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Interview mit Oddleif Stensland

Interview

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„The Bottom Deep“ ist ein Album, das sämtliche Anhänger von COMMUNIC überzeugen dürfte, allerdings auch eines, von dem Oddleif Stensland, Sänger und Gitarrist, hoffte, es nie schreiben und veröffentlichen zu müssen. Warum, erfahrt ihr in unserem Gespräch mit ihm.

Hallo, Oddleif, wie geht es dir?

 

Mir geht es gut, danke.

 

Wie ist denn das Wetter in Norwegen jetzt zum Sommeranfang?

 

Es ist sehr schön, es ist kalt und nass (lacht).

 

Bei uns war es auch eine sehr regnerische und windige Woche. Im April war es Sommer, und jetzt Ende Juni ist alles vorbei.

 

Das war bei uns auch so. Einen Monat Sommerhitze und dann…bruah.

 

Lass uns mal zu eurer neuen Scheibe kommen.

 

Gerne. Bei dem Sauwetter kann man sich wenigstens voll und ganz auf die Musik konzentrieren. (lacht).

 

Das stimmt, das Wetter passt sehr gut zu eurer Musik.

Habt ihr denn schon Reaktionen erhalten auf euer neues Album „The Bottom Deep“ und wie sind die ausgefallen?

 

Noch nicht allzu viele, aber die paar, die ich gesehen habe, zum Beispiel vom norwegischen Magazin Scream, waren gut. Die haben glaub ich sechs von sechs Punkten gegeben, für die Norweger ist das viel, die machen das selten (lacht).

 

Du hast also noch nicht so viele Interviews gegeben.

 

Nein, noch nicht so viele. Die laufen gerade erst an, du bist also einer der Ersten, haha.

 

Ich muss euch gratulieren. „The Bottom Deep“ ist ein sehr spannendes Album, mit einer besonderen Atmosphäre.

 

Danke sehr.

 

Ich erinnere mich noch daran, als ihr Interviews gegeben habt für eurer zweites Album. Da sagtest du, dass ihr schon ein bisschen Druck verspürt hättet, weil die Reaktionen auf euer Debüt so gut waren. Wenn man sich „The Bottom Deep“ anhört, hat man das Gefühl, dass ihr solche Probleme diesmal nicht hattet. Ist es für euch einfacher geworden, Songs zu schreiben?

 

Das ist eine schwierige Frage. Natürlich haben wir immer versucht, in erster Linie Songs zu schreiben, die WIR mögen. Im Internet gibt es ja immer Reaktionen wie „Ach Gott, jetzt klingen die so“, oder „so sollten sie klingen“. Wir haben immer versucht, unsere eigene Musik zu machen. Deswegen findet man, denke ich auch, nicht so viele Bands, die wie wir klingen.

 

Ihr wurdet immer gerne mit NEVERMORE verglichen, speziell dein Gesang mit dem von Warrel Dane. Ich habe nie so wirklich verstanden, warum…

 

Ich glaube, das liegt daran, dass es den Leuten schwerfällt, unsere Musik zu beschreiben, oder dass sie nicht wissen, mit wem man uns vergleichen kann. Dann machen sie es sich leicht und vergleichen uns mit NEVERMORE, weil ich so ähnlich singe wie Warrel.

 

Stört dich das?

 

Nein, eigentlich nicht. Ich denke aber auch nicht so viel darüber nach, um ehrlich zu sein. Wenn ich Riffs spielen würde wie James Hetfield, würden uns die Leute mit METALLICA vergleichen. Außerdem ist ein Vergleich mit Warrel Dane ja eher ein Kompliment. Es gibt nicht viele, die so klingen. Ich singe mit der Stimme, die ich habe, und gebe dabei mein Bestes.

Aber nochmal zurück zu deiner Frage mit dem Songwriting: „The Bottom Deep“ war eigentlich sehr einfach zu schreiben, aber es war schwer, es zu veröffentlichen, wegen des sehr persönlichen Anstrichs. Ich denke aber, „Payment Of Existence“ war das schwierigste Album. Nach dem zweiten Album waren die Erwartungen noch viel höher als nach dem ersten. „Conspiracy In Mind“ kam sehr gut an, „Waves Of Visual Decay“ aber sogar noch besser, und jeder wollte wissen, wozu wir im Stande sind und wie lange wir das Niveau halten können.

