Ophis
Interview zu Withered Shades

Interview

Mit OPHIS hat mich ausnahmsweise eine Band dazu bewegt, etwas anderem als Black Metal meine Aufmerksamkeit zu schenken. Das allein wäre für mich schon Anlass genug, der Truppe auf diesen Seiten etwas Platz einzuräumen. Viel wichtiger ist aber, dass „Withered Shades“ ein mächtiges Stück Death/Doom ist, dem man gar nicht genug huldigen kann.

Ophis

Guten Tag! Wie ist das Wetter heute so in Hamburg?

Moin. Das Wetter ist hier heute widerlich sonnig und warm. Draußen singen die Vögel und ständig knutschen Leute auf der Straße, lachen und essen Eis. Überall summt das Leben. Grauenhaft.

Obwohl es Euch schon eine ganze Weile gibt und Euer neues Album auch sehr großartig ist, seid Ihr (leider) noch nicht sonderlich bekannt. Deshalb musst Du wohl in den sauren Apfel beißen und unseren Lesern OPHIS ein bisschen näher vorstellen. Wo kommt Ihr her? Wo wollt Ihr hin? Was treibt Euch an? Wie hat sich die Band über die Jahre entwickelt?

Im Metal-Mainstream sind wir in der Tat sehr unbekannt, und das ist auch in keinster Weise schlimm. Im Doom-Metal-Underground sind wir dagegen mittlerweile recht etabliert. Aber ich werde trotzdem mal in Kürze unsere Bio runterbrechen: Ich habe OPHIS 2001 gegründet, damals als reines Nebenprojekt. Nach nur ein paar Monaten kam die Auflösung, weshalb ich ab 2002 als Soloprojekt weitergemacht und das erste und bisher einzige Demo „Empty, Silent And Cold“ aufgenommen habe. Ende 2003 kam dann die Reunion als richtige Band, und seitdem betreiben wir die Sache auch mit entsprechendem Ernst. Kein Nebenprojekt mehr.
Was uns antreibt, ist ganz klar einerseits der Drang, uns selbst auszudrücken und unsere Empfindungen und Gedanken in Musik zu kanalisieren. Ist schließlich sinniger als rauszugehen und Mülltonnen in Schaufenster zu schmeißen. Oder zumindest nicht unsinniger. Und andererseits der Wille Musik zu spielen, die noch nicht von dieser ganzen schäbigen Pop- und Plastikattitüde ergriffen ist, die sich im Metal leider immer mehr ausbreitet, sondern Musik, die noch authentisch ist.

Nachdem Euer letztes Album bei einem kleinen deutschen Label erschienen ist, seid Ihr nun bei Solitude Productions in Russland gelandet. Was hat Euch in die Ferne getrieben?

Die Tatsache, dass deutsche Labels in der Regel nach wie vor einen weiten Bogen um Doom Metal machen. Wir hatten von mehreren Labels Angebote, aber es war nur ein deutsches darunter. Allerdings haben Solitude einfach am zügigsten ein konkretes Angebot gemacht, während alle anderen Labels sich nicht so recht entscheiden konnten, wie der Deal denn nun genau aussehen sollte. Und da Solitude als reines Doomlabel alle Strukturen haben, die wir benötigen und eben deutlich konkreter waren, haben wir entschlossen, nicht länger zu warten und haben unterschrieben. Zumal der Vertrag fair war.

Solitude Productions machen alles von christlichem Doom bis hin zu Black Metal. Wie gut passt Ihr in dieses Umfeld, und was erwartet Ihr Euch von der Zusammenarbeit? Ist Solitude für Euch eine längerfristige Heimat oder bloss eine kurzfristige Zwischenstation?

Dass Solitude auch Black Metal herausgebracht haben sollen ist mir neu. Welche Band soll denn das gewesen sein? (Auf dem Unterlabel BadMoonMan gibt’s da einige, die recht hörenswerten RAVENTALE etwa. -Ed.) Als ich mir deren Roster angeschaut habe, ist mir da eigentlich nur Doom untergekommen, und sie selbst sehen sich auch als reines Doom Label. Von daher passen wir perfekt da rein, wie ich finde. Die meisten Bands dort sind etwas moderner als wir, aber insgesamt finde ich, dass wir in ihrem Programm gut aufgehoben sind. Was die Christen angeht, sagen wir mal so: wenn ich ein Label hätte, würde ich keine christlichen Bands signen, aber ich habe kein Problem damit, auf dem gleichen Label wie eine christliche Band zu sein. Solange das Label an sich nicht christlich ist, ist das keine große Sache. Andere Aspekte sind da für uns viel wichtiger. Wir würden beispielsweise nicht bei einer Plattenfirma unterschreiben, die Nazis unter Vertrag hat, oder überwiegend Power Metal und Deathcore und solche Scheiße. Wir haben wie immer nur für ein Album unterschrieben, machen wir eigentlich immer so. Mal gucken, wie es so weitergeht.

