Decapitated
Decapitated

Interview

Die Polen von Decapitated haben dieser Tage mit "The Negation" ihr Drittwerk veröffentlicht und konnten sich im Vergleich zu den Vorgängern nochmals steigern. In Anbetracht ihres immer noch jungen Alters eigentlich kein Wunder, aber wenn man die technische Finesse ihrer ersten beiden Alben betrachtet, dennoch außergewöhnlich. Bassist Martin fand demnach auch Zeit, zwischen seinem ganzen Unistress kurz bei mir durchzuklingeln und ein wenig über die Band und das neue Album zu plaudern. Natürlich ließ ich es mir als Bierliebhaber nicht nehmen, dem verwöhnten polnischen Bierkenner auch diesbezüglich etwas auf den Zahn zu fühlen.

DecapitatedHi Martin! In jedem Review, das ich über eure ersten beiden Scheiben gelesen habe, wurde euer junges Alter erwähnt. Was war es für ein Gefühl, als solche Jungspunde in die Death Metal-Szene zu kommen? Haben die anderen euch respektiert?

Keine Ahnung, ich habe sie nie gefragt. Aber wir hatten keinen Grund, mit unserer Bandgründung noch länger zu warten. Wir wussten genug über Musik, um ein paar Demotapes aufzunehmen.

Was hat sich seit den Demos bis jetzt, wo euer drittes Album veröffentlicht und von den Kritikern abgefeiert wird, verändert?

Auf gewisse Weise verändert sich alles zu jeder Zeit. Wir versuchen, uns stetig zu verbessern, unsere technischen Fähigkeiten auszufeilen, unser Wissen zu vergrößern. Wir üben, um immer besser und besser zu werden. Niemand ist perfekt. Deswegen gebe ich auch nicht viel darauf, wenn jemand zu mir sagt, dass er der Beste in irgendetwas sei. Man kann immer mindestens eine Sache besser machen.

Ihr seid/wart alle auf einer Musikschule. Nicht ganz gewöhnlich für Leute, die in einer Death Metal-Band spielen. Welche Vorteile bringt euer großes theoretisches Hintergrundwissen mit sich?

Es ist nur Hintergrund, wie du schon gesagt hast. Auf der Musikschule haben wir nie etwas gemacht, was mit Metal zu tun hatte. Wir haben viel über Klassik und Jazz gelernt. Aber so haben wir einen guten Überblick über die gesamte Musik und nicht nur über den Metal. Das ist wichtig.

Und die Toleranz anderen Musikstilen gegenüber wächst?

Auf jeden Fall. Das ist genauso wichtig. Als ein Mitglied einer Musikschule musst du open-minded sein. Andersherum wäre es auch genauso falsch, wenn wir nur Klassik oder Jazz hören würden. Es gibt in jedem Stil großartige musikalische Momente, weswegen man etwas verpassen würde, wenn man nur auf eine Sache fixiert ist.

Wann habt ihr angefangen, eure Instrumente zu spielen?

Jeder von uns hat mit acht oder neun Jahren angefangen.

Habt ihr am Anfang von Decapitated erwartet, dass ihr so schnell bekannt und größer werden könnt?

Nein, auf keinen Fall. Wir wollten einfach nur Demo-Tapes aufnehmen, damit wir sie uns zu Hause anhören konnten. An einen Plattenvertrag haben wir damals überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Das ist einfach passiert. Natürlich haben wir überhaupt nichts gegen diese Entwicklung. Sie kann nur gut für uns sein. Wir können Shows spielen, ins Studio gehen und wir müssen nichts dafür bezahlen.

Welche Bands haben euch eigentlich zum Metal gebracht?

So genau kann ich das gar nicht mehr sagen. Es waren verschiedene Truppen. In erster Linie vielleicht Metallica und die alten Sachen von Sepultura.

Wie würdest du eure musikalische Entwicklung von „Winds Of Creation“ bis hin zu „The Negation“ beschreiben?

Es gibt wahrscheinlich keinen Weg, den wir nicht beschreiten können. Wir wollen das nächste Album immer besser machen als seinen Vorgänger. Das ist das Wichtigste. Das heißt aber nicht, dass ein Album schneller oder technischer sein muss. Es muss uns musikalisch einfach einen Schritt weiter bringen.

Das ist euch dann ja mit eurem neuen Werk perfekt gelungen. Technisches Gefrickel und straightes Auf-die-Fresse-Riffing stehen genau im richtigen Verhältnis.

Ja, genau das wollten wir erreichen. Hätten wir ein rein technisches Album eingespielt, wäre es auf die Dauer einfach langweilig geworden. Wir wollten uns von „The Nihility“ unterscheiden.

Eure neue CD heißt „The Negation“. Was genau verneint ihr?

Das hängt davon ab, wie jeder einzelne das Wort „Negation“ für sich selbst auslegt. Es kann eine Verneinung von allem sein, oder auch nur von Religion, Kriegen oder ähnlichem. Das ist jedem selbst überlassen, wie er die Texte interpretiert. Über die Richtigkeit dessen zu diskutieren ist müßig, denn wir haben dieses Konzept extra so weit angelegt.

