Liquid Tension Experiment (LTE)
Interview mit Tony Levin

Interview

Und das wird zu gar keinem Zeitpunkt fade? Ich meine, du hast das nun für eine so lange Zeit gemacht und willst mir erzählen, dass es immer wieder aufs Neue solch ein Erlebnis ist?

Absolut! Wenn es fad werden würde, wäre es sehr schwer, das über eine so lange Zeit aufrecht zu erhalten. Es wäre ein Job, den kein Musiker haben wollen würde. Für mich liegt es oft am Song… Ich mein, es gibt Bands, die haben jede Nacht dieselbe Setlist, andere nicht, beispielsweise haben wir mit STICKMEN immer dieselbe Setlist, mit KING CRIMSON hatten wir jeden Abend eine andere. Aber wenn ich mal einen Song dazwischen habe, bei dem ich nicht übermäßig begeistert bin, nehme ich das als Herausforderung. Es ist meine Verantwortung als Spieler, diesen Track für mich ansprechender und besser zu gestalten, Wege zu finden, ihn mir schmackhaft zu machen, mich zu stimulieren und herauszufordern.

Vielleicht gibt es einen Weg, es besser zu spielen oder ihn mir zugänglicher zu machen. Also wenn mir das in den Sinn kommt, wenn mir ein Stück fad wird, probiere ich das zu antizipieren und mich mental wie musikalisch darauf einzustellen. Ich muss das Stück genauso wichtig für mich machen wie die anderen. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass mir das immer gelingen würde, aber das ist natürlich nicht so. Was gleich bleibt, ist die Herausforderung und wenn man diese Herausforderung angeht, hält das Shows davon ab, zu fade zu werden. Die Einstellung zum Spielen ist eine konstante Herausforderung und das hält es frischer, als wenn man jede Show mit einer „Das ist langweilig und wird ein Spaziergang“-Einstellung heran geht.

Das ist sehr interessant. Wenn man heute eine Vollzeit-Band sein möchte, gehört das konstante Auf-Tour-Sein dazu, weil es die finanzielle Grundlage bildet. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man in dieser Situation schnell in eine Art Gewöhnung verfällt, es sich mehr wie ein Job als eine Berufung anfühlt. Witzigerweise hat mir Billy Howerdel von A PERFECT CIRCLE einmal genau das gleiche gesagt: Live sich mit den Stücken in neuen Weisen herauszufordern, um sich eine neue Aufgabe, eine Challenge zu geben und somit die Liveerfahrung frisch zu halten. Diese Haltung scheint sich also bei vielen Künstlern wiederzufinden.

Definitiv. Das besondere bei uns ist ja, dass vieles Liveimprovisation ist, und bei diesem Album ist letzten Endes auch vieles beim Recording improvisiert gewesen. Und das ist etwas, was jeder von uns Vieren bei LIQUID TENSION EXPERIMENT gerne tut, also bringen wir das definitiv in unsere Live-Sets mit ein. Es gibt natürlich Stücke, in denen wir Note für Note spielen, was wir komponiert haben, außer den Solos natürlich, aber auch andere, wo wir einfach komplett improvisieren. Ein gutes Beispiel ist das Stück „CHRIS & KEVIN’S AMAZING ODYSSEY“, welches Mike und ich zusammen auf dem Album haben.

Jede Nacht, wenn wir mit dem Recorden für den Tag fertig waren, haben wir zum Spaß ein wenig zusammen gejammt und das Band quasi mitlaufen lassen. Manchmal auch nur zu zweit, Jordan und John haben zu dem Zeitpunkt vielleicht irgendwas anderes gemacht. Und beim Jammen hat Mike einen Part gespielt, wo ich an die große elektrische Bassgitarre denke. Siehst du die hier im Hintergrund (zeigt in den Hintergrund seines Studios auf die große EUB – Anm. d. Redaktion)? Das ist eigentlich keine Bassgitarre, die man normalerweise mit Bands wie LIQUID TENSION EXPERIMENT spielt, aber ich hatte den EUB für alle Fälle trotzdem mit dabei.

Ein Pattern, das Mike spielte, ließ mich an etwas denken und ich probierte einfach auf dem EUB rum. Ich hatte auch einen Bogen dabei und hab einfach damit rumprobiert und Mike hat wiederum darauf reagiert. Ich will nicht sagen, dass das nun unser bestes Stück überhaupt ist oder so, aber man muss dankbar sein, mit Musikern eine Band zu teilen, in der jeder so gut ist, dass er auf solche Sachen einfach eingehen kann und Stücke in vollkommen neue Richtungen treibt. Und damit sind wir glücklich, wir lassen uns so treiben. Das macht einen großen Part von dem aus, was LIQUID TENSION EXPERIMENT ist.

Nur so aus Interesse, sind die Aufnahmen damit auch auf dem Album gelandet, also mit exakt dem Bass?

Du meinst den Bass? Ja, es ist der hier (zeigt nach hinten), es ist ein NS Electric Upright Bass. Es ist, was es ist. Man ihn vielleicht sogar ein wenig schwenken und anwinkeln, aber den würde man nicht horizontal spielen. Er wird eher wie ein Kontrabass gespielt. Ich habe ihn sehr viel mit PETER GABRIEL gespielt und ein wenig auch mit KING CRIMSON, aber eben weil er so klingt und sich wie ein Kontrabass spielt, ist es normalerweise nichts, was ich für Speed Metal oder jetzt für LIQUID TENSION EXPERIMENT raus nehme. Ich kann logischerweise nicht so schnell darauf spielen, der Sound ist nicht verzerrt, sondern voller und so weiter. Aber man kann trotzdem viel Spaß damit haben. Mit LIQUID TENSION EXPERIMENT bringe ich trotzdem immer all meine verschiedenen Bässe mit, normalen Bass, den NS EUB und auch den Chapman Stick. Es ist ein wenig wie alle nötigen Werkzeuge für ein Heimprojekt oder so zur Hand zu haben. Ob man sie dann auch nutzt, ist die andere Frage, aber es ist immer gut, alle an der Hand zu haben. Und wenn sich die Stücke entwickeln, kann man hören, welches Instrument gebraucht wird. Nicht nur bezogen auf den Bass, auch auf die Effekte und Pedale, die einem helfen, sich so musikalisch auszudrücken, wie man es wünscht.

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Quelle: Head of PR, Tony Levin
30.04.2021

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