O.R.k. - Screamnasium

Review

Galerie mit 24 Bildern: O.R.k. - Turning Wild Tour 2018

Die virtuosen Vier sind wieder da. Lorenzo Esposito Fornasari (oder kurz: LEF), Carmelo Pipitone, Colin Edwin und Pat Mastelotto vereinen mittlerweile zum vierten Mal in voller Länge unter dem Banner O.R.K. ihre Kräfte, um ihren Hörern mit der perfekten Balance zwischen Technik und Songdienlichkeit die Socken mit zugleich chirurgischer Präzision und charmanter Verschrobenheit von den Füßen zu rocken. Alle drei vorangegangenen Alben, aber besonders der direkte Vorgänger „Ramagehead“, haben dafür die Messlatte gewaltig hoch gehängt. Aber eine Band mit Protagonisten wie diesen ist einer solchen Herausforderung locker gewachsen. Immerhin haben sie die Qualität nach „Inflamed Rides“ zunächst mit „Soul Of An Octopus“ und jene von „Soul Of An Octopus“ schließlich mit „Ramagehead“ entweder gehalten oder sogar getoppt. Kein Grund also, an „Screamnasium“ zu zweifeln.

O.R.K. eröffnen die Pforten vom „Screamnasium“

Eines fällt im direkten Vergleich schon mal recht zügig auf: Das Quartett rockt deutlich offensiver als je zuvor. Pipitone lässt seine Gitarre gerne mal richtig fett braten. Kombiniert mit LEFs Gesang, der anno 2022 möglicherweise mehr denn je vom Geiste Chris Cornells beseelt zu sein scheint, kommt man umso seltener um die SOUNDGARDEN-Vergleiche umhin. Das geht direkt beim Opener „As I Leave“ los und setzt sich praktisch durchgehend fort, während im weiteren Verlauf der Trackliste jedoch vermehrt crimsoide Elemente beigemischt werden. Das bezieht sich vor allem auf das spätere Œuvre der britischen Prog-Legende, also das Material, das auf ihre New Wave-Phase folgte. Wer „Thrak“ kennt, ist gedanklich im Grunde auf der richtigen Spur.

„Ramagehead“ zelebrierte diese Mische seinerzeit mit einem ausgesprochenen Fokus auf Atmosphäre, welche die Band auf allen drei Alben bis dahin so pedantisch ausgeprägt haben. Dass „Screamnasium“ seinem Namen fast irgendwie getreu damit ein bisschen bricht, ist sicher ein Stück weit bedauerlich, da dieser Aspekt eben einer der großen Stärken von O.R.K. ist. Doch andererseits lernt man die Zugänglichkeit von „Screamnasium“ recht zügig zu schätzen. Die beiden eröffnenden Songs gestalten den Einstieg dafür sehr entgegenkommend. „As I Leave“ legt wie angesprochen seine SOUNDGARDEN-Einflüsse offen auf den Tisch, lässt sogar mal AUDIOSLAVE um die Ecke lugen, wenn Pipitone seine Klampfe Morello-mäßig aufheulen lässt. „Unspoken Words“ könnte sogar mit einem Extra an frühen PEARL JAM gewürzt sein. Oder zumindest kann sich unsereins die Gesangslinien durchaus von einem Eddie Vedder interpretiert vorstellen.

Die virtuosen Vier setzen heuer auf Eingängigkeit

Ab „Consequence“, auf dem sich LEF auf ein Duett mit der vor allem für Western-Soundtracks (u. a. Ennio Morricone) bekannten Sängerin Elisa einlässt, kehrt so langsam etwas Vertrautheit hinsichtlich des Bandsounds auf „Screamnasium“ ein. Im direkten Vergleich mit dem Serj Tankian-Duett „Black Blooms“ von der letzten Platte hat „Consequence“ ein bisschen das Nachsehen, es ist aber immer noch eine ziemlich gute, atmosphärische Ballade. Die eröffnenden Klänge von „Don’t Call Me A Joke“ sind dann noch mal ein deutlicher Fingerzeit in Richtung der angesprochenen KING CRIMSON-Vibes, wobei der Song im weiteren Verlauf deutlich konventioneller und bekömmlicher gerät – wieder mit dieser markanten SOUNDGARDEN-Note.

Die Begeisterung hält im Grunde bis zu den letzten Noten der Platte an, wobei es zum hinteren Ende dann doch etwas stimmungsvoller wird. Das hält sich natürlich in Grenzen, da „Screamnasium“ in Ermangelung eines besseren Wortes doch das wohl „lauteste“ Album der Herren sein dürfte. Dass die Herren auf „Screamnasium“ so impulsiv geradeaus rocken, wird durch die knackige, dynamische Produktion definitiv schön untermalt. Man hütet sich jedoch durch die zahlreichen, technischen Details und immer mal wieder eingestreuten, eigenwilligen Harmonien davor, in zu arenafreundliche Territorien der Marke ALTER BRIDGE vorzustoßen, auch wenn die Hook eines „Don’t Call Me A Joke“ vielleicht mal gefährlich nah dran vorbeischrammt.

O.R.K. sind zugleich konventionell und unkonventionell

Aber das Album ist einfach nur großartiger Rock, bei dem die virtuosen Leistungen der Akteure zu jeder Zeit wie kleine Zahnrädchen ineinander greifen. Man merkt den Herren ihren progressiven Background an, aber er wird einem nicht aufs Brot geschmiert – hier wirkt jeder Song, so direkt er auch erscheinen mag, wie ein Gemeinschaftsprojekt vierer Musiker, die einfach nur Bock hatten, ein zugleich konventionell und unkonventionell klingendes Album aufzunehmen, eines bei denen die fetten Rocker ebenso sitzen wie die ruhigeren, stimmungsvolleren Stücke. Als Schmankerl hat man sich für den Rausschmeißer „Someone Waits“ sogar Jo Quail mit ins Boot geholt. Hier löst sich LEF am ehesten noch von seiner Cornell-Intonation, um einfach nur einige der mitreißendsten Vibratos der gesamten Platte über Quails Streicher zu jaulen. Und es tut mir echt weh, dass unsereinem kein besserer Begriff als „jaulen“ einfiel.

„Screamnasium“ ist das Rock-Album, das man sich zulegen sollte, wenn man keine Lust auf pompösen Arena-Rock, aber auch keine Lust auf abgedrehten Prog aus dem Keller hat und irgendwas aus der Mitte zwischen diesen beiden Polen hören möchte. Es ist zudem die perfekte Einstiegsdroge in den faszinierenden, mit heuer vier Alben quantitativ noch nicht zu dicht besiedelten, qualitativ aber ausgesprochen intrikaten und delikaten Backkatalog hinein zu finden. Gerade wenn man eine Affinität für die hier mehrfach zitierten SOUNDGARDEN sowie stilistisch benachbarten Acts hat und diese mit etwas klassischem Prog gewürzt wissen möchte, dann ist das „Screamnasium“ seinen Obulus definitiv wert. Zwar haben O.R.K. „Ramagehead“ nicht übertroffen, aber sie haben dennoch ein feines, saftiges Rock-Album veröffentlicht, das man sich definitiv gönnen sollte, idealerweise noch bevor das Jahr endet.

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28.11.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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