Falkenbach
Studioreport zum neuen Album "Tiurida"

Special

Acht Jahre liegt das letzte echte FALKENBACH-Album „Ok Nefna Tysvar Ty“ zurück, wenn man das 2005 erschienene „Heralding – The Fireblade“ nicht mitzählt, das eigentlich das Debüt des Düsseldorfer Soloprojekts hätte sein sollen. Am 28. Januar 2011 erscheint das fünfte FALKENBACH-Album, „Tiurida“ (althochdeutsch „Ruhm“) betitelt und im Spätsommer 2010 im Tidalwave-Studio in Karlsruhe entstanden, in dem bereits die letzten beiden Alben aufgenommen wurden. Acht Stücke geistern als Tracklist bereits seit einigen Wochen durch’s Netz, und das Cover ist auch bereits durchgesickert. Gehört hat das gute Stück noch niemand – bis auf metal.de natürlich. Ich durfte im Studio dabei sein und möchte Euch nicht vorenthalten, was ich dort gehört habe.

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Mit einem klassischen „Intro“ wird das dreiviertelstündige Album eingeleitet – schon nach dreißig Sekunden, bei denen die tiefen Hörner und verwehten Streicherteppiche das Naturambiente durchbrechen, hätte sogar Johannes Heesters ohne seine Hörgeräte erkannt, dass hier FALKENBACH am Werk sind. Jeder, der das zweite Album „… magni blandinn ok megintiri…“ kennt, wird sich hier sofort wundervoll heimisch fühlen.

Diese kurze Einleitung geht nahtlos über in „… where his ravens fly…“, einen erstaunlich folkigen Siebeneinhalbminüter, der von stampfendem Schlagzeug und einer unkonventionellen Solo-Akustikgitarre getragen wird. Der ausschließlich cleane, mehrstimmige Gesang ist bestechend charmant und findet seinen unbestreitbaren Höhepunkt in dem wundervollsten Refrain, den ich 2010 gehört habe – da schießen die Nackenhaare büschelweise in den Winterhimmel. Auch wenn dieser Refrain aus dem pathetischsten Wort besteht, das man auf einem Album mit heidnischem Inhalt singen kann – nämlich „Wuotan“ – ist das einfach nur wunderschön und etwas, das so nur FALKENBACH zaubern können. Da gehe ich das erste Mal, nach nicht einmal fünf Minuten, in die Knie.

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„Time Between Dog And Wolf“ trägt weit ruppigere Züge. Vratyas‘ cleane Stimme dient hier nur zur Choruntermalung für die Screams von Sänger Tyrann, die derart aggressiv klingen, dass man unweigerlich an den Fenriswolf denken muss, den man vier Wochen auf Kohlsuppendiät gesetzt und dann vor’s Mikro gezerrt hat, hinter dem eine Fleischpastete baumelt. Das passt erstaunlich gut zu einem einfach strukturierten, aber sehr wirkungsvollen Midtempo-Song mit rollendem Doublebass-Teil, auffälligem Tomeinsatz und singender Sologitarre.

Falls jemand die FALKENBACH-Flöte vermisst: keine Sorge, das Instrumental „Tanfana“ vereint eine ohrwurmige, dominante Flötenmelodie mit röhrenden Rhythmusgitarren und klassischen 90er-Synthesizer-Chören und hätte mit ruppigerem Sound und einfacherem Arrangement auch durchaus auf „… en their medh riki fara…“ stehen können.

Das gilt für das folgende „Runes Shall You Know“ nicht, das charakterlich eher „Ok Nefna…“ nahe steht – hier kommen recht elegisches Tempo, eine melancholische Gesangslinie und begleitende, breitwandige Rhythmusgitarren zusammen. Dazu gesellen sich ein zweckdienliches, betont einfaches Schlagzeug und eine zauberhafte Leadgitarrenlinie, die so weich und warm singend klingt, als hätte man die Saiten mit weichgekochten Spaghetti ersetzt, statt eines Bottlenecks Penne und statt eines Plektrums Schmetterlingsnudeln verwendet. Einfach lecker.

