Fairytale
Interview mit Colin und Sascha zu "Rise Of The Twilight Lord"

Interview

Fairytale

„Never judge a book by its cover“ – gleichermaßen sollte man auch eine Musik-CD nicht auf Basis des Albumcovers bewerten. So verbirgt sich hinter dem Namen FAIRYTALE und dem von einer kleinen Fee geschmückten Bandlogo kein kitschiger Italo-Bombast-Metal. Vielmehr bietet das eigenproduzierte Debütalbum „Rise Of The Twilight Lord“ Old-Schooligen Power-Metal, der zwar aus dem Ruhrpott stammt, seine Wurzeln in der NWoBHM und der US-Metal-Szene jedoch nicht verleugnen kann. Wir sprachen mit Sänger Sascha und Gitarrist Colin über die Band und den deutschen Metal-Underground.

Fairytale

Hey Leute, danke, dass ihr mir ein paar Fragen beantwortet! Obwohl ihr erst letztes Jahr in Eigenregie euer Debütalbum herausgebracht habt, gibt es FAIRYTALE ja nun schon seit dem Jahr 2000. Was habt ihr dieses knappe Dutzend an Jahren lang so getrieben und was hat euch davon abgehalten, schon früher euer Plattendebüt in Angriff zu nehmen?

Sascha: Da ich erst seit 2006 dabei bin und direkt die EP „Book Of Fairytales“ aufgenommen habe, kann ich nur sagen, dass es ab 2006 daran lag, dass uns erst unser Gitarrist Veith verlassen hat und anschließend unser Drummer David, und etwas Zeit verging, bis wir mit Mirko und Christopher wieder eine komplette Band waren.

Colin: Ja, was ist da eigentlich passiert, haha? Einer der Gründe warum wir es bislang nur auf ein Demo (2001), die EP und die aktuelle Scheibe gebracht haben, ist wohl der, dass FAIRYTALE einen ähnlich hohen Verschleiß an Musikern wie SPINAL TAP hatten. Uns sind alle Nase lang die Gitarristen abhanden gekommen, was uns natürlich immer wieder zurück geworfen hat. Allerdings waren wir in all den Jahren nicht untätig, sind trotzdem aufgetreten und haben auch immer wieder Studios aufgesucht und Songs eingespielt. Die sind zwar nie veröffentlicht worden, aber untätig waren wir nicht was unsere Musik angeht. Vor drei Jahren ist unser Drummer sehr schwer erkrankt, was uns ziemlich aus der Bahn geworfen und die Band ca. ein Jahr lang auf Eis gelegt hat. Wir hätten uns natürlich auch einen anderen Trommler suchen können, wollten wir aber nicht, da die Band aus Freunden besteht. Wir haben – wie viele andere Bands auch – zudem schlechte Erfahrungen mit einem Pseudo-Manager gemacht, der uns ebenfalls ziemlich viel Zeit gekostet hat. Stichwort: Falsche Versprechungen. Ich bin echt froh, dass der Typ uns damals nur Nerven und kein Geld gekostet hat, haha.

Welchen Stellenwert genießt die Band in eurem Leben? Wollt ihr lieber als reines Hobby-Projekt weitermachen, bei dem ihr noch alle Fäden selbst in der Hand halten könnt, oder wartet ihr nur auf vernünftige Angebote von Plattenlabels?

Sascha: Für mich ist die Band zwar ein reines Hobby-Projekt, was den Stellenwert im Leben aber nur insofern schmälert, dass ich FAIRYTALE nicht so viel Zeit widmen kann wie meinem Beruf. Trotzdem liebe ich unsere Musik und die Möglichkeit, live aufzutreten und kann mir ein Leben ohne FAIRYTALE nicht mehr vorstellen. Da ich relativ weit weg vom Proberaum wohne, ist es leider für mich manchmal nicht möglich, mehr als einmal die Woche zu proben, da die Spritpreise doch ganz schön zu Buche schlagen.

Colin: Über investiertes Geld sollte man im Underground eh nicht nachdenken. Da könnte einem schon schwindelig werden, wenn man überlegt, was einen die Band im Laufe der Jahre gekostet hat. Das würde aber auch den Spaß an der Sache verderben. FAIRYTALE sind ein Hobby, wenn auch ein sehr zeitintensives und geiles. Deshalb tendieren wir momentan dahin, die Fäden selbst in der Hand zu halten. Wenn allerdings das richtige Angebot einer Plattenfirma kommt oder wir eine coole Booking-Agentur finden, werden wir uns damit natürlich auch gerne beschäftigen und uns mit den Leuten zusammen setzen. Platz nimmt die Band natürlich viel ein. Ich schreibe ja die meisten Songs und kümmere mich auch meistens noch um das Booking. Da geht echt viel Zeit drauf. Aber es macht ja auch Spaß und wenn wir auf der Bühne stehen, ist das eh alles egal.

