Wake - Thought Form Descent

Review

Soundcheck Juli 2022# 2

WAKE sind schon fett. Die Kanadier begannen einst als Grind-Band, mauserten sich mit ihrem 2020er-Album „Devouring Ruin“ gefühlt im Handumdrehen aber zu einer Kapelle, deren Sound deutlich breiter aufgestellt war. Dieser firmierte dort irgendwo zwischen Black Metal, Tech Death, Sludge und Doom mit Überresten der einstigen Grind-DNA, die hier und da noch zu Tage traten. Und das Album hat Ärsche getreten, auch wenn unsereins seinerzeit weniger von den langsameren Passagen überzeugt war. Es hatte aber wohl auch zur Folge, dass Metalblade auf die Jungs aufmerksam geworden ist und sie in ihren Stall eingeladen hat, von dem aus sie nun ihr neues, mittlerweile sechstes Album „Thought Form Descent“ förmlich entfesseln.

Die kanadische Lärm-Maschine WAKE entdeckt die Magie der Melodie für sich

„Thought Form Descent“ knüpft stilistisch an „Devouring Ruin“ an. Das dürfte Anhänger des Vorgängers freuen, immerhin haben WAKE damit ja einen amtlichen Brocken in die Musiklandschaft geschmissen. Wo sich das neue Werk jedoch abhebt, ist die Tatsache, dass es deutlich mehr von Melodie und Atmosphäre getrieben ist und in der Folge ein wesentlich stringenteres Hörerlebnis bietet, etwas zu Lasten der reinen, bissigen Härte, die „Devouring Ruin“ noch zur Schau gestellt hat. Ad acta haben sie ihren unverdünnten Zorn aber nicht gelegt, denn die eröffnenden Klänge von „Observer To Master“ beispielsweise lassen den Kalk ordentlich aus den Ohren rieseln, bevor sich der Song für seinen Mittelteil mehr in fast schon Post-rockige Gefilde begibt.

Dabei spricht speziell die erste Albumhälfte vor allem die Anhänger des atmosphärischen Schwarzmetalls an, die nichts gegen eine ordentliche Sludge-/Death Metal-Würze einzuwenden haben. Der Opener „Infinite Inward“ legt die Karten auf den Tisch und baut sich langsam aber sicher auf, lässt das melancholische Leitmotiv elegant durch die anfänglichen Klänge hindurch diffundieren, ehe der Song dann grandios erumpiert. Dann gesellen sich die biestigen Vocals von Kyle Ball hinzu und vervollständigen praktisch das, was die Essenz des zeitgenössischen WAKE-Sounds darstellt. Der Eklektizismus wird einem hier nicht mehr so grob aufs Brot geschmiert, die Grenzen zwischen den einzelnen Genres verschwimmen förmlich angesichts der höheren Bedeutung, die den Melodien zugemessen wird hin zum Punkt, wo die Band einzelne Motive durch einen Song hindurch meisterhaft entwickeln wie in „Bleeding Eyes Of The Watcher“.

Und doch kann man sich von „Thought Form Descent“ wunderbar an die Wand spaxen lassen

Und doch bellt, brüllt und keift sich Ball wie besessen einen ab, als ginge es um sein Leben. Zur richtig kranken Höchstform läuft er gegen Ende vom Über-Song „Bleeding Eyes Of The Watcher“ auf, wo er ein paar markerschütternde Schreie vom Allerfeinsten aus der geschundenen Kehle zerrt. Dabei ist für Klargesang maximal im Hintergrund Platz, im Vordergrund regiert jedoch das Gutturale. Die Kanadier bleiben hart und lassen ihren Sound trotz der im Vergleich zu vorher etwas gelockerten Härteschraube immer noch kräftig ins Gesicht drücken, denn Josh Brueckert liefert Blastbeats en masse, ebenso wie markige Grooves. Unterdessen trümmern sich Arjun Gill und Rob LaChance jede Menge agile Riffs gegenseitig um die Ohren.

Korinthenpupser dürfen gerne bemängeln, dass die Kanadier insgesamt etwas zu bereitwillig im 6/8-Takt lärmen. Diese Passagen werden aber entweder in ihrer Intensität mit Abwechslung versehen wie in „Venerate (The Undoing Of All)“ oder oft genug aufgebrochen, was in der Umsetzung dank ihrer Impulsivität hier und da an frühere MASTODON erinnert, in seinen feisteren Momenten dank freizügig eingesetzten Arpeggios aber auch gerne mal in Tech-Death-Gefilde vorstößt, siehe etwa „Mourning Dirge (Repose Of The Dead)“. Sprich: Langeweile kommt keine auf beim Genuss von „Thought Form Descent“. Auch wenn die höhere Dichte an Melodien einen kleinen Abzug in Sachen Härte bedeutet, betonieren WAKE ihre Hörer mit ihrem heftigen Sound immer noch amtlich in die Landschaft hinein – nur eben jetzt um ein My zugänglicher und mit mehr Lametta (oder was man auch immer im Atmospheric Black Metal zum Dekorieren verwendet).

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27.07.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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4 Kommentare zu Wake - Thought Form Descent

  1. casualtie78 sagt:

    Die waren mir völlig unbekannt. Der Song hier ist schon fett – auf Albumlänge längweilt mich das ganze aber irgendwie mit der Zeit. Spätestens nach dem 3.Song ist dann gut…..

    6/10
  2. ClutchNixon sagt:

    Eine faszinierende Wall of Sound, die ungefähr so klingt, als würden Kaleikr plötzlich Sluge spielen.

    8/10
  3. Watutinki sagt:

    Ganz schön auf Krawall gebürstet. Prinzipiell nicht schlecht, das Schlagzeug wunderbar analog und verspielt, aber mir persönlich ist das insgesamt zu laut und von allem etwas zu viel. Mag seine Hörer finden, ich mag es lieber reduzierter.

  4. ClutchNixon sagt:

    Stimmt, das ist schon recht fordernd, aber womöglich gibst du der ganzen Sache ja noch ein, zwei Durchläufe.