Wie kommt man eigentlich auf die Idee, anno 2010 noch Doom/Death zu spielen? Die letzte kommerzielle Hochphase des Genres war Mitte der Neunziger, und vom (bescheidenen) Funeral-Doom-Trend von vor ein paar Jahren konntet Ihr wohl kaum profitieren. Ganz ehrlich: Als Genre ist Doom/Death ziemlich unsexy. Wie kommt Ihr damit klar, dass aus OPHIS nie ein Megaseller wird? Oder plant Ihr mit Solitude jetzt die Weltherrschaft?

Doom Metal zu spielen ist in der Tat unsexy, aber solche musikalischen Strömungen gehen uns gerade so weit am Arsch vorbei, dass wir noch drauf scheißen können. Wir sind ohnehin nie auf die Idee gekommen Death/Doom zu spielen, das ist einfach etwas, dass aus uns rausdrängt. Ein unwillkürlicher Prozess. Diese Musik drückt perfekt aus, was mir im Kopf herumgeht, und da ist es mir egal, wie aktuell oder wie lukrativ das ist. Die Tatsache, dass OPHIS niemals ein Megaseller werden wird, empfinde ich als unheimlich beruhigend. Ob Du’s glaubst oder nicht, ich beneide keinen Musiker, der von seiner Band leben muss. Musik soll für mich eine Leidenschaft sein, und kein Job zu dem man täglich hinlatschen muss. Wir verspüren keinerlei Druck. Wir können uns mit dem Songwriting Zeit lassen, müssen nicht alle 18 Monate ’ne Platte rausbringen. Auch können wir es uns gerade deshalb problemlos leisten, untrendige Musik zu spielen, weil wir nicht darauf bauen müssen, 20.000 Einheiten abzusetzen. Durch die Weltgeschichte gondeln und Konzerte spielen können wir trotzdem, also wozu sich Streß machen? Und schließlich: die Worte Megaseller und Metal sind eh nicht vereinbar, da muss man sich schon für eins von beiden entscheiden. Wir haben uns für Metal entschieden.

Neben schleifendem Doom gibt es in Eurer Musik auch eine derbe Death-Metal-Kante und mit ein bisschen Fantasie sogar Black-Metal-Einflüsse. Jetzt mal ganz davon abgesehen, dass dieser Mix Euren potentiellen Hörerkreis effektiv minimiert: Wie stellt Ihr es an, dass tatsächlich alle in der Band mit einem Lied glücklich sind? Oder wird von Dir diktatorisch entschieden, was gut ist und was nicht?

Wir feilen so lange an dem Stück, bis jeder damit glücklich ist. Das ist ja auch einer der Gründe, warum wir für eine neue Scheibe immer so furchtbar lange brauchen, haha. Es war ein großer Vorteil für uns, dass ich der alleinige Gründer der Band bin: ich habe den Stil auf diese Weise festgelegt, und dementsprechend sind nur Leute in die Band eingestiegen, die genau auf diese Musik auch Bock haben. Deshalb brauchen wir keinen Diktator, jeder in der Band will diese Musik machen, deshalb herrscht Konsens über die Marschrichtung. Natürlich haben wir trotzdem manchmal unterschiedliche Vorstellungen davon, was gut und was schlecht ist. Aber da die Grundrichtung klar ist, können wir solange an den Songs feilen bis jeder glücklich ist, ohne dass ein wässriger Kompromiss daraus wird. Wir sind auch was alle anderen Aspekte der Band angeht sehr demokratisch.

Eure Musik ist stellenweise so traurig, dass Ihr alle Selbstmordkandidaten sein müsstest. Dennoch gibt es in der Geschichte von OPHIS bisher noch keine Todesfälle, wenn man den Metal Archives trauen kann. Wie erklärst Du Dir diesen Widerspruch (der als solcher natürlich nicht nur Euch betrifft)?

Wie heißt es so schön? Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Obwohl Death/Doom eine alte Jugendliebe ist, gibt es auf dem Gebiet nur wenige Bands, die mich wirklich ansprechen. OPHIS ist eine von jenen Bands. Was hebt Euch nach Deiner Einschätzung vom ganzen Rest ab, was macht Euch besonders? Und da Ihr ja offensichtlich zumindest in meinem Wertesystem etwas richtig macht, muss ich natürlich fragen: Sind Dir andere eher nicht so berühmte Truppen bekannt, die sowas Ähnliches wie OPHIS machen und ähnlich gut sind? Was hat der Death/Doom-Untergrund heutzutage zu bieten?

