Macabre - Dahmer (Re-Release)

Review

Als ich letztens alltagsgeplagt nach ein bisschen Sinn fragte, nach einem Hobby, etwas zur Selbstverwirklichung, da traf mich die ausbleibende Antwort zwar nicht unvorbereitet, aber schon schwer. Doch dann kamen MACABRE um die Ecke und ich dachte: Ja, verdammt, wer sagts denn? Wer sagt denn, dass zerstückeln nichts für dich wäre? Oder ausweiden? Mit leicht erhöhtem Pulsschlag betrachtete ich das Cover mit Jeffrey Dahmer, griff in die Küchenschubade und…

…Ähm… Moment mal… Was? Den Krach leiser machen? MEINEN Sohn trösten, der ist mit dem Laufrad… und was? Essen? Ja, mach ich gleich… …

Öh… nun bin ich irgendwie raus. Also nochmal anders: Die Amis von MACABRE haben gepflegt einen am Kopp. Denn natürlich sind Splatter, Gore und Gemeuchel tragende Säulen ganzer Subgenres und dürfen routiniert als Kultur durchgewunken werden. Aber wenn meinetwegen ZOMBIE GOAT DESECRATOR und Co. in 30 Sekunden ihre Stellungnahme zu Nazi-Horror-Pornos mit den Exkrementen minderjähriger Tiere abgeben, dann haben die sich das ausgedacht und außer maximal dem Songtitel ist sowieso nichts zu verstehen. Da zwinkert man einander kurz wissend zu, grinst sich einen und denkt sich: Die Rock’n’Roll-Familie ist groß, da passt auch ihr rein.

Beim Chicagoer Trio MACABRE und „Dahmer“ allerdings, da wird das grinsende Zuzwinkern recht fix zum nervösen Tick, wenn einem dämmert, dass hier vergnügt – und zwar auf sehr eigene Weise – nichts als das Leben und Wirken des Milwaukee Monsters Jeffrey D. abgehandelt wird, das mindestens 17 Männer umgebracht und – eben – zerstückelt hat. Wenn sie das Ganze wenigstens in handelsüblichen Death Metal oder so gepackt hätten, aber was machen die Spackos? Vom DM ausgehend gibt es Kinderlieder, Poppunk, Marschmusik usw.

Es beginnt mit schnellem, technischem Death Metal, zu denen Jeffrey als Junge in Hunde-Gedärm wühlt. Und Sänger Corporate Death bringt uns dieses kindlich-unschuldige Hobby nicht nur tief growlend, sondern vor allem als in höchsten Tonlagen verrückt vor sich hin quiekender Psycho näher. Standesgemäß. Den „Hitchhiker“ bringt er dann folgend in ähnlichen musikalischen Gefilden um die Ecke, während langsam-schleifende MORBID ANGEL um selbige stieren, wo sie schnellere DEATH ins Visier nehmen. „In The Army Now“ klaut sich die die marschierende Melodie des Militär-Standards „When Johnny Comes Marching Home“, während die weiteren Bluttaten in „Grandmother’s House“ ein Skate-Outfit aus SUICIDAL TENDENCIES mit Poppunk-Schlagseite bekommen. Im anschließenden „Blood Bank“ imitieren die Hardcore-Bulldoggen SHEER TERROR eine Metal-Band, bevor „Exposure“ hackebeilschnell zwischen Death und Thrash in Richtung Hörer saust. Tja. Irgendwann kommen auch noch „Jeffrey Dahmer And The Chocolate Factory“ – ein umgetexteter „Umpa-Lumpa-Song“ aus dem Johnny-Depp-Streifen und der „Jeffrey Dahmer Blues“, die elektrisch verstärkte Killer-Variante von Elvis Testosteron-Schleicher „Trouble“. Vom Pathos-Gesang in „Baptized“ mal ganz zu schweigen.

Und so geht es mit MACABRE und Dahmer durch insgesamt 26 faulig stinkende Stücke zwischen Death Metal, Punk und Kirmes, fieserweise tatsächlich meist mit bleibendem Eindruck – mal hauptsächlich im zuckenden Nacken, mal in bei den vom Mitgröhlen strapazierten Lunge und Stimmband. Immer aber im Hirn, das schuldbewusst zwischen Euphorie, Erheiterung und Angewidertsein pendelt. Ich fühle mich ja irgendwie unrein dabei, aber ich gestehe, dass ich das erstmals zur Jahrtausendwende veröffentlichte Machwerk freiwillig mehrfach gehört habe. Denn das Teil ist auf morbide-ironische Weise originell, mitunter anstrengend, jedoch extrem abwechslungsreich, zum Teil ekelhaft catchy und damit verdammt unterhaltsam. Und mit so einem Zeug, das vollkommen over the top ist, komme ich persönlich auch immer noch besser klar als mit Killerriffs zu Mengele und Hymnen rund um Stalingrad. Nix für ungut.

So. Und jetzt gehe ich in die Küche und nehme mir die Blutorange… hmm, passt nicht, dafür aber die Tomaten UND die Paprika vor. Das muss spritzen. So ein Salat muss schließlich schön rot sein.

P.S. Dass Hells Headbangers in ihrem Mailorder-Programm durchaus auch Kram von rechts außen anbieten, ist bedauerlich. Es gibt die Scheibe auch noch als Original auf CD…

16.01.2014

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