 

Eure zahlreichen Besetzungswechsel habt ihr ja bereits angesprochen. Aber wie habt ihr als Band ursprünglich zusammengefunden und euch im Laufe der Jahre entwickelt?

Sascha: Das erzählt Euch besser Colin. 🙂 Ich bin über Frank und Colin in die Band gekommen, sie haben mir bei einigen Pils auf einer Party erzählt, dass sie einen Sänger suchen. Meine alte Band FRACTAL DAWN aus Hamm hatte sich grad vor einigen Monaten aufgelöst (dort war ich Gitarrist), und ich hatte direkt Bock, mal das Singen auszuprobieren. Das Songmaterial der Jungs gefiel mir auf Anhieb, und naja, jetzt bin ich schon über 5 Jahre Teil von FAIRYTALE.

Colin: Von der Originalbesetzung bin nur noch ich übrig. Gegründet wurde die Band als Schülerband. Richtig los ging es aber erst ab 2000, als ich unseren Basser Frank kennen gelernt habe. Danach kamen und gingen viele Musiker, wie oben schon erwähnt. Wichtig ist aber, dass wir mit den jeweiligen Musikern auch immer Spaß und sie gerne in der Band hatten. Da gab es eigentlich nie irgendwelche fiesen Streitigkeiten. Aber es ist halt wie immer im Leben. Man trifft sich, macht zusammen Musik und geht danach wieder getrennte Wege. Die aktuelle Besetzung spielt aber jetzt schon fünf Jahre zusammen und es werden hoffentlich noch ein paar Jahre hinzu kommen.

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Euer Bandname wirkt zusammen mit dem Logo auf den ersten Blick etwas irreführend. Habt ihr in euren Anfangstagen womöglich üblen Italo-Kitsch-Metal gespielt und haltet seitdem aus nostalgischen Gründen an der kleinen Fee fest? Oder steckt da doch etwas ganz anderes dahinter?

Sascha: Soweit ich weiß, hat Colin damals den Namen wegen des Songs „Fairytale“ auf der „Land of the Free“-Scheibe von Gamma Ray gewählt …

Colin: Hahaha… Nee, italienischen Kitsch-Metal haben wir nie gespielt. Unsere Baustelle war schon immer Heavy Metal und wird sie auch bleiben. Wir haben damals demokratisch entschieden welches Logo wir für die Band nehmen wollen. Die anderen Bandmitglieder haben für das Logo mit der Elfe gestimmt. Keine Ahnung, was die da im Bier hatten… Hehehe. In Bezug auf den Bandnamen hat Sascha aber Recht. Das ist zwar nicht sonderlich kreativ, aber irgendwie fand‘ ich den Namen gut und habe mir damals, als ich das Lied 1995 zum ersten Mal gehört habe, gedacht: so muss mal eine Band von mir heißen. Das Schöne an einem derartigen Namen ist aber doch, dass alles ein Märchen sein kann und wir uns so weder musikalisch noch textlich in irgendeiner Form limitieren müssen.

 

Angesichts der aktuellen Retro-Welle ist eure sehr traditionelle musikalische Ausrichtung nicht weiter ungewöhnlich. Ich kann mir aber vorstellen, dass das 2000 noch ganz anders ausgesehen haben wird. Hattet ihr zu Beginn größere Schwierigkeiten, die Leute auf euch aufmerksam zu machen und Gigs an Land zu ziehen?

Colin: Wir hatten definitiv weniger Gigangebote, so viel kann man sagen. Ob das jetzt daran lag, dass traditioneller Metal zu der Zeit weniger angesagt war, glaube ich aber eher nicht. Wir haben in den Anfangstagen einige Gigs musikalisch schön in den Sand gesetzt, hahaha. Irgendwann merken sich die Leute das und wir haben in den letzten Jahren viel und oft gespielt, um diesen schlechten Ruf wieder los zu werden, was uns ganz gut gelungen ist. Mittlerweile sind wir eine sehr gute Live-Band, die den Leuten auch eine gute Show liefert. Mit irgendeiner musikalischen Welle hat das aber nichts zu tun, denke ich. Metal-Fans halten ihr Fähnlein doch sowieso nicht in den Wind und gehen zu der Musik, auf die sie Bock haben. Wenn mir eine Band aus dem Underground gefällt, versuche ich die auch zu unterstützen. So soll es ja auch sein.

