Liquid Tension Experiment (LTE)
Interview mit Tony Levin

Interview

Übst du noch dieser Tage oder gar nicht mehr? Oder steht mehr der kreative Prozess im Vordergrund? Denn Skalen oder Rudimente rauf und runter zu üben kann auch schnell schal werden, oder? Aber auch körperlich mitzuhalten in dem Alter wird sicherlich auch schwieriger? Gibt es irgendwelche Übungsroutinen oder spielst du einfach was du spielst?

Gute Frage und die Antwort ist nicht einfach (lacht). Wenn du mich vor einem Jahr gefragt hättest, wäre meine Antwort gewesen: Nein, ich übe nicht. Zu dem Zeitpunkt war ich auf Tour, wir waren insgesamt zehn Monate auf Tour und das beinhaltet nicht nur im Van sitzen oder Soundcheck, Konzert und so weiter. Also man hat schon sechs, sieben Stunden den Bass in der Hand, also werde ich den nicht auch noch im Hotel in die Hand nehmen (lacht). Und ich habe mich auch nicht so gefühlt, als würde ich das brauchen. Das bringt uns zum jetzigen Zeitpunkt, April 2021. Ich bin momentan natürlich zu Hause, habe aber noch Sessionwork, recorde für Leute, vielleicht kannst du mein Homestudiosetup sehen (zeigt wieder hinter sich). Ich bin also die ganze Zeit beschäftigt. Aber nach etwa einem Monat im Lockdown ist mit aufgefallen, dass meine Technik ein wenig leidet.

Es ist nicht so, als ob ich ständig schnell spiele oder bestimmte schwierige Dinge spielen können muss – LIQUID TENSION EXPERIMENT sind da ein wenig die Ausnahme zu dieser Regel – , aber es fühlte sich nicht richtig und nicht gut an. Also habe ich wieder angefangen, mehr zu üben. Ich hatte natürlich auch so jetzt während des Lockdowns mehr Zeit und hab mich öfter im Netz umgeschaut und Musik gehört und es gibt viele fantastische neue junge Bassisten und Bassistinnen, die sehr inspirierend sind! Sie spielen sehr technisch anspruchsvolle Dinge, die ich nicht spielen kann. Gemeinsam mit meiner eingerosteten Technik hat mich das dazu gebrach, wieder mit dem Üben anzufangen. Mittlerweile übe ich wieder sehr viel, so wie zum Anfang meiner Karriere, ein paar Stunden am Tag, wenn es sich einrichten lässt. Ich wünschte, ich würde sogar noch mehr üben, aber seit ein paar Monaten bin ich definitiv wieder auf dem Trip, wieder mehr zu üben. Ja, ich war sehr zufrieden mit meiner Technik und habe genug gespielt, um nicht wirklich üben zu müssen, aber nun im Lockdown spiele ich nicht mehr genug und bin nicht mehr zufrieden mit meiner Technik (lacht).

Wie motivierst du dich im Lockdown zu spielen? Mit gemeinsamen Proben und Bandkollegen kann man sich gegenseitig motivieren, aber das ist nun schwierig geworden.

Ja, du hast recht, im Lockdown sind wir momentan alle ein wenig schlechter drauf. Ich glaube der ganze Planet hat gerade mit diesem Stimmungstief zu kämpfen. Wir hatten alle ein schwieriges Jahr und begegnen ihm auf unterschiedliche Weise. Manchmal kann man gut von den Bewältigungsstrategien anderer lernen. Für mich persönlich, wie du im Hintergrund sehen kannst, ist es auszuhalten, ich habe mein eigenes Studio, in dem ich spielen kann und ich habe viele Anfragen von Leuten, für die ich Bassspuren aufnehmen soll. Ich habe mir auch selbst eine Aufgabe gegeben in Form eines Fotobandes, in dem ich von allen Fotos, die ich auf Tour während meiner gesamten Karriere gemacht habe, die besten auswähle, kuratiere und im Juni vergangenen Jahres habe ich das gestartet. Das hat viele Stunden gefressen für etwa ein halbes Jahr. Also mit anderen Worten, habe ich mir selbst eine große Aufgabe gestellt, die ich ohne Hilfe bewältigen konnte, die aber trotzdem kreativ war. Der Fotoband ist mittlerweile draußen und kann erworben werden und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Psychologisch war es trotzdem ein hartes Jahr und ich glaube man hat die psychologischen Auswirkungen dieses Lockdowns unterschätzt. Ohne jegliche Deadline, ohne Planung, ohne neue Shows die anstehen, ist es schwer sich zu motivieren. Aber ich probiere unterschiedliche Dinge aus, um trotzdem damit klar zu kommen. Ich denk es ist wichtig, sich nicht selbst zu viele Vorwürfe zu machen. Ja, vielleicht hätte ich auch drei weitere Studioalben und zwei weitere Bücher während der Zeit realisieren können, aber ich hab es eben nicht geschafft. Vielleicht hätten wir alle es gekonnt und auch gesollt, da es das beste gewesen wäre, um die Zeit zu nutzen, aber wir haben es nun mal nicht. Und das ist auch ok. Das Buch ist seit Januar draußen und ich war überrascht, wie groß die Resonanz war. Es gab mehr Nachfrage als Bestand und es gibt mittlerweile schon die 2. Auflage.

Es war eine tolle Erfahrung. Ich würde nicht sagen, dass ich ein besonders guter Fotograf bin, aber während der Touren seit den 1970ern sind viele, bestimmt zehntausende von Bildern zustande gekommen, die natürlich auch nicht alle digitalisiert waren, sondern vielleicht noch auf Film, Videokassetten oder sonst wo waren. Als ich angefangen habe, gab es noch Schwarz-Weiß-Negative, nun ist natürlich alles digital und das alles zu sammeln, zusammenzustellen und auszuwählen, war eine schwierige Aufgabe. Und man muss das alles in eine gute Form bringen, eine Story mit den Bilder erzählen, damit das Buch gut zu lesen sein wird, die passenden Fotos auswählen. Also ja, das war ein tolles, sehr spaßiges, aber auch anstrengendes persönliches Projekt. Und wie mit jedem Projekt ist es so, dass man sich auf die Veröffentlichung freut, es dann raus ist und man es nach zwei Tagen schon wieder vergessen hat, weil man sich neuen Aufgaben widmet (lacht). Das Ding ist draußen, das Leben geht weiter und man widmet sich neuen Aufgaben.

Bei LIQUID TENSION habe ich nie die Zeit gehabt, die Kamera selbst in die Hand zu nehmen, aber bei meinen anderen Bandbeschäftigungen nehme ich die Kamera in die Hand oder setze einen Tripod an der Bühnenseite auf und mache Fotos. Bei PETER GABRIEL habe ich tatsächlich manchmal mit nur einer Hand Bass gespielt und mit der anderen die Kamera bedient. So habe ich zum Beispiel die Ursprünge von dem festgehalten, was heute unter Crowdsurfen bekannt ist: Wenn Peter in den 1980ern in das Publikum gleiten würde, davon habe ich Aufnahmen gemacht. Oft war es nur Glück, bei solchen Momenten mit meiner Kamera dabei gewesen zu sein und genau das brachte mich dazu, diese Momente mit der Welt teilen zu wollen mit diesem Fotoband.

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Quelle: Head of PR, Tony Levin
30.04.2021

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