Nach dem dritten Album ist aber viel passiert, es gab keine Tour, ich musste einfach einen Schritt zurücktreten, um viele Dinge in meinem Leben zu sortieren.

 

Ich nehme an, dass die Erfahrungen, von denen du grade sprachst, sich auch in den Texten des neuen Albums widerspiegeln. Vielleicht kannst du zumindest einen kleinen Hinweis geben, worum es auf der Scheibe geht, so weit ich weiß, handelt es sich ja um ein Konzeptalbum.

 

Also, der Release dieses Albums löst bei mir gemischte Gefühle aus. Angst und Vorfreude, haha. Eine neue Scheibe zu veröffentlichen ist ja eigentlich etwas Tolles, weil man möchte, dass die harte Arbeit Früchte trägt. Natürlich ist das auch diesmal so, gleichzeitig lege ich meine Emotionen und mein Innenleben aber auf eine Art und Weise frei, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Jeder Text, den ich bisher geschrieben habe, basiert natürlich auf persönlichen Erfahrungen, „The Bottom Deep“ ist allerdings fast schon eine Art Therapie. Deshalb ist es auch so düster.

(Atmet durch). Puh, also es ist nicht so einfach, darüber zu sprechen. Alle Songs des Albums basieren auf einem bestimmten Ereignis, als jemand, der mir sehr nahe stand, gestorben ist. Es geht also um die typischen Fragen bezüglich Leben und Tod. Warum dürfen manche Menschen alt werden und auf natürliche Art sterben, und andere nicht? Warum sterben sie früher?

 

Als ich das Album zum ersten Mal hörte, ist mir besonders der Titelsong aufgefallen, der ja ganz am Ende steht. Man denkt, „Wayward Soul“ sei der intensivste Song des Albums und dann stellen diese zweieinhalb Minuten nochmal alles auf den Kopf.

 

Diese zweieinhalb Minuten sind das komplette Album in zwei Minuten. Wenn du dir nur diesen Song anhörst, dann hast du die Essenz des Albums beisammen. Alles, wofür die Scheibe steht. Und die meisten Songs müssen genau da stehen, wo sie stehen.

Nach dem Todesfall habe ich sieben Monate keine Musik gemacht. Keine Songs geschrieben, keine Gitarre gespielt. Ich habe es sogar versucht, aber meine Kreativität war komplett im Eimer. Auf die Arbeit konnte ich auch nicht gehen. Es war der „bottom deep“.

Dies ist also ein Album, von dem ich dachte, ich würde es nie schreiben müssen. Wir hatten schon immer traurige Songs, aber das hier geht einige Schritte weiter. Wir alle müssen uns mit dem Tod auseinandersetzen. Jeder Mensch macht irgendwann eine solche Erfahrung. Egal, um wen es sich handelt, die Großeltern, die Eltern, manchmal die eigenen Kinder. Gute Freunde. Irgendwann auch man selbst. In den Texten befasse ich mich damit, wie habe ich mich gefühlt, was habe ich getan. Vor allem aber: Was habe ich getan, um diesen Schicksalsschlag verdient zu haben?

 

Viele werden sich also womöglich in den Texten wiederfinden.

 

Ich habe die Texte auf eine Art und Weise geschrieben, dass man die Songs auch als einfache Metal-Songs gut finden kann. Man muss sich nicht eingehend mit den Inhalten befassen, wenn man nicht will. Am Ende sind es Metal-Songs, mit denen man auf eine gewisse Art Spaß haben soll. Wenn man sich aber entscheidet, sich mit den Texten auseinanderzusetzen, wird man viele Dinge finden, von denen ich glaube, dass sie auch unsere Hörer nachvollziehen können. Meine Geschichte findet sich eher zwischen den Zeilen.

