In Legend
Clash zu "Ballads 'N' Bullets": Piano Metal - ein Paradoxon?

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Lange ist es her, dass zwei metal.de-Redakteure zum Clash angetreten sind, nun haben wir endlich wieder eine Band, die ausreichend polarisiert, um es nicht bei einer Review zu belassen. IN LEGEND veröffentlichten am 20. Mai 2011 ihr Debütalbum „Ballads ‚N‘ Bullets“ und werfen die altbekannte Frage auf, ob Metal ohne Gitarren Metal ist. Also denn, auf in den Ring! In der linken Ecke Walter, schützend vor der heiligen Gitarre – in der rechten Ecke Andrea, lässig am Klavier lehnend…

Walter: So, so, Piano Metal also. Wurde ja auch Zeit, dass endlich mal wieder ein neues Subgenre kreiert wird. Zwar ist die Idee, Musik auf spartanisch instrumentierte, geradezu minimalistisch anmutende, aber natürliche Weise zu kredenzen, seit den Finnen APOCALYPTICA, die mit ihrem Cello Metal die Welt erobern konnten, so neu auch wieder nicht, an die „Tastenvariante“ hat sich aber bislang in der Tat noch niemand herangewagt.

Interessant vor allem deshalb, weil besagtes Instrument gar nicht so selten in der Rockmusik vorkommt, dabei aber zumeist eher unterstützendes Element ist, eher selten dagegen eine tragende Rolle einnimmt und bislang noch nicht als dominierendes Spielgerät verwendet wurde. Aber wie auch immer, angeführt von VAN CANTO-Mann Bastian Emig hat sich die Formation nun also an diese Neuschöpfung herangewagt und präsentiert uns mit „Ballads ‚N‘ Bullets“ ein viel beachtetes Debüt.

Dieses wird in erster Linie aber polarisieren, denn auf der einen Seite wird die Fraktion der „Open Minded“-Musikkonsumenten die Idee als überaus innovativ bejubeln, Metal-Puristen (wir sprechen hier von „Piano METAL“ – nur zur Erinnerung!) dagegen werden sich zunächst schon einmal an der Tatsache stoßen, dass man auf diesem Album keinerlei (!) Gitarren (!!) zu hören bekommt. Ein weiterer Punkt für die zweitgenannte Fraktion wird auch die Tatsache sein, dass ein Großteil der Kompositionen durch das Piano einen mehr als nur weichgespülten Anstrich erhalten hat und der schwermetallische Aspekt dadurch auch nicht unbedingt intensiviert wird.

Doch zurück zum eigentlichen Thema. Gitarren sind also absolute Fehlanzeige, Emig überlässt die Wirkung der Songs vorwiegend seinem Klavier und will uns seine Selbsteinschätzung – IN LEGEND würden wie „TORI AMOS auf Koks“ klingen – damit nahebringen. Ein Unterfangen, das leider auch nicht gelungen ist. Sauer aufstoßen lässt mich diesbezüglich vorwiegend der im Hintergrund zu vernehmende Drum-Computer, als noch verzichtbarer empfinde ich jedoch die aufgeblasen wirkenden Chor-Passagen. Dadurch empfinde ich die Chose im Endeffekt nicht nur eher der Kategorie „Plastik“ zugehörig, mehr noch, dadurch wird sogar die Idee hinter IN LEGEND irgendwie ad Absurdum geführt, denn vom METAL ist im Endeffekt nichts, aber auch gar nichts mehr übrig geblieben.

Fazit: Eine nette Idee, für die ich der Truppe auch viel Erfolg wünsche – aber mit Metal haben IN LEGEND definitiv nix zu tun!
Punktwertung: 3/10

Andrea: So, so, mit Metal haben IN LEGEND also nichts zu tun. Wenn man die Zuordnung zu diesem Genre an Gitarren festmacht, dann hast Du, lieber Walter, definitiv recht. An den „aufgeblasenen Chorpassagen“ kann es jedenfalls nicht liegen, denn die sind im Metal zuhauf zu finden. Auf „Ballads ‚N‘ Bullets“ sind die Chöre meiner Meinung nach wohl dosiert und alles andere als aufgeblasen. Vielleicht liegt das aber daran, dass ich bei VAN CANTO zu oft hinter Bastian Emig auf der Bühne rumgesprungen und inzwischen fast taub bin?

Mit der Bemerkung zum Drum-Computer hast Du Dich übrigens selbst disqualifiziert. IN LEGEND vorzuwerfen, so ein Teufelsding auf dem Album zu verwenden, zeugt nicht nur von schlechter Recherche, sondern auch von schlechten Ohren! Der VAN CANTO-Mann Bastian Emig ist bekannterweise der Schlagzeuger der Metal-A-Cappella-Heroen und ein verdammt guter noch dazu. In unserem Interview mit Bastian kannst Du selbst lesen, dass er die Drums höchstpersönlich eingespielt hat und nicht etwa Dennis Otto, Schlagzeuger von IN LEGEND. Nicht, dass Dennis dazu nicht in der Lage wäre – dass er Bastians Ansprüchen gerecht wird, hat er schon auf zwei Touren bewiesen – die Band bestand nur noch nicht so wie heute, als die Drums aufgenommen wurden. Die Aufnahmen fanden übrigens in den Twilight Hall Studios unter den kritischen Ohren von Charlie Bauerfeind statt, den man wohl durchaus als Qualitätsmerkmal im Metal-Bereich bezeichnen kann.