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Dann folgt mein persönlicher Favorit auf „Tiurida“: das Achtminutenmonster „In Flames“, das allerdings mit Melodic Death Metal soviel zu tun hat wie FALKENBACH mit EQUILIBRIUM. Hier erreicht der Schub des Zusammenspiels von hell glänzender Gitarrenwand und Bassfundament seinen Höhepunkt und liefert ein Riff von unfassbar gut funktionierender Simplizität, das durch eine halbakustische Gitarre im „Vanadis“-Stil durch den Song geleitet wird. Der zerbrechliche Mittelteil, geführt von einer behutsamen Akustikgitarre und verziert mit einem völlig in den Hintergrund gehallten Klargesang (mit einem erahnt sehr schönen Text) unterbricht den gewaltigen Fluss des Stückes nur kurz. Zwischendurch, zum zweiten und letzten Mal: Tyranns übermannsgroßes Organ, das dem Album eine ganz eigene und sehr wichtige aggressive Dimension verleiht. Sicherlich ein eher untypisches FALKENBACH-Stück, aber ein verdammt tolles.

„Sunnavend“ beschließt dann das reguläre Album, fast instrumental und deutlich auf die leitende Akustikgitarrenlinie fixiert. Hier wird noch einmal die geniale Einfachheit eines FALKENBACH-Stückes spürbar: mit nur zwei, drei flüssig, logisch und ergänzend ineinander übergehenden Teilstücken wird hier ein wunderbares Lied aufgebaut, in dem jeder Ton sitzt. Das ist im Falle von „Sunnavend“ umso erstaunlicher, als hier auch Produzent Patrick Damiani, der auch auf dem gesamten Album an den Saiteninstrumenten zu hören ist, einen kompositorischen Anteil beigetragen hat, der sich trotzdem nahtlos in Vratyas Vakyas‘ Anteil einfügt (ich hatte im Übrigen die Ehre, den Bass in diesem Song spielen zu dürfen – vielen Dank!).

Wer die LP- oder Digipak-Version des Albums ergattert, darf sich darüber hinaus über einen Bonustrack freuen: „Asaland“, basierend auf einem über 15 Jahre alten Demostück, ist ein instrumentales Kleinod, das man nicht unterschätzen darf: Drei Saiten einer halbakustischen Gitarre und ein bisschen Fingerfertigkeit leiten hier ein im wahrsten Sinne des Wortes glänzendes vierminütiges Lied ein, dessen Mittelteil aus treibender Doublebass und donnernden Gitarren, wattigen Chören und einem hoch über den Frequenzen schwebenden Streicherteppich besteht. Das scheint so einfach, aber keine Band dieser Welt hat es bisher geschafft, FALKENBACH diese Weltferne musikalisch nachzumachen.

„Tiurida“ ist unverkennbar ein FALKENBACH-Album mit all den Trademarks, die man nach vier Alben kennt, schätzt und erwartet. Es ist darüber hinaus wuchtiger und auch ein Quentchen kreischiger produziert als die beiden Vorgänger, auch wenn der warme, volle Gesamtklang noch immer typisch für FALKENBACH ist. Was aber das Schönste ist: auch in Zeiten heftig grassierender Schunkelwut, Hörnerwahnsinn, Pelzpeinlichkeiten, Metboom und anhaltender musikalischer Verwirrung ist Vratyas Vakyas der ruhende Pol des guten Geschmacks. „Tiurida“ hat mit Pagan Metal glücklicherweise immer noch nichts zu tun, dafür ist es einfach zu gut, zu massiv, zu eigen und zu schön. Das Album wird damit 2011 hoffentlich der Fels sein, der die letzten Wellen der Pagan-Szene bricht. Das Zeug dazu hat es allemal.

03.12.2010

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