Dying Fetus
Interview mit John Gallagher zu "War Of Attrition"

Interview

Die Meinungen über die letzten Veröffentlichungen und auch über das neue Album von DYING FETUS sind geteilt. Während die einen bei aufgedrehter Anlage Stakkato-Bangend ihre Birne gegen die nächstbeste Wand donnern, schauen die anderen eher zurückhaltend kritisch drein. Selbstredend, dass dieses Mal im Interview nicht nur Bauchpinselei betrieben wird. Überraschenderweise sind die Antworten des Saitenquälers dennoch sehr freundlich und verständnisvoll ausgefallen.

Dying Fetus

Hi, „War Of Attrition“ steht zwar noch recht frisch in den Regalen, aber ich möchte dennoch mal die Frage stellen, ob das Album bisher überall gut angekommen ist. Wie waren die bisherigen Reviews? Sei ehrlich!

Das, was ich bisher gelesen habe war mindestens so gut, wie wir es erhofft hatten! Die Leute scheinen es zu mögen und zu verstehen, worauf wir mit der Musik sowie den Songtexten hinauswollten. Ich habe ein Review gesehen, dass sich beim verreißen fast überschlug, aber da stehe ich drüber, weil ich mich beim Loben genauso überschlagen würde.

Ich frage dies natürlich nicht ohne Hintergedanken. Ich habe nämlich neben einiger positiver Kritik auch mittlerweile einige Worte der Enttäuschung lesen können. Zwar ging es nicht so weit, dass das Album zerrissen wurde, aber hier und da wurde mehr von „War Of Attrition“ erwartet. Mir geht es ehrlich gesagt ähnlich. Nach dem Volle-Kraft-voraus-Killer-Opener „Homicidal Retribution“ flacht das Material von Lied zu Lied immer weiter ab, bzw. die Songs verlieren nachhaltig ein wenig an Spannung. So klasse die ersten Tracks sind, so leicht schwächelnd wirken die letzteren Stücke. Mit zunehmender Spieldauer nutzt sich das Material etwas ab. Kannst du das nachvollziehen?

Darin liegt vermutlich die Gefahr, unsere stärksten Songs an den Anfang des Albums zu packen, wobei es mir leid tut, wenn jemand zum Ende hin das Interesse daran verliert. Mir persönlich gefallen alle Songs, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Selbst wenn die ganze Band mit einem Album voll und ganz zufrieden ist, gibt es eben Leute, die dieses Gefühl leider nicht teilen können.

„War Of Attrition“ ist meiner Meinung nach zwar eindeutig DYING FETUS, dennoch merkt man, dass teilweise andere Musiker am Werk sind. Erzähl doch mal bitte, was bei DYING FETUS Line-Up-mäßig in letzter Zeit vor sich gegangen ist. Ich habe so häufig von Wechseln gelesen, dass ich ehrlich gesagt nicht mehr mitgekommen bin. War es wirklich so schlimm oder doch recht überschaubar?

Es wirkt natürlich recht chaotisch, wenn sich ständig was ändert, vor allem wenn man die Sessionmusiker sowie die regulären in Betracht zieht. Wir haben es jedenfalls gut hingekriegt. Als Vince die Band verlassen hat, machte sich Sean ans Mikro und nun sind wir als Quartett zurück; und wir haben Erik’s Weggang solange wie möglich herausgezögert, indem wir einen Sessiondrummer engagierten, als er nicht in der Lage war, die GWAR-Tour zu meistern. Der einzige neue Name, auf den man seit dem letzten Album Acht geben musste, ist unser derzeitiger Schlagzeuger Duane Timlin.

Eine Zeit lang dachte ich, das war’s mit DYING FETUS (aufgrund oben genannter Line-Up-Probleme). Gab es tatsächlich solche Augenblicke, oder übertreibe ich da gerade etwas?

Dieses Gefühl beschleicht einen natürlich schnell in solch aufgewühlten Zeiten, aber ich kann dir sagen, dass es mit DYING FETUS noch längst nicht vorbei ist. Wenn John in all den Jahren eins wirklich bewiesen hat, dann seine Ausdauer, die Band zusammen zu halten und voran zu treiben, selbst wenn er dafür komplett neue Mitstreiter finden müsste.

