Winterfylleth
Dungeon Synth, Isolation, Geschichte

Interview

metal.de: Ja, ich denke es hängt immer stark davon ab, wie man die eigene Vergangenheit beziehungsweise den Umgang damit präsentiert, denn so gut wie jedes Land auf dieser Welt hat eine reichhaltige Geschichte, im positiven wie negativen Sinne, aber deshalb muss man die von anderen nicht als besser oder schlechter bewerten. Es ist relativ lustig, wie man auch teilweise durch Bands, die aus vollkommen anderen Breitengraden kommen, auf Kultur aufmerksam gemacht wird. Ich bin zum ersten Mal mit schottischer Folklore auf den Alben von ABSU (amerikanische Black-Metal-Band – Anm. d. Red.) wie „Tara“ und „The Sun of Tiphareth“ in Berührung gekommen. Gleichzeitig ist der Name von ABSU natürlich aus der sumerischen/mesopotamischen Mythologie, die natürlich aus dem nahen Osten stammt und am anderen Ende des Erdballs liegt. Also hab ich mich auch begonnen, dafür zu interessieren. Diese gemeinen „Topoi“ wie die nordische Mythologie sind für mich ein wenig „ausgelutscht“ im Metal wenn ich ehrlich bin, ich hab Bands die über ihre Ursprünge und ihre Kultur gesungen haben und wo ich neue Dinge lernen konnte immer interessant gefunden. Nicht nur die Mythologie, aber auch reale Dinge wie gewisse Bräuche, Orte, Historie und so weiter, die sonst vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten sind. Künstler wie ihr sind immer ein guter Weg, um genau solche Sachen neu zu entdecken oder vielleicht auch wiederzufinden.

Chris: Ja, das ist denke ich die Aufgabe von Künstlern. Die Leute zu zwingen sich mit etwas anderem auseinanderzusetzen, versuchen, Leute an andere Plätze als ihr alltägliches Leben gedanklich zu bringen. Für mich liegt es sogar in der Verantwortung von Künstlern, die Leute so ein wenig „aufzuklären“, denn im täglichen 24/7 ist es so einfach, dass diese Dinge nicht mehr beachtet werden und verschwinden, man schwimmt so dahin. Das ist schlecht. Und versteh mich nicht falsch, dass geht mir im Alltag wahrscheinlich genauso wie dir, auch wir haben nicht ständig das alles im Blick. Wenn man in manchen Hörern durch diese Ideen ein wenig das Nachdenken provozieren kann, auch wenn sie möglicherweise nicht mit einem übereinstimmen, ist schon viel gewonnen.

metal.de: Wenn wir musikalisch über „The Reckoning Dawn“ reden, ist es für mich quintessenziell immer noch WINTERFYLLETH, aber gefühlt habt ihr dieses Mal ein wenig mehr Dynamik mit drin. Wiederholung ist für mich ein Kernelement im Black Metal um diese Trance-artige Atmosphäre aufzubauen, aber es wird auch schnell fade für mich. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man geht, sozusagen. Das umschifft ihr geschickt mit diesen kleinen Farbtupfern wie den akustischen und orchestralen Elementen oder auch Tempowechseln hin und wieder. War das etwas, was sich natürlich ergeben hat oder habt ihr euch da schon mit Hintergedanken an die Komposition gesetzt?

Chris: Ich glaube, ein wenig was von beidem. Ich denke, wir haben viel von unserem Akustikalbum gelernt. Wir haben ein wenig andere, schwierigere Gesangslinien geschrieben, wir mussten nun mit Instrumenten, die wir sonst nicht spielen (Violine, Cello) und nicht besonders bewandert sind, dieselbe emotionale Atmosphäre transportieren und auch also anders an die Arrangements herangehen, wie wir es sonst tun. Ich mein etwa Nylonseiten sind nicht sehr bekannt dafür, gut zu resonieren, sie sind relativ leise und warm, sie ringen nicht sehr lange aus… wir mussten uns viele Gedanken machen, wie die Instrumente miteinander in Kontext zu setzen sind. Und auf diesem neuen Album mussten wir uns da ebenfalls miteinander auseinandersetzen. Wie lange spielt man Parts, ohne dass es langweilig wird, aber auch nicht zu kurz, sodass man quasi versteht, was als musikalisches Grundmotiv vorhanden ist.

