
Sonus Obscura Festival
Wir sind in die Kirche gegangen
Konzertbericht
Der frühe Winter wird in Nürnberg anno 2025 in der Kirche eingeläutet. Statt Meßdienern und Geistlichen, bewegen sich allerdings langhaarige Menschen gemächlich über den Altar und im „Infield“ sitzen keineswegs fromme Christ:innen. Dafür findet sich eine beachtliche Zahl an schwarzgekleideten Musikfans ein. Darunter auch einige Musikschaffende, Szenebekanntheiten und Veranstalter:innen anderer Events.
Ein Gebäude, so kalt wie der Mond
Düstere Stimmung legt sich über den Vorplatz der Dreinigkeitskirche, die Temperaturen sinken auf ein angemessenes Niveau und während sich die erste Band des Tages auf den Steinboden tritt, haben sich noch nicht allzu viele Menschen vor dem Altar versammelt. Dabei ist das Event exzellent organisiert: Vom Early-Check-In, bis zur gut besetzten und platzierten Getränkeausgabe, können wir keine negativen Aspekte finden. Wer lieber sitzen möchte, findet einen Platz in der oberen Galerie, die im Normalbetrieb sicherlich für größere Chöre gedacht ist. Der Raum ist spärlich beleuchtet, die Heizung bleibt aus.
KAPUTTH
Die Lokalmatadoren eröffnen das Festival mit ihrem noch unverbrauchten Doom Metal in einem dicken Soundgewand, was trotz hochgebautem, ungedämmtem Kirchenschiff überraschend klar rüberkommt. Wie ein Prediger growlt der Sänger von der Kanzel und langsam schleppen sich die Songs durch die nicht vollgepackte Kirche. Die Songs tragen Namen wie „Kaventsmann“ oder „Scheise Was Is Pasirt“ und machen auf jeden Fall Lust, der Band auch weiterhin ein offenes Ohr zu schenken.
Insgesamt sollen rund 400 Tickets verkauft worden sein und damit ist die Veranstaltung bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Auflagen sind aber scheinbar hoch und so wird sich der Ort heute nicht in einen Hexenkessel verwandeln und wir haben zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, uns locker durch die lichten Reihen, bis zu den vorderen Reihen zu bewegen.
COLTAINE
Die Psychedelic-Rocker passen vielleicht am besten zum heutigen Headliner, denn überaus metallisch ist die Musik der Band nicht. In das Ambiente des natürlich hallenden Gebäudes fügt sich die Performance eigentlich sehr gut ein, für diese Art von Liedgut ist eine Stagetime jenseits des Nachmittags in einem rauchgeschwängerten Club aber irgendwie ansteckender. Gleichzeitig sind immer noch nicht alle Besucher:innen in die Dreieinigkeitskirche gepilgert oder kommen gerade an. Wir finden aber, dass COLTAINE auf einer gemeinsamen Tour mit einem Act wie WUCAN sehr gut aufgehoben wären.
ENDONOMOS
Dass die Veranstaltenden vom Sonus Obscura Festival ein durchaus kreatives Händchen für Bandbooking haben, machen die jetzt folgenden Death-Doomer von ENDOMOS deutlich. Auf die Kosten kommen hier alle, die Freude an den alten PARADISE LOST oder KONVENT haben. Die Schwermütigkeit der vorangegagnenen Bands bleibt aber und setzt sich auch später konsequent fort. Wir überbrücken die Längen während der Songs damit, den Füllstand der Location zu überprüfen und kommen zu dem Ergebnis, dass die Kirche immer noch weit davon entfernt ist, aus allen Nähten zu platzen. Gleichzeitig verteilt sich die kühle Temperatur mangels bewegungsanregendem Sound mittlerweile unangenehm im Raum. Ein Catering-Vorschlag für nächstes Mal: Glühwein, Punsch und Tee.