Das neue Album ist ein wenig progressiver als erwartet ausgefallen, wie ich finde. Nicht unbedingt freundlich progressiv, aber schon sehr verspielt. Zwar gibt es immer noch genügend brutale Momente, jedoch auch eine Menge Feinheiten, die den Sound DYING FETUS‘ erweitern. War das Absicht oder kam das „einfach so“ während des Songwritings?

Es war auf jeden Fall unsere Absicht, dass sich das Songwriting weiter entwickelt, und der technische Fortschritt, der mit jedem Album kommt, gehört zur Erfahrung, ist etwas ganz Natürliches, was wir aber auch erwarten. Es gibt ein paar Details, die wir öfters sehen wollten, deshalb frage ich mich, ob du einiges von dem, was wir öfters hören und spielen wollten, bemerkt hast. Darüber hinaus machen wir Musik, die wir hören wollen, die wir aufregend finden zu spielen. Natürlich hoffen wir immer, dass unsere Fans auf unsere Alben abfahren.

Verliefen die Aufnahmen ohne Komplikationen? Wer hat euch denn den Sound zusammengekleistert? „War Of Attrition“ besitzt jedenfalls wieder den Band-typischen klang, wenn auch mit etwas weniger Wumms.

Wir sind ins gleiche Studio wie immer gegangen, das ‚Hit and Run‘ in Rockville, Maryland, mit Steve Carr als unseren Aufnahmetechniker. Die Produktion ist das Ergebnis unserer Zusammenarbeit. Wir wollten, dass das Album rauer klingt, als „Stop At Nothing“, mehr wie die klassischen Alben davor, aber auch aggressiver.

Wie sieht das Wunschproduzenten-Team von DYING FETUS aus? Wer sagt euch wie der Hase läuft und wer kümmert sich um den Sound?

Wir sind in jeden Schritt der Produktion involviert, bis das Album gemastert wird. Der Mix ist natürlich ein sehr wichtiger Teil dieses Prozesses, in den wir stark eingebunden sind. Für gewöhnlich bräuchten wir einfach nur mehr Zeit – vor dieser Einschränkung stehen wir jedes Mal, wenn wir unser Bestes geben, um einem Album den Sound zu verpassen, den wir uns dafür wünschen.

Schauen wir mal ein paar Jahre zurück. Stichwort „Killing On Adrenaline“. Für mich nach wie vor das beste DYING FETUS-Album, und sicherlich nicht nur für mich. Allein der Opener und sein Einstiegsriff mit dem unterlegten Blast Beat spalten heute noch sämtliche Schädel. Die Scheibe hat einen dermaßen geil basslastigen Sound, dass sich einem die Nudel verbiegt. Ist euch eigentlich bewusst, dass dieses Album auf gewisse Art und Weise einen Sonderstatus bei vielen DYING FETUS-Fans besitzt?

Aber sicher doch, und es ist auch für mich ein ganz spezielles Album, da es das Album war, was mich in die Band eingeführt hat. Wir haben eigentlich das Gefühl, dass die Produktion in den Tiefen ein bißchen übersättigt ist, weil beim Mastering geschlampt wurde, aber es führte zu einem sehr schweren Sound, den wir auf einem zukünftigen Album gern wieder erreichen würden. Eine Sache, die ich mir für „War Of Attrition“ gewünscht hätte, wären mehr Tiefen, darüber lohnt es sich also beim nächsten Album nachzudenken.

Welches ist denn dein Favorit (mal abgesehen vom neuen Album) und warum?

Neben „Killing On Adrenaline“ sind es speziell die letzten beiden Alben, da ich direkt daran beteiligt war, vor allem bei unserem jetzigen Album. Im Grunde sind meine Favoriten die letzten vier, da sie das herausfordernste und interessanteste Songwriting haben, und auch die beste Produktion.

Gehen wir noch einen Schritt weiter… Wie sieht dein Ranking unter den DYING FETUS-Alben aus. Bitte in Plätzen von 1 bis 5 und mit jeweils einem Satz dahinter, was dir bei dem jeweiligen Album als erstes durch den Kopf geistert.