 

Wo würdet ihr euch eher zuhause fühlen, in der traditionellen US-Power-Metal-Szene oder in der NWoBHM?

Sascha: Hmm, schwierig … Ich selbst höre so gut wie alle Spielarten des Metal, bin also nicht nur fixiert auf die glorreiche NWoBHM oder die Power-Metal-Szene. Ich denke bei der Musik von FAIRYTALE gibt es aus beiden „Welten“ genügend Einflüsse zu finden, gemischt mit einer Prise Teutonenstahl.

Colin: So sieht’s aus. Wir machen das, was uns gefällt. Wenn sich dabei die Stile mischen, ist das natürlich sehr willkommen. Nur passen muss es. Zu einer aggressiven Nummer wie „Mercenaries“ vom aktuellen Album passen auch Thrash-Riffs. Wohingegen „The Vision“ aus der Feder unseres Gitarristen Mirko zum Beispiel ein reiner Power-Metal-Song in GAMMA RAY-Manier ist. Da passt kein EXODUS-Riff rein – und glaub‘ mir ich habs versucht!

 

Textlich bedient ihr in erster Linie bei klassischen Fantasy-Themen. Ist das nicht inzwischen mächtig abgedroschen und ist da das erzählerische Spektrum nicht längst von anderen Bands vollständig abgedeckt worden? Welchen Stellenwert genießen die Texte bei euch generell?

Sascha: Nun ja, welches Thema wurde denn noch nicht ausgiebig in der Musik behandelt ? Ich finde, dass zu unserer Spielart des Metal Fantasy/Science-Fiction etc. ganz gut passt. Klar triefen manche Texte vor Klischees, für mich gehört das zum guten alten Heavy Metal aber irgendwo dazu, Texte, mit denen man mal vom grauen Alltag abschalten kann. Das liegt aber auch daran, dass unter meinen Lieblingsbands auch etliche Vertreter mit ähnlichem lyrischen Background vertreten sind (BLIND GUARDIAN, HELLOWEEN, GRAVE DIGGER, RUNNING WILD, GAMMA RAY, …) und ich generell ein großer Fantasy-Fan bin, was Bücher, Filme, Spiele und so weiter angeht.

Colin: Ach, das passt schon mit den Texten. Wer sich darüber echauffiert, soll halt was anderes hören. Wir sind da nicht so, haha. Nein, im Ernst: Mit den Texten verhält es sich ebenso wie mit der Musik. Es muss passen, dann ist das Thema sogar relativ nebensächlich. Wie gesagt, wir setzen uns da keine Grenzen. Die nächste Veröffentlichung (eine Vinyl-EP) wird beispielsweise auch Themen aus dem Bereich Science-Fiction behandeln oder vielleicht auch etwas ganz anderes.

 

Obwohl die ersten Stücke für sich alleine stehen, erzählt die zweite Albumhälfte offenbar eine zusammenhängende Geschichte, was „Rise Of The Twilight Lord“ zu einer Art von Konzeptalbum macht. Habt ihr die Geschichte dahinter selbst entwickelt?

Sascha: Ja, das Ganze basiert auf Colins Welt „Iceland“, die auch schon in ein paar Songs der „Book Of Fairytales“-EP behandelt wurde.

Colin: Genau. Das „Iceland“-Konzept habe ich irgendwann 2002/2003 ersonnen und seitdem greifen wir darauf sporadisch immer wieder zurück. Allerdings auch nur, wenn wir da Lust zu haben. Wir verwenden jetzt nicht auf Teufel-komm-raus immer diese Thematik. Das wäre ja langweilig. Aber abgeschlossen ist das Konzept mit „Rise Of The Twilight Lord“ noch lange nicht. Irgendwie hängen wir daran…

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Als echte Ruhrpöttler dürftet ihr die Anfänge des Metal im Deutschland eurer Kindheit hautnah miterlebt haben. Verbindet ihr damit noch irgendwelche Erinnerungen? Und was hat sich seitdem hier verändert?

