Supreme Chaos Records
Interview mit Robby Beyer
Interview
Das schwäbische Plattenlabel SUPREME CHAOS RECORDS bietet bereits seit zehn Jahren verschiedenen Bands wie NOCTE OBDUCTA, DEAD EYE SLEEPER, AGRYPNIE oder ANOTHER PERFECT DAY eine Heimat. Wie man im dazugehörigen Special nachlesen kann, wurde auch dieses Jahr ein Laden gegründet, welcher besonders durch seine Raritäten für Aufsehen sorgt. Grund genug für uns, uns zum Jubiläum mal mit Labelchef Robby über Musik, das Business und die Szene zu unterhalten!
Hi Robby! Erstmal herzlichen Glückwunsch zum 10-jährigen Jubiläum von SUPREME CHAOS RECORDS! Habt ihr schon schön gefeiert?
Viel Zeit zum Feiern gabs ja nicht, da wir dieses Jahr unseren Plattenladen eröffnet haben. Das war deutlich zeitintensiver, als ich gedacht habe und das ist es eigentlich immer noch. Wir haben im Oktober dann ein kleines Fest im Hof hinter dem Laden gemacht. Das war trotz der Kälte recht gemütlich. Das hat dann auch mit der Gründung von SCR im September 2001 zeitlich genau gepasst. Abends ging es in die Rockfabrik und zusammen mit sG von SECRETS OF THE MOON haben wir den Leuten dann eine ordentliche Old School-Ladung Metal verpasst. Das war alles in allem ein ziemlich abgefahrener Tag.
Steigen wir doch gleich mal richtig ein: SUPREME CHAOS RECORDS ist ja in meinen Augen ein Liebhaber-Label, welches auch so mit recht viel Herzblut und Idealismus betrieben wird. Stell doch mal bitte SCR vor. Wie siehst du euch im Gegensatz zu anderen Labels?
Du hast das ganz gut getroffen. Es handelt sich um eine absolute Liebhaber-Geschichte, mit der ich mittlerweile konsequent die Musik veröffentliche, die ich selbst auch interessant finde. Früher bin ich noch zu viele Kompromisse eingegangen und habe für befreundete Bands einige Alben veröffentlicht. Dennoch ist SCR nie sonderlich gewachsen, die Releases blieben, vielleicht mit Ausnahme von Nocte Obducta, relativ unbeachtet. Das hat sich die letzten Jahre etwas geändert, auch wenn hier noch deutlich Luft nach oben ist.
Wir sind zwar mittlerweile zu zweit, das Label ist aber nach wie vor eher mein Baby. Allerdings musste ich mir auch der größeren Verantwortung bewusst werden, die ich nun habe, ist ja schließlich nicht mehr nur mein Geld, das ich da verblase…
Welche Anforderungen sind bei der Auswahl einer potentiellen Band für dein Label entscheidend?
Es gibt da keine konkreten Kriterien. Der Anspruch in allen Bereichen muss einfach stimmen, sprich die Eigenständigkeit der Musik bis hin zum Sound des ersten fertigen Albums, das wir veröffentlichen sollen. In letzter Zeit finde ich immer wieder sehr interessante Bands. Stilistisch kann man das eigentlich auf eigenständigen bis progressiven Metal festlegen, egal wie extrem, oder eben auch bis hin zu eher rockigen Sounds. Heutzutage macht es nur Sinn, sich als Band mit einem fertig produzierten Album zu bewerben und man sollte wirklich jede Möglichkeit mitnehmen, live zu spielen. Eine schön gestaltete Bewerbung kann hier ebenfalls von Vorteil sein.
Wie siehst du denn als Label-Chef die Undergroundszene? Gibt es noch talentierte Bands, die man auf dem Radar haben sollte? Und wie triffst du für dich die Entscheidung, welche Bands eigentlich der großen Menge gefallen könnte?
Es gibt wie gesagt jede Menge überaus interessanter Bands und man findet sie dank des Internets immer leichter. Einige Bands scheren sich gar nicht darum, ob die Leute auf sie aufmerksam werden und gerade diese Bands sind nicht selten regelrechte Perlen.
Die Underground-Szene selbst gibt es so eigentlich nur noch am Rande. Bands werden immer professioneller und verlieren dadurch schnell den urigen Underground-Reiz. Gleichzeitig überfluten etablierte Bands und Labels den Markt mit unzähligen Veröffentlichungen. Das alles führt dazu, dass die kultigen Jugendhaus-Konzerte von früher ins Unbedeutende abrutschen. Vor einigen Jahren hatte man da locker mal 200, 300 Nasen und jede Menge Spaß. Eine tolle Möglichkeit auch für kleine Bands, ihre Musik live ins Rund zu feuern. Das hab ich zu der Zeit mit meinen eigenen Bands sehr genossen.
Welche Freiheiten genießen denn die Bands bei euch im Gegensatz zu Labels mit sogenannten Knebelverträgen? Habt ihr da ein bestimmtes Rezept, wie ihr den Musikern begegnet?
Die Bands haben jede Menge Freiheiten. Es gibt wirklich nur wenige Punkte, die wir völlig unabhängig von den Künstlern entscheiden. Nach Möglichkeit erfolgt alles in Rücksprache mit den Künstlern. Das ist oft nicht gerade einfach, aber was nützt es, wenn wir als kleines Label uns dem Künstler selbst in den Weg stellen? Immer wichtiger wird ja zum Beispiel die Verpackung. Hier gilt es, jede Menge interessante Ideen umzusetzen und gerade da ist mir eine Rücksprache wichtig, damit wir nachher ein wertiges und authentisches Produkt bekommen. Sicher kann man das x-te Artbook rausbringen, aber eine absolut einzigartige Box die vielleicht nicht eingeschweißt oder auf Hochglanz poliert ist, dafür aber einzigartig ist, hat für mich hier viel mehr Reiz.