Es wäre sehr schwierig, sie in einer Rangliste einzuordnen, weil sehr oft die älteren Alben den Kürzeren ziehen, da ihre Produktion mit deutlich geringerem Budget gemacht wurde. Es ist natürlich immer geil, diese alten Songs live zu spielen. Es wäre wie mit jeder anderen Band, die ich mag – mir gefallen die älteren Sachen, es hat auch ein bißchen was von Nostalgie, aber der neuere Stoff ist natürlich immer komplexer und hat eine bessere Produktion.

„Stop At Nothing“ wurde seinerzeit ebenfalls mit recht gemischten Gefühlen aufgenommen, allerdings aus anderen Gründen als „War Of Attrition“. Vermutlich braucht „War Of Attrition“ einfach noch einige Durchläufe mehr um endgültig zu zünden. Ich kann’s mir fast vorstellen, denn die Scheibe gefällt mir nach dem mittlerweile achten Durchlauf bereits besser als noch nach den ersten drei. Bei „Stop At Nothing“ ist jedoch genug Zeit ins Land gezogen, um abschließend zu sagen, dass die Scheibe zwar ein paar Höhen, aber auch etliche (zu viele) Tiefen besaß. Seht ihr das als Band ähnlich kritisch oder seid ihr immer noch vollkommen überzeugt von dem Album?

Es gibt definitiv auf jedem unserer Alben einige Stellen, die wir gern ausbessern würden, weil wir bei der Produktion meistens immer unter Zeitdruck stehen. Auf „Stop At Nothing“ könnte ich dir sicherlich mehr solcher Stellen nennen, als auf „War Of Attrition“, weil mehr Zeit vergangen ist, und ich noch nicht die gleiche Perspektive auf das neue Album habe. Ich denke, wir haben immer das Gefühl, es besser machen zu können, da wir uns stetig verbessern, wenn wir die Songs live spielen, so dass man sich immer wünscht, man könnte zurückgehen, die Songs besser einspielen oder den Sound besser hinkriegen.

Nun, ich werde mir „War Of Attrition“ jedenfalls noch einige Male reinziehen und hoffe, dass mich das Album im Ganzen überzeugen wird und nicht nur ein paar Tracks…
Werdet ihr dem nachhelfen, indem ihr die deutschen Bühnen zerlegt? Wie sieht’s denn aus mit Live-Aktivitäten hier in Deutschland?

Wir spielen sehr gern in Deutschland – es ist ein wichtiger Teil jeder Europa-Tour und die Szene ist dort sehr stark. Wir haben vor, Europa im Mai sowie August zu beackern, also halt Ausschau, wann wir bei euch aufkreuzen. Und ich hoffe natürlich, dass wir dich live vollends überzeugen können!

DYING FETUS sind ja nun schon einige Jährchen im Geschäft. Lohnt es sich mittlerweile, in dieser Band zu spielen, oder sind die Tantiemen immer noch eher spärlich? Ich meine, ihr werdet natürlich keine vier Lamborghinis vor dem 23-Zimmer-Schloß stehen haben, aber ein paar Dollar wird die Band doch wohl abwerfen? Zum Leben wird’s aber wohl eher nicht reichen, oder…?

Das auf keinen Fall, deshalb haben wir alle noch Jobs, um die Rechnungen zahlen zu können. Tantiemen machen nur einen geringen Teil des Geschäfts aus – touren, Shows spielen und der Verkauf unseres Merchandise bringen uns hauptsächlich etwas ein. Mir fällt keine einzige Death Metal Band ein, die großartig auf die Kacke hauen könnte, wenn es ums Geld geht, im besten Fall kann man gerade so davon leben. Aber keiner von uns macht das, um reich zu werden. Wir machen es aus Liebe zur Musik.

Auf welche Art würdest du mich am liebsten umbringen, wegen der Kritik, die ich zu „War Of Attrition“ vorhin angebracht habe?

Auf die gleiche Weise, wie bei jedem anderen – großartige Shows spielen, und die Zeit mit der Band und den Fans genießen! Man sagt ja, Erfolg sei die beste Revanche 😉

Danke für das Gespräch! Ich hoffe, dass „War Of Attrition“ seinen Zweck bei den meisten Fans erfüllt! Alles Beste für euch!

Dir natürlich auch, vielen Dank! Dank auch all unseren Fans für deren unsterbliche Loyalität und ihre Unterstützung! Wir sehen uns demnächst!

Galerie mit 11 Bildern: Dying Fetus - Rockharz Open Air 2024
09.04.2007

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