DAEVAR
Für die Kölner gilt eine inoffizielle Prämisse: Sludge-Bands treten immer im Dreiergespann auf, wobei die Qualität nur allzu oft unter dem Gesang leidet. Im Falle von DAEVAR trifft das zwar nicht zu, die Band versprüht dafür angenehme 90ies-Grunge-Vibes, was ihr letztlich den Exoten-Status verleiht. Das stört aber niemanden wirklich, im Gegenteil. Die Stimmung schwillt zumindest soweit an, dass es zu wahren Reaktionen aus dem Publikum kommt. Was sich zynisch liest, ist aber bittere Realität. Immerhin hat sich eine beachtliche Zahl an Besucher:innen zuvor immer wieder in eine nahe Wirtschaft verabschiedet um Wärme zu tanken oder schlicht und ergreifend Essen zu fassen. Catering-Vorschlag Nummer 2: Kuchen, belegte Semmeln und eine warme Suppe.
TAKH
Vielleicht treten mit TAKH die einzigen echten Doomer des Tages auf den heiligen Altarboden der Dreieinigkeitskirche. Von einigen gar als viel besserer Ersatz für die kurzfristig ausgefallenen (DOLCH) mit Vorschusslorbeeren geschmückt, macht die Band auch tatsächlich das, wofür sie eingesprungen ist. Langsame, atmosphärische Musik, die je nach Gemütszustand eine driftende Wirkung entfacht. Bei aller Schwerfälligkeit werden wir unvermittelt aus dem Träumen gerissen, wenn die Band mit gezielten Ausbrüchen spielt, die auch der kleinen DSBM-Anhängerschar ein „Fäusterecken“ entlockt. Good Job!
SATURNALIA TEMPLE
Die Schweden sind ein Phänomen: Mit minimalem Aufwand gelingt es ihnen doch, einen Punkt beim Publikum zu treffen und die sichtlich vorhandenen Fans in Stimmung zu versetzen. SATURNALIA TEMPLE profitieren dabei hörbar von BLACK SABBATH, aus dessen Riffschmiede sie sich großzügig bedienen, was den Beweis liefert, dass die erste Saat des Heavy Metal – als Kirchenbesucher gesprochen – gottseidank immer noch eine nicht abzustreitende Relevanz besitzt. Insofern ist die Musik natürlich Geschmackssache und lässt sich technisch/objektiv natürlich nicht mit den Headlinern vergleichen, aber dem Publikum gefällt die Show. Es wird sogar offen vermutet, dass die Band für den letzten Song „Freezing Moon“ (MAYHEM) covern, was lediglich auch wieder für die weitverwurzelten Einflüsse für Sludge-Stoner-Doom-Metal spricht.
DOOL
Zu den Niederländern gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Immer und immer wieder überzeugt die Band mit ihrer energiegeladenen Performance, bei man entweder mitgerissen wird oder den Saal verlässt. Raven Van Dorst ist aber weder übergriffig, noch zu pathetisch. Genauso authentisch sind die wenigen Ansagen. Die Setlist wird vom aktuellen Album „The Shape Of Fluidity“ dominiert, wobei natürlich der Titeltrack und „Venus In Flames“ die unbestrittenen Höhepunkte sind. Von Kälte spüren wir während der einstündigen Show praktisch nichts und während DOOL ihren Auftritt in die dezente Bühnenbeleuchtung integrieren, ist der Sound das Beste, was aus dieser Location herauszuholen ist. Die gefühlvollen Soli stechen ordentlich hervor, das nur sporadisch abgenommene Schlagzeug besitzt genügend Durchsetzungskraft und die drei Gitarren verschwimmen nicht zu einem Zerrbrei. DOOL bleiben ihrem Qualitätsstandard also treu und machen das Sonus Obscura unwiderruflich zu einer vorzüglichen Veranstaltung.
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DOOL, Coltaine und Endonomos auf Tour
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Oliver Di Iorio




















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