Für Musiker wurde es in den letzten Jahren immer einfacher, in Eigenregie die eigenen Werke an den Mann zu bringen. Wie wichtig ist denn in der heutigen Zeit eigentlich noch ein Label?
Ohne Label fehlt einer Band die nötige Infrastruktur, um zum Beispiel in den Einzelhandel zu gehen. Klar, wenn eine Band ihre Musik nur über das Internet und die eigene Page verkaufen möchte und die Band genügend Geld für Herstellung, Promotion etc. in der Kasse hat, ist es sicher unnötig, ein Label zu haben.
Aber gerade im Metal- und Rock-Bereich ist eine physikalische Veröffentlichung immer noch wichtiger als ein Download und das wird glücklicherweise auch noch eine Weile so bleiben. Gerade jetzt, da Vinyl für Sammler wieder an Stellenwert gewonnen hat.
Außerdem ist es eine gute Möglichkeit für Bands, sich auf den künstlerischen Part zu konzentrieren und sich nicht mit dem ganzen Business-Mist rumschlagen zu müssen.
Unter deinen Bands finden sich ja recht interessante Acts wie NOCTE OBDUCTA, AGRYPNIE oder auch ANOTHER PERFECT DAY, das Soloprojekt von Kristian „Kohle“ Kohlmannslehner. Wie kam es denn zu dieser Kooperation?
Kohle hatte im Internet einige Samples von Songs gepostet, an denen er immer wieder in seinem eigenen Studio gearbeitet hat. Er hat in den „Kohlekeller Studios“ schon einige namhafte Bands produziert, aber wollte sich für seine eigenen Songs noch andere Meinungen einholen. Und so kam der erste Kontakt zustande, denn ich war völlig hin und weg von dem Material. Wir schafften es schließlich sogar, Dan Swanö sowie einige andere tolle Gastmusiker mit ins Boot zu holen. Das Resultat war „The Gothenburg Post Scriptum“. Ein Album, auf das ich sehr stolz bin. Allerdings haben wir kürzlich einen herben Rückschlag hinnehmen müssen, weil die EMI unsere Version von dem MOTÖRHEAD-Song „Another Perfect Day“ nicht freigeben will. Nun müssen wir für die kommende EP überlegen, wie wir weiter verfahren. Unnötig, weil es eine geniale Neuinterpretation war. Aber da sind wir wohl zu sehr Peanuts…
Ihr habt ja sehr viele Vinyls im Angebot, wobei ihr dabei ja nicht nur Schallplatten eurer Hausbands, sondern auch von Bands anderer Labels wie letztens HATESPHEREs “The Great Bludgeoning“ veröffentlicht. Wie schätzt du in der heutigen Zeit Vinyls ein und was denkst du, wie es mit solchen Tonträgern in Zeiten von mp3s weitergehen wird?
Ich habe bei der Ankündigung der Majors, dass sie künftig voll auf digitale Veröffentlichungen setzen wollen und nur noch Sondereditionen als CD oder Vinyl veröffentlichen, schon ein wenig frohlockend gemutmaßt, dass es nun noch mehr Platz für die Indies geben wird. Das wird wohl auch so kommen. In Liebhaber-Bereichen wird immer auf besondere Verpackung Wert gelegt werden und gerade im Metal-Bereich war Vinyl ja nie wirklich weg. Vermutlich werden die Vinyl-Versionen im Metal und auch im progressiven Rock minimal zurückgehen aber weitgehend konstant bleiben. Die CD-Veröffentlichungen werden wohl noch mal einbüßen und der digitale Bereich stärker werden. Ganz extrem wird es im Mainstream, wo die Majors ja sogar die CD – bis auf Sondereditionen – sterben lassen wollen.
Ich mache mir momentan eher etwas Sorgen um den Live-Bereich. Da ist einfach eine Sättigungsgrenze erreicht und trotzdem versuchen die Booking-Agenturen und auch die größeren Künstler hier, noch mehr Geld einzusammeln, um die sinkenden Tonträger-Verkäufe abzufangen. Das kann auf Dauer nicht mehr gut gehen…
Wie stehst du im Gegensatz dazu zu Online-Vertriebsportalen wie iTunes? Seht ihr da einen Markt?
Im Metal-Bereich ist das sicher nicht so wichtig, wie im Mainstream, aber es ist schon ein wichtiger Teil der Umsätze geworden, ich denke besonders für größere Metal-Labels. Für uns als kleines Label ist es eher eine weitere Möglichkeit, Präsenz für unsere Musik zu erzeugen.
Ein leidiges Thema ist die Krise der Musikindustrie. Spürt ihr diese Auswirkungen und wie geht ihr damit um?
Ein paar Jahre früher hätte man sicher mehr erreichen können und würde jetzt wirtschaftlich auch deutlich besser dastehen. Aber so muss unsereins halt regulär arbeiten, um sich seine Brötchen kaufen zu können und die Miete zu bezahlen. Ist halt so. Wir machen das Ganze ja nicht, um Millionen zu scheffeln von daher ist die „Krise“ uns auch herzlich egal. Solange wir keine Schulden machen, wird das Ding einfach durchgezogen. Lebe deinen Traum. Gerade das mit dem Plattenladen ist ein lang gehegter Traum von uns beiden, Maik und mir, den wir uns dieses Jahr erfüllen konnten.
Danke für das äußerst interessante und aufschlussreiche Interview. Die letzten Worte gehören natürlich dir!
Danke euch von Metal.de für die fortwährende Unterstützung und natürlich freu ich mich schon auf deinen nächsten Besuch in unserem Plattenladen.
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