Was mir an Deiner Review extra-sauer aufstößt, ist, dass selbst ein Blinder sehen kann, wie viel es ausmacht, ob Rezensenten bereit sind, sich mit der Musik einer Band, die nicht ihren eigenen Geschmack trifft, auseinander zu setzen. Ganz zu schweigen von der Unterteilung in „Open Minded-Musikkonsumenten“ und „Metal-Puristen“. Was genau soll das denn bitteschön ausdrücken? Dass der typische Metalfan ein Scheuklappen tragendes Wesen ist, unfähig, nach links und rechts zu schauen? Dann können sich IN LEGEND ja glücklich schätzen, wenn sie nicht als Metal klassifiziert werden! Wer will schon Fans, die nicht in der Lage sind, auch mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen?

Eigentlich wollte ich ja nicht über „Ballads ‚N‘ Bullets“ schreiben, denn jeder, der ein bisschen recherchiert, wird mir kurzerhand mangelnde Objektivität vorwerfen: Ich war mit VAN CANTO und IN LEGEND auf Tour, ein Großteil der Live-Fotos im „Ballads ‚N‘ Bullets“-Booklet stammt von mir und sogar für die Promo-Fotos 2011 bin ich verantwortlich. Aber da Du, lieber Kollege, jegliche Objektivität vermissen lässt, nehme ich die Aufforderung zu einem Clash mit Dir gerne an. Vielleicht kommen wir ja auch noch auf die Musik zu sprechen, über die Du Dich bisher ja kaum geäußert hast.

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Walter: Schon nach deiner Einleitung habe ich das Gefühl, dass wir uns ziemlich einig sind, geschätzte Kollegin. Jawohl, ich definiere Metal – und darüber hinaus sogar das gesamte Genre der „Rockmusik“ – in erster Linie über Gitarren. Musik im Allgemeinen mag zwar durchaus auch ohne funktionieren, sobald jedoch von Metal die Rede ist, sind Klampfen unabdingbar. Punkt und Ende jeder Diskussion.

Zum Thema „aufgeblasene Chöre“ muss ich anmerken, dass es natürlich stimmt, dass im Metal-Bereich unzählige Bands damit arbeiten, ebenso wie es an der Tatsache, dass Charlie Bauerfeind ein bewährter Produzent in unserem Genre ist, nichts zu rütteln gibt. Was es jedoch an meinem persönlichen Eindruck, dass sämtliche Chorpassagen (eventuell auf Grund der fehlenden, druckvoll aus den Boxen geballerten Gitarrensounds :-)?) zu fett und übertrieben in den Vordergrund gemischt klingen, zu meckern gibt, verstehe ich nicht.

Klar ist mein Eindruck ein subjektiver und nicht jeder Hörer wird bei diesem Album dasselbe empfinden wie ich (zum Glück für die Band 🙂 ), allerdings muss ich dazu doch ein wenig kontern, denn ein Nahverhältnis zu einer Band – in dem Du offenbar sowohl zu VAN CANTO (mit deren Zuordnung zum Metal ich übrigens auch nicht einverstanden bin, aber das ist eine andere Geschichte), wie eben auch zu IN LEGEND stehst – macht es wohl nur bedingt einfacher, objektiv an ein Album herangehen zu können.

Für die Ansage mit dem Drum-Computer gebührt mir fraglos Pech und Teer, keine Frage! Allerdings handelt es sich auch hier um meinen Höreindruck und – man verzeihe mir mein in der Tat offenbar bereits ein klein wenig defektes Gehör – für mich klingt das Schlagzeug nicht wirklich natürlich. Dass Bastian kein guter Drummer wäre, habe ich allerdings keinesfalls bezweifelt oder in Frage gestellt!

Doch Albumeindruck hin oder her, Produktion, Drum-Sound und so weiter, das alles sind doch nur Nebensächlichkeiten, denn – auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, und das tue ich hier gerne und mit vollster Überzeugung – ich definiere den Begriff „Heavy Metal“ in erster Linie mit Gitarren, und das nicht erst seit gestern. Dadurch mag man von mir den Eindruck bekommen, ich wäre ein engstirniger, ignoranter und intoleranter Kerl – was Musik betrifft stimmt das absolut, und weißt Du was? Ich bin sogar verdammt stolz darauf! Denn für mich ist Heavy Metal weit mehr als „nur“ Musik und in jener Zeit, in der ich von diesem Virus infiziert wurde, waren Bands, wie deren Alben auch, noch von erdigen, satten Gitarrensounds geprägt. Aber über den „Tellerrand“ gucken muss ich schon, denn neben dem Teller steht ja meistens das Bierchen. 🙂

Von daher kann ich Dir nur beipflichten, dass sich IN LEGEND glücklich schätzen könnten, nicht als „Metal“ bezeichnet zu werden (Aber warum zur Hölle tun sie’s dann?) um nicht eine Klientel wie mich alten Sack ansprechen zu müssen, denen nichts, aber auch gar nichts, über ihre seit langen Jahren aus tiefstem Herzen geliebte Musik geht! (Womit wir uns erneut ein klein wenig näher gekommen sein sollten 🙂 )

 

Galerie mit 9 Bildern: In Legend - No Silence To The End Tour

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07.06.2011

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