Tulus - Biography Obscene

Review

Eine ziemliche Überraschung, ohne großen Promotionvorlauf auf einmal das neue TULUS-Album im Briefkasten zu haben! Gerade mal ein Jahr nach der Ankündigung, die TULUS-Nachfolger KHOLD auf Eis zu legen und TULUS zu reaktivieren, stehen die beiden Köpfe der Band, Sverre und Bergli, mit „Biography Obscene“ auf der Matte, und es ist so, als sei das acht Jahre alte Album „Evil 1999“ gerade erst erschienen und als hätte sich seitdem nichts verändert.

Ganz so ist es allerdings auch nicht. Zwar halte ich TULUS für eine der generell unterbewertesten norwegischen Black-Metal-Bands, und ihre Qualität hat auch stets in ihrer Eigenständigkeit und der Konstanz ihres Stils gelegen – trotzdem haben sich einige Neuerungen eingeschlichen, die den Umstieg von den TULUS des 20. auf die des 21. Jahrhunderts etwas erschweren. Zum einen arbeitet die Band zum ersten Mal mit englischen Texten statt mit norwegischen, was der Platte ein internationales Flair gibt. Außerdem ist „Biography Obscene“ ein Konzeptalbum – was für ein Konzept das ist, lässt sich ohne Texte und genauere Informationen aber nicht herausfinden. Was ich verstanden habe lässt darauf schließen, dass es sich um eine Art tiefsinnigere, morbidere Zwillingsidee zu DIMMU BORGIRs „In Sorte Diaboli“ handeln könnte.
Musikalisch könnte die Band allerdings nicht weiter davon entfernt sein, denn TULUS sind eine von sehr wenigen Kapellen aus dem Black-Metal-Lager, die ohne stumpfe Blastbeats und Hyperspeedgitarren auskommen. Stattdessen haben sie schon immer, wie auch hier, auf simple strukturierte, aber sehr rockige und wirkungsvoll stampfende Songs gesetzt, deren Parts hier und da verbunden sind durch durchaus atmosphärische, aber schräge Melodien. Die Rhythmusgruppe bilden mit Bergli einer der für mich kreativsten Drummer der Szene (schon doll, wieviel Drive man aus einem 4/4-Takt herausholen kann… und diese offene Hi-Hat ist einfach so sauuuuuuuuheavy!!!) und mit Victor ein Basser, der sein Instrument mit enorm viel Bewusstsein und Kreativität einsetzt und sich nicht scheut, auch mal über die A-Seite hinaus auf Basslauferkundungstour zu gehen. Noch mehr Profil gibt dem Album der Einsatz von Streichern, die eine obskur-hinterhältige Atmosphäre ähnlich dem Soundtrack zu „Die Neun Pforten“ erzeugen und schlüssig in den Gesamtsound eingebunden sind – Gleiches gilt übrigens auch für das Saxophon, das natürlich schief wirkt, es aber nicht so sehr auch ist, wie beispielsweise bei SOLEFALD der Fall.

TULUS‘ großer Vorzug und gleichzeitig ihr großes Manko ist, dass sie unspektakulär klingen, leicht als tumber Black’n’Roll-Verschnitt abgestempelt werden können, bei genauem Hinhören aber bewundernswert harte, groovige und düster-morbide Musik auskotzen (wer das nicht glauben will, möge sich mal „Stories Untold“ anhören – die vertonte Gänsehaut). Ich finde das sehr viel geiler (auch sehr viel geiler produziert, weil wirklich rotzig und basslastig heavy) als das plakative Zeug, das CARPATHIAN FOREST in den letzten Jahren abgeliefert haben, mehr Eier als VREID haben TULUS sowieso, und im Grunde gefällt mir „Biography Obscene“ auch besser als die ganze KHOLD-Diskographie, einfach weil TULUS das avantgardistischere Pendant zu den reinmetallischen KHOLD sind. Dass es nicht mehr Punkte hagelt liegt daran, dass ich die Platte zwar persönlich sehr mag, aber auch einsehen kann, dass sie garantiert nicht so vielen Hörern gefallen kann, wie sie es verdient hätte – dafür ist der Stil einfach zu eigenartig. Und natürlich daran, dass „Mysterion“ ein Maßstab ist, an dem jede Band scheitern muss.

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21.06.2007

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2 Kommentare zu Tulus - Biography Obscene

  1. me sagt:

    Mehr Eier als VREID? Oh nein, TULUS haben vier, VREID acht, also da seh jetzt einen klaren Sieger. Von der Musik mal ganz abgesehen…

    6/10
  2. Bluttaufe sagt:

    Oha, das Review liest sich wie von einem Groupie geschrieben! Ich mag TULUS auch, liebte deren Album „Evil 1999“ und deren ersten beiden Alben + Demos zusammengefasst als Doppel-CD „Cold Core Collection“.
    Das alte Feeling ist weg. Rockige KHOLD Parts treffen auf Flamenco Gitarren und Geigen Parts…das ganze mit einem wenigen knackigen Drumsound versehen. Wenn man dann noch krampfhaft versucht die etwas belanglose Musik mit Keyboards aufzupeppen dann könnte man meinen TULUS hätten ihr letztes Pulver verschossen und versuchen nur noch zu kaschieren.
    Für zwischendurch ganz nett aber für TULUS Verhältnisse absolut unwürdig.

    6/10