Sascha: Jeder meiner Lieblingssongs erinnert mich an gewisse Tage meiner Jugend, das liebe ich ja so an Musik. Ein Song lässt Erinnerungen und Gefühle manchmal besser wieder ans Licht kommen als manches Foto. Es hat sich natürlich einiges geändert, ich wüsste jetzt nicht, wo ich anfangen sollte. Ich höre jetzt seit fast 20 Jahren Metal, auf jeden Fall hat mich diese Musik all die Jahre fasziniert, weil Metal so unheimlich facettenreich ist und sich immer wieder neu erfindet, aber auch Traditionen auf erfrischende Weise bewahrt. Im Großen und Ganzen ist Metal für mich halt immer noch ehrliche Musik, wo es halt mehr um die Freude an der Musik selber geht und das Musikerlebnis mit anderen „Gleichgesinnten“ zu genießen. Ich kenne immer noch genug Leute, die sich CDs/Platten noch kaufen und nicht für umsonst aus dem Netz saugen, weil sie einfach den Wert einer CD/Platte schätzen und die Bands unterstützen, beziehungsweise ihrer Sammelleidenschaft frönen. Ich habe selbst eine große CD-Sammlung, und wenn mir auf einem Gig eine Band gefällt, nehme ich mir eigentlich immer eine CD oder ein Shirt mit.

Colin: Hmm… Die ersten beiden Metal-Songs, die ich gehört habe, waren „Can I Play With Madness“ und „Future World“, mit zehn. Da war der Drops der glorreichen Zeit im Metal doch schon gelutscht, hahaha. Ansonsten sehe ich das wie Sascha. Es gibt immer Songs/Platten und Bands mit denen man eine besondere Zeit verbindet. Eine der ersten Metal-Bands, die ich wirklich bewusst gehört habe, war WARLOCK und deren „Triumph And Agony“. Auf die Scheibe lasse ich auch heute nichts kommen.

 

Wie seht ihr die aktuelle Metal-Szene allgemein? Hat man es als aufstrebende Nachwuchsband eurer Meinung nach heute leichter oder schwerer als in den 80ern?

Sascha: Einerseits schwerer aufgrund der enormen Anzahl der Bands, die es heute gibt. Andererseits vielleicht leichter, weil man heute aufgrund der technischen Möglichkeiten viel schneller Songs komponieren, aufnehmen und produzieren kann und weil man eigentlich auch relativ leicht die Möglichkeit hat, irgendwo live zu spielen…

Colin: Sehe ich im Prinzip auch so. Da heute jeder jede Band in den Social Networks findet, ist die Gefahr groß, dass irgendwann einfach die Magie fehlt, wenn man neue Musik entdeckt. Früher haben wir uns neue Scheiben auf Kassette überspielen lassen oder sind mit ’nem Kumpel zum Plattenladen gegangen und man hat sich abgesprochen, wer welche Platte kauft. Heute bekommst Du die Musik per Klick immer frei Haus. Was mich aber eher stört ist, dass jeder heute in der Lage ist für kleines Geld eine CD aufzunehmen. Da wird in den meisten Fällen gar nicht so viel Wert auf eine gute Produktion gelegt. Hauptsache, man hat möglichst schnell Hörproben im Netz. Wir haben zwar auch die Möglichkeit unser Zeug selbst aufzunehmen, verwenden die Aufnahmen aber nur für Demos, die der Weiterentwicklung unserer Songs dienen. Die Band hat sich auch bewusst dafür entschieden in ein richtiges Studio zu gehen und die Musik dort aufzunehmen. Das werden wir auch weiterhin so machen, auch wenn uns das eine Stange Geld kostet. Die Leute zahlen für unsere CD, somit haben sie auch das Recht ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erhalten.

 

Das wär’s dann auch von mir. Hab ich jetzt noch irgendetwas Wichtiges vergessen, nach dem ich euch hätte fragen sollen? Und habt ihr sonst noch irgendwelche abschließenden Worte für Metal-Deutschland?

Sascha: Hehe, meistens kommt gerne noch die Frage nach unseren Lieblingsalben oder so. 🙂 Abschließende Worte: Drink beer and celebrate Metal as often as possible \m/

Colin: Erstmal möchte ich Dir für das Interview danken, Florian. Hat sehr viel Spaß gemacht. Als letzte Worte natürlich das übliche Promogeschwätz: Kauft unsere CD, kommt zu unseren Gigs und feiert und trinkt ein Bier mit uns.

20.02.2012

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