Hey, es ist doch Dein Job als Journalist zu schreiben, was uns von anderen Bands abhebt, haha. Wir sind eine Band, die nicht darüber nachdenkt, ob unsere Musik neuartig ist, oder ganz besonders evil. Wir sind einfach, wie wir sind. Wir müssen nicht darauf herumreiten und das alles ständig raushängen lassen wie viele Black Metaller. Ich glaube, das macht uns authentisch. Wir sind old school, aber nicht retro. Wir sind aktuell, aber nicht modern. Ich glaube, das ist es, was uns von vielen Bands unterscheidet, denn die meisten sind eins von beiden. Der Death/Doom Underground fällt meiner Ansicht nach als eines der ganz wenigen Genres auf, das noch mit Qualität statt Quantität glänzt. Bands, die ich wirklich empfehlen kann, sind EVOKEN, HIAM, IMINDAIN, DUST, RIGOR SARDONICUS, COLD EMBRACE, INDESINENCE und SHEVER. Sind alle musikalisch nicht allzu weit von uns entfernt und sind auch noch aktiv.

„Withered Shades“ hat eine für meinen Geschmack sehr passende Produktion, voluminös und kraftvoll, aber dennoch angemessen ungeschlifffen. Wie wichtig ist Euch dieser Aspekt Eurer Musik? Wieviel Zeit, Mühe (und Geld) investiert Ihr in die Aufnahmen? Wie würden OPHIS mit einem unbegrenzten Aufnahmebudget klingen?

Tatsächlich würde die Platte mit einem unbegrenzten Budget nur sehr geringfügig anders klingen. Wir wollen genau diesen rohen, ungeschliffenen Sound haben. Vor allem die Gitarren auf dem Album haben einige Ecken und Kanten, die in einer teuren Produktion mit Sicherheit ausgebügelt worden wären. Wir wollen keine Produktion mit 20 Gitarrenspuren und einem durchgetriggerten Drumset. Für andere Bands mag das passen, aber wir haben recht rohe, minimalistische Songs, und so soll auch der Sound sein. Ein druckvoller Sound ist schon wichtig, aber er soll natürlich klingen. Selbst wenn wir uns Peter Tägtgren hätten leisten können, hätten wir trotzdem bei Jens Ballaschke im 3rd A. Studio aufgenommen. Da kriegen wir diesen Sound. Lediglich beim Mastering mussten wir aus Geld- und Zeitmangel ein paar Abstriche machen. Mit etwas mehr Kohle hätte man da noch was rausholen können. Aber ansonsten wäre der Sound so ziemlich der gleiche.

Ihr seid eine aktive Liveband und habt die Bühne schon mit EVOKEN, SKEPTICISM und vielen anderen geteilt sowie im In- und Ausland gespielt. Habt Ihr für das neue Album schon eine große Tour geplant, oder wird es vorerst nur vereinzelte Gigs geben? Gibt es Bands, mit denen Ihr unbedingt mal spielen wollt?

Eine große Tour ist momentan nicht geplant und wird allein schon aus Zeitgründen wohl auch dieses Jahr nicht mehr stattfinden. Was nächstes Jahr angeht, werden wir mal schauen, was da machbar sein wird. Wir bleiben also erstmal bei Einzelgigs, vielleicht auch mal wieder eine Minitour. Wir sind gerade mit MODER und DEAD REMAINS am Planen für ein paar gemeinsame Gigs. Die sind schon seit langem Kumpels von uns.
Glücklicherweise kann ich sagen, dass wir mit den meisten Bands, mit denen ich gerne mal gemeinsam spielen wollte, auch schon gespielt haben. DEICIDE wären noch mal so ein Traum von mir, aber das wird schon alleine wegen der unterschiedlichen Stilistik kaum was werden.

Da mir keine vernünftigen Fragen mehr einfallen, wollen wir langsam Schluss machen. Die Puristen unter unseren Lesern könntest Du noch wissen lassen, ob’s den aktuellen Rundling irgendwann auch auf LP geben wird. Ansonsten gehören die letzten Worte natürlich Dir. Mach ein bisschen Werbung oder erzähl unseren Lesern einen Witz, das wär doch mal originell.

Ein Witz? Vergiss es, dafür bin ich viel zu depressiv. Den Puristen sei gesagt, dass eine Vinylversion des Albums über Total Metal Productions erscheinen wird. Ein Datum steht noch nicht fest, vermutlich wird man sich bis Herbst noch auf jeden Fall gedulden müssen, aber Vinyl wird’s geben.
Ach so, jetzt ist mir doch einer eingefallen: In welcher Rubrik trägt man abgetriebene Kinder ins Familienbuch ein? Entfernte Verwandte.

Galerie mit 22 Bildern: Ophis - De Mortem Et Diabolum 2018
02.07.2010

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