Es ist aber viel einfacher, die Songs zu spielen, und die Emotionen so auszudrücken, als dir das hier zu erklären. Das fällt mir wirklich schwer diesmal.

Ich hoffe nur, dass der ein oder andere auch für sich Momente entdeckt, die ihm etwas bedeuten, ihm vielleicht helfen. Ich lege es nicht auf Mitleid an. Für mich ist das eine große Sache, in der Gesamtheit ist meine Geschichte aber unbedeutend. Wenn man die Nachrichten einschaltet und sieht, wie Menschen von einem Tsunami getötet werden, dann spielt die persönliche Geschichte von Oddleif Stensland keine Rolle. Es ist immer eine Sache der Perspektive. Aber für mich ist das Album eine große Sache, und vielleicht empfinden unsere Fans in manchen Augenblicken auf dem Album ähnlich. Das würde ich mir wünschen.

Heavy Metal ist eine Musikrichtung, die sehr viel mit den Emotionen spielt, mit der man Trauer, Wut, Zorn, aber auch Freude verarbeiten kann. Das wusste ich immer, das ist mir jetzt aber bewusster, als je zuvor. Das ist doch auch das Tolle daran.

 

Ist diese persönliche Note auch der Grund, warum ihr das Album diesmal selbst produziert habt?

 

Ja. Ich habe es einfach nicht gewagt, da jemand Außenstehendes mitreden zu lassen. Ich wollte die Kontrolle darüber haben, ich wusste, wie das Album klingen soll. Ich brauchte diesmal niemanden, der mit sagt, wie die Gitarre oder der Gesang besser klingen. Ich wollte alles so natürlich und organisch wie möglich, so unverfälscht wie es nur ging. Ich glaube, das ist gelungen, es klingt roh, nicht so poliert. Ich liebe Jacob Hansens Produktionen, aber ich musste es diesmal einfach alleine machen. Ich wäre nicht zufrieden gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.

Das wird ohnehin häufiger so sein in Zukunft, Eigenproduktionen sind im Kommen. Die Budgets werden auch nicht unbedingt höher, da werden viele Bands ihre Alben sozusagen „zu Hause“ aufnehmen. Wir hatten das Glück, das größte Studio in unserer Region buchen zu können. 24 Stunden durften wir da arbeiten, ich hab sogar noch den Schlüssel (lacht). Mit dem Techniker haben wir die, du wirst es erraten, technischen Sachen ausgearbeitet. Ich mit meiner Musikererfahrung, und er mit seinem Know-How. Er hat dann sieben Stunden mit uns gearbeitet, ging nach Hause, und wir konnten weiterarbeiten, so lange wir wollten.

 

Da hat die Arbeit mit Jacob sicher geholfen.

 

Ganz sicher, und zu Hause hab ich auch ein kleines Studio, wo ich an den Demos und so weiter arbeiten kann.

 

Wie wichtig ist da der Input der beiden anderen Jungs?

Sehr wichtig. Ich habe zwar Ideen und nehme durchaus auch mal ein paar Drums für die Demos auf, aber das spiele ich den Jungs nicht vor. Ich bringe im Proberaum meine Ideen ein und würde ihnen niemals sagen, was sie zu tun haben. Ich sage nicht unserem Drummer, wie er zu spielen hat. Die müssen schon mit ihren eigenen Ideen ankommen.

Die Songs sind deshalb auch etwas länger geworden, als ich dachte.

 

Gut, dass du das ansprichst, beim letzten Album waren manche Fans und Kritiker der Meinung, die Songs seien ein bisschen zu lang gewesen, diesmal sind die Nummern eher um die sechs Minuten lang statt an die zehn.

 

Ja, diesmal wollte ich etwas mehr auf den Punkt kommen. Es gab immer mal wieder einige Parts, die wir letztlich weggelassen haben, weil sie dem Song keine Besonderheit hinzufügen und nichts zu ihm beitragen.

Im Vorfeld haben wir allerdings nicht allzu sehr über die Songlänge diskutiert, aber es gab auch Fälle, bei denen einer der Jungs unbedingt noch etwas zum Song hinzufügen wollte. Und das durfte er dann.