Und darum mussten wir dann bauen und die restlichen, exotischen Instrumente einfügen. Es gibt hier quasi mehrere Ebenen und die sind dafür da, genau diese Langeweile von der du gesprochen hast ein wenig aufzulockern. Es passiert eigentlich alle 10-20 Sekunden etwas neues in den Passagen, wo wir länger mal ein Riff halten, nur meist auf einer anderen Ebene. Ich denke wir sind uns sehr bewusst, wie wir nun besser Atmosphäre transportieren können mit den Instrumenten. Die zusätzlichen Dinge sollen die Musik ja auch nicht zustopfen, eher Dinge neu mit einbringen. Auch so Dinge wie Lead-Gitarre. Wir spielen ja keine Solos oder sehr komplizierte, schnelle Leads, dieses Mal haben wir da aber mehr Parts als noch auf vorigen Platten. Ich hab auch probiert ein wenig harschere Vocals zu haben, mehr Kante. Die Synths haben wir genutzt um noch ein wenig mehr Atmosphäre einzubringen in Songparts, die das vorher vielleicht nicht hatten. Ich hoffe das, so wie du gesagt hast, es ein WINTERFYLLETH-Album ist, aber vielleicht mit noch 10% extra Dynamik, was es bei uns nocht nicht so sehr gab.

metal.de: Ich habe mich ein wenig über die frühe Tourankündigung mit MORK für den Mai gewundert, mit Corona und allem. Denkst du, ihr könnt das Datum halten?

Chris: Die Tour sollte heute in einer Woche starten, ist zwischenzeitlich aber logischerweise gecancelt worden. Wir haben sie verlegt auf nächstes Jahr. Das ist für uns als Band zum Promoten des Albums natürlich ein wenig blöd, aber ist ja nicht so, als wären wir momentan die einzigen, die damit zu kämpfen hätten. Wir haben allerdings für den Herbst eine Tour mit PANOPTICON geplant, es herrscht Optimismus, dass das klappen kann, aber vielleicht macht uns das Virus doch noch einen Strich durch die Rechnung. In dem Fall wird es wahrscheinlich auch auf nächstes Jahr verschoben. Wir haben trotzdem nicht den Albumrelease verschoben, da wahrscheinlich momentan so viele Leute zuhause sitzen, nicht wissen was sie tun sollen und als ein Künstler hast du nun neues Material, du hast eine gute Vernetzung zu anderen Bands und Künstlern und hoffentlich können wir ein wenig Freude zusammen verbreiten mit unserer Musik und später tollen neuen Shows.

metal.de: Ja, vielleicht ist es sogar von Vorteil nun in dieser Krise neue Musik heraus zu bringen, es konnten sogar ein paar Metalbands vergangenen Monat in Deutschland charten.

Chris: Das würde mich auch interessieren, denn unser Label sagte mehr oder weniger dasselbe zu uns: Weil nun alle Leute drinnen sind und Zeit haben, hören sie vielleicht auch mehr Musik und kaufen dann neue Platten. Momentan kommt nicht viel heraus, wir hatten auch eine Menge Pre-Orders und das könnte interessant werden, als Black-Metal-Band zu charten (lacht). Ich kann mir nicht vorstellen, dass je in UK ein Black-Metal-Album charten würde, aber wer weiß.

metal.de: Wenn du dir ein Dream-Lineup aussuchen könntest zum Touren, wer wäre das?

Chris: Es wäre wahrscheinlich mit alten ULVER, nicht ihre neue Elektronikmusik, und DRUDKH, von denen ich schon sehr lange ein Fan bin. Aber ich bin auch schon mit PANOPTICON sehr zufrieden, ich glaube die Tour wird echt toll. Viele Leute in Europa wollen die dringend sehen. Es ist eine interessante Situation für Bands momentan. Für ein „Dream-Lineup“ kämen natürlich auch die ganzen klassischen Bands in Frage, wie zum Beispiel EMPEROR. Das ist aber eher unwahrscheinlich.

metal.de: Das wäre es so weit von mir, gibt es noch etwas, was du loswerden willst?

Chris: First things first: Das Album kommt diesen Freitag raus, hört rein, ich hab aber noch mit meinem anderen Projekt ATAVIST, die Death/Doom spielen, ein Album, was am 19. Juni heraus kommt. Der Titel ist „Absolution“. Ich wäre dankbar, wenn Leute ATAVIST auch anchecken, denn wir haben fast dreizehn Jahre lang nichts gemacht. Es ist ein altes Projekt, was wir vor kurzer Zeit wieder ausgegraben haben. Für Fans von alten SHAPE OF DESPAIR, EVOKEN und so weiter.

metal.de: Danke für deine Zeit Chris, bleib gesund und munter, hoffentlich geht es nächstes Jahr besser weiter.

Galerie mit 10 Bildern: Winterfylleth - De Mortem Et Diabolum 2023 in Berlin

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Quelle: Chris Noughton
12.05.2020

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1 Kommentar zu Winterfylleth - Dungeon Synth, Isolation, Geschichte

  1. nili68 sagt:

    Gutes Interview einer guten Band.