



So schließt sich der Kreis also: Eigentlich hätte der Vorgänger „The Room Of Shadows“ das finale PAGAN ALTAR-Album sein sollen. Ursprünglich hätte nämlich dieses Album unter dem Namen „Never Quite Dead“ erscheinen sollen, aber verschiedene Umstände, nicht zuletzt der tragische Tod von Terry Jones, haben die Veröffentlichung immer und immer wieder hinaus gezögert bzw. gar verhindert, bis das Material schließlich 2017 unter dem Titel „The Room Of Shadows“ das Licht erblicken sollte. Wie sich nun zeigt, war es das aber noch nicht mit dem Material aus den damaligen Tagen, denn nun erscheint unter dem damals geradezu sagenumwitterten Titel „Never Quite Dead“ ein neues Album – wiederum mit Material, das seinen Ursprung noch zu Jones‘ Lebzeiten hatte.
PAGAN ALTAR sind wohl doch noch nicht ganz tot gewesen …
Brendan Radigan (u. a. SUMERLANDS, SAVAGE OATH) schwingt anno 2025 das Mikrofon dieser Formation, die weiterhin von Jones‘ Sohn Alan am Leben gehalten wird. Letztgenannter war offenkundig eifrig damit beschäftigt, die Bandarchive zu durchkämmen, und hat die Songideen, die irgendwann während des aktiven Bestehens der Band entstanden sind, als Ausgangspunkt für die Ausarbeitungen genommen, die lt. Release Notes von Alan anteilig scheinbar noch während der Aufnahmen zu „The Room Of Shadows“ begannen. Im Falle des Openers „Saints & Sinners“ beispielsweise heißt es hier, dass Radigan sich stimmlich an einer Adaption von Terry Jones‘ Ideen versuchen sollte und mit seiner Interpretation den Nagel auf den Kopf getroffen habe.
Die Release Notes sind tatsächlich eine interessante Lektüre und beinhalten erwartungsgemäß auch einige persönliche Schwänke, zusätzlich zu den eigentlichen Themen, um die sich die Songs drehen würden. Zu den Tracks „Madame M’Rachel“ und „Madame M’Rachael’s Grave“ beispielsweise teilt Jones eine Anekdote aus der Kindheit seines Vaters bezüglich einer urbanen Legende um Madame M’Rachael, deren drei Kinder Schweinsköpfe gehabt haben sollen und die ihr Grab auf dem Friedhof in Rotherhithe als Geist heimsuche. Offenbar war es zu Terry Jones‘ Kindertagen Brauch, sich zwecks einer Mutprobe zu Mitternacht auf den Sarg von Madame M’Rachael zu stellen und „I’m not afraid of Madame M’Rachael!“ zu rufen.
Alan Jones wühlte tief in den Archiven für „Never Quite Dead“
„Never Quite Dead“ mutiert vor diesem Hintergrund also fast schon zur Albumkonzeption an sich, sind bis auf „Kismet“ alle Stücke dieser Trackliste entweder aus einzelnen Archivdemos oder im Falle von „The Dead’s Last March“ aus Sessions kurz vor Terry Jones‘ Tod entstanden, sodass dieser Track ohne seinen gesanglichen Input fortgedacht werden musste. „Westbury Express“ ist offenbar eine Tradition, die Alan Jones auf PAGAN ALTAR-Alben weiterführen wollte, ein folkiges Akustikstück, hier als Ode an die „Wiederauferstehung“ der Band zwecks der Finalisierung von „The Room Of Shadows“ gedacht, während „Kismet“ nicht aus dem Umfeld von PAGAN ALTAR an sich stammt, aber durchaus auch Input durch Terry Jones erhielt.
Wenn sich das Geschriebene jetzt ein bisschen so liest, als wollte unsereins die Besprechung der eigentlichen Musik vermeiden, dann trifft das bedauerlicherweise ein bisschen zu. Denn gut der Hälfte des Materials hört man diese Entstehungsgeschichte dahingehend an, dass man ihr das „Katorz“-Syndrom zuschreiben kann. Will sagen: Einige Songs wirken zu sehr durch die Archiv-Vorlagen eingeengt und kämpfen daher ein paar Gewichtsklassen unter den eigenen Möglichkeiten. So ist beispielsweise beim Opener „Saints & Sinners“ eine an sich großartige Hook an einen ansonsten unnötig repetitiven Rocker verlustig gegangen, während der „Madame M’Rachael“-Zweiteiler schlicht und ergreifend unrund und unausgegoren klingt.
Das Ergebnis kann seine Entstehungsgeschichte teilweise jedoch nicht verleugnen
Anderen Songs hört man dagegen an, dass sie von der Band etwas intensiver ausgearbeitet worden sind. Dazu gehören „Liston Church“, „Well Of Despair“ und der Rausschmeißer „Kismet“. Die qualitative Zweischneidigkeit von „Not Quite Dead“ ist bedauerlich, auch wenn die positiveren Cuts auf der Trackliste (und natürlich die lange Wartezeit aufs Album) verhindern, dass sich PAGAN ALTAR hier irgendwie als seelenlose Nachlassverwalter präsentieren. Es ist halt schade, dass das Album nicht an die Qualität von „The Room Of Shadows“ aufschließen kann. Fans und Doom-Feinschmecker werden dennoch sicherlich ihren Spaß hieran haben, auch wenn die Halbwertszeit dieser Veröffentlichung deutlich geringer sein wird als jene von „The Room Of Shadows“ …
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