Wir spielen auch seit acht Jahren im gleichen Line-Up und da arbeitet man schon automatisch gut zusammen.

 

Du spielst immer noch als Einziger in der Band Gitarre, du singst, und beides nicht gerade einfach: Kommst du manchmal an einen Punkt, an dem du merkst, dass du an der Grenze dessen angelangt bist, was du alleine leisten kannst?

 

Ich spiele ja nicht so viele Soli (lacht).

 

Obwohl du einige tolle Melodien in die Songs integriert hast, mehr als zuvor.

 

Das stimmt, aber das sind eher diese Art von Melodien, die man mitsummen kann. Das ist eher mein Stil. Da, wo Worte versagen, kommt eine Gitarrenmelodie hin, haha.

Bisher haben wir noch nicht darüber nachgedacht, ein viertes Bandmitglied zu engagieren. Ich lege Wert darauf, dass ich das, was ich aufnehme, auch live umsetzen kann.

 

Ich hab euch 2006 gesehen, als ihr das allererste Queen Of Metal-Festival geheadlinet habt. Ich weiß nicht, ob du dich noch erinnerst.

 

Doch, klar. Es war sehr heiß an dem Tag, und wir kamen etwa 45 Minuten vor unserem Gig an. Das musste also alles sehr schnell gehen.

Gab es bei dem Festival nicht Probleme mit der Location?

 

Einer der Landwirte hat Eigenbedarf angemeldet.

 

Hoffentlich gibt es da bald eine Lösung, ich würde da gerne wieder spielen.

 

Von der Musik kannst du nach wie vor nicht leben.

 

Nein, absolut nicht.

 

Würdest du es gerne können?

 

Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken.

Wenn man eine Familie hat und Kinder, ist das speziell hier in Norwegen nicht so einfach, denn hier ist das Leben sehr teuer. Wenn ich mir nur über mich Gedanken machen müsste, könnte ich mich locker wochenlang in den Bus setzen und sehen, was passiert. Aber mit der Familie geht das nicht in dieser Form.

Natürlich macht es Spaß, auf Tour zu gehen, auf Festivals zu spielen und das auch zu genießen. Tourneen, die länger als drei oder vier Wochen gehen, sind aber einfach nicht drin.

Wenn wir ernsthaft von der Musik leben wollten, müssten wir auch etwas anderes machen.

Wir sind sehr froh, dass wir eine Plattenfirma haben, die Geld in uns investiert, obwohl wir nur eine kleine Band sind. Bei Nuclear Blast gibt es auch eine sehr menschliche Seite, da ist nicht alles nur Geschäft. Wir haben diesmal viel länger gebraucht, als wir uns vorgenommen hatten, und das Label sehr lange auf das fertige Ergebnis warten lassen. Beim Label hieß es aber nur, dass das kein Thema sei und wir uns so viel Zeit lassen können, wie wir bräuchten. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Normalfall ist, wie oft hört man davon, dass Labels ihren Bands Druck machen und sich von ihrem Veröffentlichungstermin nicht abbringen lassen.

Letztlich hat mich die Art, wie Blast an die Sache herangehen, auch nach den persönlichen Rückschlägen wieder für die Musik motiviert.

 

Was machst du denn beruflich?

 

Ich habe eine Firma für Grafik-Design.

 

Das ist ja immerhin etwas, was du auch für die Band nutzen kannst.


Das stimmt, das Artwork der ersten paar Alben habe ich selbst gemacht. Diesmal wollten wir jemand anders ins Boot holen, um auch mal einen etwas anderen Ansatz zu kommen.

 

Schade, dass unsere Interviewzeit gerade zu Ende geht. Zum Schluss: Ihr kommt im August für ein paar Konzerte zu uns.

 

Ja, wir machen eine kleine Tour, die Daten könnt ihr auf unserer Homepage finden.

 

Vielen Dank, Oddleif, für das aufschlussreiche Gespräch.

09.07.2011

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