



Fast zehn Jahre ist es her, dass INSOMNIUM ihr Album „Winter’s Gate“ veröffentlicht haben. Basis des lyrischen Konzepts war die gleichnamige Kurzgeschichte von Band-Fronter Niilo Sevänen, der wir einst bei der Listening Session und Lesung zum Album lauschen durften. Mit der Kurzgeschichte hatte er nochmal rund zehn Jahre früher einen Wettbewerb gewonnen. Sein Debütroman „Der Weg des ewigen Winters“ ist also schon lange in der Mache. Wirklich begonnen hat Niilo Sevänen ihn aber zu Beginn der Corona-Pandemie 2020, wie er in unserem „Interview with a View“ erzählt.
Auf Deutsch gibt es „Der Weg des ewigen Winters“ nun druckfrisch über den Verlag Bastei Lübbe. Das finnische Original „Ikitalven polku“ wurde 2024 veröffentlicht. Bereits im Februar 2026 folgt „Unten kruunu“, der zweite Teil der mittlerweile zur Trilogie angewachsenen Geschichte.
Niilo Sevänen lässt Geschichte und Fantasy verschwimmen
Wir beginnen die Reise in Konstantinopel im Jahre 1007. Eine Karte von Europa und angrenzenden Gebieten verankert die Handlung fest in der Welt, wie wir sie kennen. Die Prämisse des Romans verrät uns jedoch bald, dass sieben Jahre zuvor ein Ereignis eingetreten ist, das die Welt hat erkalten lassen. Hier beginnen die reale Geschichte und die Fantasie zu verschwimmen. Wir begleiten eine Reihe von Erzähler:innen in parallelen und sich später überschneidenden und vereinenden Handlungssträngen.
Im Zentrum steht ein geheimnisvolles kleines Mädchen, das es zu beschützen gilt und dessen Herkunft mit dem Einbruch des ewigen Winters zusammenzuhängen scheint. Die Story ist also genretypisch eine Quest. Diese führt uns durch eine uns eigentlich bekannte Welt, die wir jedoch nicht mehr wiedererkennen. Kurz bevor die vom Schicksal zusammengewürfelte Truppe in das vermeintliche Zentrum des Geschehens vordringt, endet der erste Teil mit einem Cliffhanger.
Wie viel „Winter’s Gate“ steckt in „Der Weg des ewigen Winters“?
Wie im Interview beschrieben, setzt „Der Weg des ewigen Winters“ die Geschichte von „Winter’s Gate“ fort. Es liegen zwar Jahre zwischen den Handlungen, doch einige Figuren tauchen in beiden Erzählungen auf. Hinweise im Text deuten darauf hin, dass das Ende der Kurzgeschichte und die geheimnisvollen Ereignisse, die im Buch sieben Jahre zurückliegen, ein und dasselbe beschreiben. Die zentrale Rolle von Rabenvögeln fügt außerdem einen INSOMNIUM-Touch hinzu, der Fans der Band schmunzeln lassen wird.
Das Leseerlebnis fällt insgesamt sehr kurzweilig aus. Der Roman ist weit entfernt von langatmiger High Fantasy mit exzessivem Worldbuilding und die verschiedenen Erzählperspektiven bieten Abwechslung. Letztere sind allerdings nicht – wie man meinen könnte – an die jeweilige Figur in der Kapitelüberschrift gebunden. Auch innerhalb eines eigentlich einer Person zugeordneten Kapitels findet man sich plötzlich im Kopf verschiedener Figuren wieder. Das kann anfangs verwirren, fällt nach einer Weile aber kaum noch auf. Die Charaktere sind trotz ihrer Anzahl vielschichtig genug ausgefallen und zeigen Entwicklung. Das ein oder andere Klischee hat sich sicherlich eingeschlichen, was sich aber gut verschmerzen lässt.
Kleine Kritikpunkte
Vergleicht man den Schreibstil der deutschen Version mit dem der Kurzgeschichte, wirkt der der Kurzgeschichte besser. Das mag an der deutschen Übersetzung liegen. Dort stolpert man manchmal über wenig idiomatische Formulierungen, was sich auf die Wahrnehmung des Schreibstils auswirkt. Die englische Übersetzung von „Winter’s Gate“ schlägt sich hier besser. Auf die Finger gibt es zudem beim Lektorat, denn einige Fehler hätten nicht bis in die Druckversion durchrutschen dürfen. So heißt eine Figur über nur wenige Seiten hinweg wahlweise Rachel oder Rahel und ihre Schwester Tamar oder auch Tamara. Aus Niflheim wird ‚Nifelhein‘. Die Stadt Pavia wird im Text zwar korrekt geschrieben, auf der Karte heißt sie jedoch ‚Paria‘. Im finnischen Original gibt es diese Probleme nicht.
Davon ist natürlich nichts Niilo Sevänen als Autor anzulasten. Zumindest die Typos stören beim Lesen nur wenig und lassen sich mit einer hoffentlich fällig werdenden Zweitausgabe beseitigen. „Der Weg des ewigen Winters“ können wir Fantasy-Fans und natürlich INSOMNIUM-Fans trotz kleiner Kritikpunkte wärmstens empfehlen.

„Der Weg des ewigen Winters“-Cover

Angela



























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