musikers nach.
Natürlich lebt hier das viel zitierte „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“-Motto auf, allerdings weniger, um den exzessiven Lebensstil eines Rockstars zu glorifizieren. Vielmehr liegt der Fokus auf der ernüchternden Feststellung, dass hier längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Somit kann dieser Film also durchaus beim ein oder anderen Fan für Ernüchterung sorgen und den ein oder anderen Seifenblasen-Traum zum Platzen bringen.

Die große Stärke der kurzweiligen Dokumentation ist, dass sie den Zeigefinger nur selten zu moralischen Belehrungen erhebt. Statt dessen konzentriert sich der Film auf verschiedene archivarische Backstage-Aufnahmen und aktuelle Interview-Sequenzen. Naturgemäß schwankt hier die Bildqualität stark und man merkt den von Phil Varone selbst gefilmten Passagen an, dass dieser sich in seinem Leben mehr mit seinem Drumset als mit hollywoodreifer Kameraführung beschäftigt hat. Dafür erreicht man aber ein überwältigendes Maß an Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Den Rahmen bildet Phils Selbstreflektion über den eigenen Drogenkonsum und die gerade noch rechtzeitig gezogene Notbremse. Dazwischen teilt sich der Film im wesentlichen in drei große Abschnitte. Der erste ist dem „Rock’n’Roll“ gewidmet und porträtiert die musikalische Karriere des Drummers. Danach folgt der aufgrund zahlreicher nackter Brüste besonders interessante „Sex“-Teil, in dem die ausschweifenden Backstage-Orgien mit Groupies Niederschlag finden. Mit den „Drogen“ wendet man sich schließlich der eigentlichen Kernaussage des Streifens zu und porträtiert die erschreckenden Folgen ausufernden Drogenkonsums auf das Verhalten eigentlich erwachsener Menschen.

Die Klischees, die man landläufig mit den wilden Partys in den Backstage-Räumlichkeiten großer Rockbands verbindet werden hinreichend bedient. Leider verliert sich die Darstellung dabei oft in der Betrachtung dieser großen Rock’n’Roll-Mythen. Nicht, dass ich an nackten Brüsten etwas auszusetzen hätte, aber nach fünf Minuten war mir eigentlich bereits klar, wie erfüllend das Sexualleben eines erfolgreichen Musikers sein kann. Und auch Phil Varomes Nase ist nicht gar so hübsch, dass man sie gefühlte 793 Mal beim wegschnüffeln weißen Pulvers zeigen müsste.
Andererseits wird gerade durch diese repetitive Erzählweise ausgesprochen deutlich, wei schnell diese Orgien auch für die Beteiligten zu leeren Ritualen verkommen müssen, deren Reiz sich nur allzu rasch erschöpft. Und während die nackten Groupie-Möpse anfangs noch als die perfekte Werbung für das Rockstar-Dasein erscheinen, wird spätestens bei Phils zugedröhntem Blick, wenn er stundenlang vor dem Fernseher sitzt und die vergeudete Zeit porträtiert, an die er sich heute noch nicht einmal mehr erinnern kann, deutlich, wie hoch der Preis ist, den er letztlich zahlen musste.

Phil Varone hat die Kurve gekriegt. Er hat den Drogen entsagt und als Konsequenz daraus auch den Job hinter den Kesseln von SKID ROW gekündigt. Auf Tour, so seine Überzeugung, wäre es ihm unmöglich, die Finger von den Drogen zu lassen. Eine wichtige Rolle dürften dabei auch die Kinder spielen, die er mit seiner Ex-Frau Cathy hat. Es erscheint schier tragisch, wie viel diese beiden Menschen einander noch immer bedeuten, deren Beziehung die exzessive Karriere des Drummers leider nicht überstehen konnte.

Unter dem Strich weist diese Dokumentation viele kleine Schwächen auf. So verfügt die DVD lediglich über eine englische Tonspur und ist nur an wenigen Stellen mit englischen Untertiteln versehen. Bei einigen stark genuschelten Textpassagen vermisst man diese hingegen deutlich, während man an anderen Stellen kaum umhin kommt, immer wieder an der Lautstärkeregelung zu drehen, wenn man zu leise gesprochene Statements verstehen möchte.
Dennoch ist „Waking Up Dead“ ein interessanter und in seiner Authentizität absolut sehenswerter Film geworden. Die moralische Botschaft wird deutlich, gleichzeitig betont Phil aber auch an mehreren Stellen, dass nicht nur Musiker in die Drogensucht abrutschen können, sondern auch in anderen Geschäftsfeldern dieselben Gefahren lauern – ein Detail, dass man beim Betrachten dieser Dokumentation sonst allzu leicht vergessen könnte.

29.12.2008

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