Das Albumcover zeigt einen dunklen Kreis mit einem Zeichen. Was symbolisiert dieses Zeichen?

Eigentlich sind das zwei Zeichen. Eines stammt aus der ägyptischen Mythologie und es steht für die Verneinung. Bei dem anderen kenne ich den Ursprung nicht, aber es hat zu tun mit Sex/Erotik/Fortpflanzung. Beide zusammen ergeben dann den Weg zum Tod, der ja im Prinzip wieder eine Verneinung ist.

Ist es wahr, dass ihr ein neues Bandmitglied habt? Das Promofoto zum letzten Album zeigte ein Quartett, jetzt ist darauf ein Quintett zu sehen.

Hiro ist kein permanentes Mitglied. Im Studio sind und bleiben wir zu viert. Wir haben von Anfang an dasselbe Line-up. Hiro spielt selbst in zwei anderen Bands, Sceptic und Dies Irae. Und er zockt noch ab und an bei den Jungs von Vader mit. Er hat also genug zu tun. Deswegen wollen wir ihn nicht zwingen, bei uns richtig einzusteigen. Wenn er es jedoch einrichten kann, ist er auf unseren Shows immer gern willkommen.

Im englischen Terrorizer Mag seid ihr im Jahre 2000 zum Best Newcomer gewählt worden. Was bedeuten euch solche Titel?

Solche Titel sind nicht wichtig. Natürlich freuen wir uns darüber, aber das Wichtigste ist, dass wir selbst mit unserer Musik zufrieden sind.

In eurer Bandinfo steht etwas davon, dass ihr die Führer einer New Wave Of Death Metal seid. Was bitte ist diese New Wave Of Death Metal? Ich selbst habe noch keine erkennen können.

Ich habe echt keine Ahnung. Das ist einfach ein Promotext. Wir haben das nicht geschrieben. Ich weiß auch nichts über eine New Wave Of Death Metal. Frag am besten mal den Typen, der das kreiert hat. Death Metal ist für mich immer noch dasselbe wie vor zehn Jahren, abgesehen davon, dass sich Bands immer weiter verbessern und das auch müssen. Sonst würde die Szene einschlafen, wenn immer nur das Gleiche gespielt wird. Evolution ist sehr wichtig.

Wenn man die Wörter „Polen“ und „Death Metal“ hört, denkt man direkt an Vader. Glaubst du, der Ruf der polnischen Szene wäre heute genauso gut, wenn es sie nicht gegeben hätte?

Schwere Frage, keine Ahnung, wo unsere Szene jetzt wäre. Aber zweifelsohne waren sie die ersten, die außerhalb von Polen Fuß fassten und bekannt wurden. Sie haben den Käfig aufgebrochen. Davon profitieren wir heute natürlich.

Ihr wart vor kurzem mit ihnen auf Tour durch euer Heimatland. Etwas Größeres kann einer Death Metal-Band in Polen doch nicht passieren, oder?

Ja, das stimmt. Aber es ist immer großartig, im eigenen Land zu spielen. Jeder spricht deine Sprache, großartiges Essen. (lacht) Viele andere Bands aus dem Ausland haben mir schon gesagt, dass die polnischen Fans zu den besten weltweit gehören.

Du hast eben großartiges Essen erwähnt. Wie sieht es mit Bier aus? Ich liebe speziell das Bier aus Polen und Tschechien. Wie siehst du es im europäischen Vergleich?

Ich finde schon, dass die polnischen Biere die besten in Europa sind. Meine Lieblingssorte ist „Tatra“. Die tschechischen sind natürlich auch nicht zu vernachlässigen, wobei mir hier jetzt keine genauen Marken einfallen. Aus beiden Ländern sind die Biere irgendwie old-fashioned. Über die deutschen kann ich jetzt gar nichts sagen, weil ich schon so lange nicht mehr bei euch war.

Gute Überleitung. Wann sieht man euch wieder in unseren Clubs oder auf unseren Festivals?

Es gibt die Möglichkeit, demnächst eine Tour zu fahren, aber es müssen erst noch Verhandlungen geführt werden. Wenn sie zustande kommen sollte, werden wir natürlich auch einige Dates in Deutschland spielen.

Was ist der größte Traum, den ihr mit Decapitated habt?

Für den Metal zu leben und von ihm leben zu können. Keine Jobs neben der Band haben zu müssen, um durchzukommen.

Viel Glück dafür! Den richtigen Weg habt ihr ohne Zweifel eingeschlagen.

Galerie mit 23 Bildern: Decapitated - Easter Cross 2024
10.02.2004

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37118 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Decapitated auf Tour

15.11.24As I Lay Dying - Through Storms Ahead Europe 2024As I Lay Dying, Decapitated, Caliban und Left To SufferPosthalle, Würzburg
25.11.24As I Lay Dying - Through Storms Ahead Europe 2024As I Lay Dying, Decapitated, Caliban und Left To SufferHuxleys Neue Welt, Berlin
29.11.24As I Lay Dying - Through Storms Ahead Europe 2024As I Lay Dying, Decapitated, Caliban und Left To SufferZenith, München
Alle Konzerte von Decapitated anzeigen »

Kommentare